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19.05.2009:
Hans-Werner Sinn: Bad Banks sind eine Bad Idea
Köln, den 19.05.2009 (Investmentfonds.de) -
** ifo Präsident erklärt in seinem neuen Buch „Kasino-Kapitalismus“,
wie das Bankensystem zur Spielwiese von Glücksrittern wurde, und benennt die
Fehler im deutschen Rettungspaket
** Sinn fordert die vorübergehende Beteiligung des Staates an
den Banken, drastisch höhere Eigenkapitalquoten und die Einschränkung
problematischer Geschäftsmodelle
** „Das Problem liegt nicht in erster Linie in der fehlenden Moral der
Akteure, sondern in falschen Anreizen und einer allzu laschen Regulierung“,
sagt Sinn
Professor Hans-Werner Sinn, Präsident des Münchener ifo Instituts, hat
eine umfassende Analyse der aktuellen Finanzkrise vorgelegt. Unter dem
Titel „Kasino-Kapitalismus. Wie es zur Finanzkrise kam, und was jetzt zu
tun ist“ untersucht Sinn die Ursachen der Krise, benennt die Fehler des
deutschen Rettungspakets und entwirft einen Masterplan zur Sanierung der
Finanzmärkte.
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Als Ursache für die Bankenkrise sieht er das spekulative Verhalten der
US-amerikanischen Hausbesitzer und Banken aufgrund verschiedener
Haftungsbeschränkungen. Die Privathaushalte finanzierten selbst die
dubiosesten Objekte, weil sie wussten, dass sie im Falle des Misserfolgs
nicht mit ihrem sonstigen Vermögen oder ihrem Arbeitseinkommen würden
haften müssen. Banken gaben die Kredite, weil auch sie angesichts ihres
geringen Eigenkapitals asymmetrisch an den Gewinnen und Verlusten ihres
Geschäfts beteiligt waren. Die Gewinne wurden privatisiert, die Verluste
wurden sozialisiert. Sinn zeigt eindrucksvoll, wie sich die immer
lascheren gesetzlichen Eigenkapitalanforderungen auf die Geschäftspolitik
der Banken ausgewirkt haben: Nur weil das Verlustrisiko großteils auf
Fremdkapitalgeber oder den Steuerzahler abgewälzt wurde, konnten die
Banken Traumrenditen von 25 Prozent und mehr auf ihr Eigenkapital
erzielen.
„Das Problem liegt nicht in erster Linie in der fehlenden Moral der Akteure,
sondern in den falschen Anreizen, die aus der beschränkten Haftung der
Banken in Verbindung mit einer allzu laschen Regulierung entstehen. Weil
es den Banken erlaubt ist, ihr Geschäft mit einem Minimum an Eigenkapital
zu betreiben, finden sie es attraktiv, mit dem Geld ihrer Kunden auf den
Weltkapitalmärkten Roulette zu spielen“, sagt Professor Sinn.
Hinzu kommt laut Sinn das Versagen der Rating-Agenturen. Durch viel zu
positive Bewertungen haben sie wesentlich dazu beigetragen, dass die
kompliziert strukturierten US-Schrottpapiere weltweit Käufer fanden.
Deutliche Kritik übt Sinn an dem deutschen Rettungspaket. Es sei nicht
geeignet, den Eigenkapitalmangel der Banken zu beheben – mit drastischen
Folgen für die Realwirtschaft. Nach den Verlusten der vergangenen Quartale
operieren viele Banken heute in gefährlicher Nähe zu der gesetzlich vor-
geschriebenen Mindestkernkapitalquote von 4 Prozent. Wenn diese Quote
unterschritten wird, verliert eine Bank ihre Erlaubnis zum Geschäftsbetrieb.
Banken können dem nur entgehen, wenn sie sich entweder neues Eigenkapital
besorgen oder ihre Ausleihungen reduzieren. Da Eigenkapital am Markt
angesichts der miserablen Kurse derzeit nicht zu bekommen ist, ist es
sinnvoll, dass der Staat in die Bresche springt.
Die Regierung hat die Mittel des deutschen Rettungspakets aber größtenteils
als Bürgschaften bereitgestellt und Eigenkapitalhilfen mit massiven Auflagen
verbunden.
„Unter diesen Bedingungen ist es kein Wunder, dass die Banken ihr
Geschäftsvolumen verringern, um ihre Geschäftserlaubnis zu schützen. Bei
4 Prozent bilanzieller Eigenkapitalquote lässt sich ein Verlust von einem
Prozent bei den Anlagen aber nur mit 25 Prozent weniger Ausleihungen
ausgleichen. Dieser gewaltige Multiplikator kann der deutschen Wirtschaft
zum Verhängnis werden, weil das Geld für notwendige Investitionen fehlt“,
erklärt Sinn.
Auch die aktuell geplanten Bad Banks haben nach Einschätzung von Sinn einen
entscheidenden Konstruktionsfehler. Die Banken sollen die wahrscheinlichen
Verluste der Bad Banks nur insoweit mittragen, als sie diese aus späteren
Gewinnen im normalen Bankgeschäft finanzieren können. Das Eigenkapital ist
vor der Haftung geschützt.
„Bad Banks sind eine Bad Idea – eine schlechte Idee. Sie läuft darauf hinaus,
das Vermögen der Bankaktionäre zu erhöhen und das der Steuerzahler zu verringern“,
fasst Sinn zusammen.
Sinn schlägt in seinem Buch selbst ein ganzes Paket von Maßnahmen gegen die
Krise vor. Als Soforthilfe sollte sich der Staat mit einer erzwungenen
Kapitalerhöhung an angeschlagenen Banken beteiligen, wenn sie nicht genug
privates Eigenkapital auftreiben können. Ziel dieser Beteiligung sollte es
sein, das durchschnittliche Bilanzvolumen der vergangenen drei Jahre mit
mindestens 4 Prozent Eigenkapital zu unterlegen und die Risikopositionen mit
mindestens 8 Prozent Kernkapital. Sinn sieht in der Beteiligung des Staates
aber nur eine vorübergehende Lösung. Nach der Krise soll der Staat seine
Anteile wieder verkaufen, denn der Staat hat zwar Geld, ist aber ein
schlechter Banker.
Mittel- und langfristig spricht sich Sinn für eine deutlich strengere und
international harmonisierte Regulierung des Bankensystems aus. Als wichtigste
Ordnungsregel sollten die Staaten von den Banken auch langfristig wesentlich
höhere Eigenkapitalquoten verlangen. Ergänzend fordert der ifo Präsident
weltweit die Rückkehr zur vorsichtigen Buchführung nach dem Vorbild des
deutschen HGB, ein Verbot der extrem spekulativen Leerverkäufe sowie enge
gesetzliche Grenzen für Zweckgesellschaften, Hedgefonds und das Geschäft mit
Kreditversicherungen (CDS, Credit Default Swaps).
Kasino-Kapitalismus erscheint im Econ-Verlag und ist ab Montag,
18. Mai 2009, im Handel erhältlich. 352 Seiten. € 22,90.
ISBN-13: 9783430200844.
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