Investmentfonds.de
22.06.2010:
Die Schuldenkrise in der Eurozone schwelt weiter
Köln, den 22.06.2010 (Investmentfonds.de) -
Joost van Leenders, Spezialist für Asset Allocation und Anlagestrategie
bei BNP Paribas Investment Partners, schreibt im aktuellen Marktbericht:
Freundlichere Konjunkturdaten; eindrucksvoller Anstieg chinesischer
Ausfuhren
Schlechte Neuigkeiten gab es im Bereich der Schuldenkrise. Spaniens
Staatsanleihen verloren die AAA-Bewertung der Rating-Agentur Fitch,
während Moody’s griechische Staatsanleihen auf den Junk Bond Status
herunterstufte. Renditezuschläge für spanische und griechische Anleihen
nahmen zu. Doch die Aktienmärkte ließen sich von diesen Nachrichten,
einschließlich der Aufforderung der EU an Spanien und Portugal, ihre
Sparpläne genauer darzulegen, nicht weiter beeindrucken und erholten
sich von den vor kurzem erreichten Tiefständen. Diese Nachrichten
scheinen also bereits zum Großteil eingepreist zu sein. Trotzdem
rechnen wir mit einer anhaltenden Volatilität. Derzeit scheinen sich
die Märkte vor allem auf die Konjunkturdaten zu konzentrieren, denen
zufolge der weltweite wirtschaftliche Aufschwung weiterhin ungestört
verläuft.
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Gerüchte, denen zufolge dass Spanien oder Portugal gezwungen sein
könnten, die European Financial Stability Facility (EFSF) – den
Rettungsschirm in Höhe von 750 Mrd. EUR - in Anspruch zu nehmen,
werden vermutlich anhalten. Derzeit stehen die Kapitalmärkte allen
Ländern mit Ausnahme von Griechenland offen, auch wenn dies nicht
ganz billig ist. Die Ausweitung der Risikozuschläge könnte dadurch
bedingt sein, dass die EFSF noch nicht voll von allen Ländern
ratifiziert ist oder aber durch die Unsicherheit über die Bedingungen,
unter denen Kredite aus dem Rettungsfonds vergeben werden. Die Frage,
ob der Rettungsschirm groß genug ist und ob es sich dabei um eine
strukturelle Lösung handelt oder ob es lediglich darum geht, Zeit
zu gewinnen, steht weiterhin im Raum. Anders ausgedrückt weiß man
nicht, ob die Mitgliedsstaaten der Eurozone bereit und in der Lage
sind, ihre Haushaltsdefizite abzubauen, ehe die Anleihenmärkte die
Geduld verlieren.
Eine Begleiterscheinung der Schuldenkrise ist die zunehmende Spannung
auf dem Geldmarkt der Eurozone. Hier haben sich die Renditezuschläge
ebenfalls ausgeweitet und Banken parken Beträge in Rekordhöhe bei der
EZB. Dem Bericht einer niederländischen Zeitung zufolge, liegt der
Libor USD, der in den letzten Wochen deutlich anstieg, nach wie vor
zu niedrig. Das “Het Financieele Dagblad” schrieb, dass Banken keine
höheren Zinssätze anbieten wollten, um nicht den Eindruck zu erwecken,
sie hätten Finanzierungsprobleme. In einigen Ländern ist das bei
kleineren Banken derzeit der Fall. Kleinere spanische Banken haben
große Schwierigkeiten, sich Kapital zu beschaffen. Die EZB vergibt
inzwischen jedoch wieder dreimonatige Kredite in unbefristeter Höhe
und wird weiterhin Staatsanleihen kaufen.
In den USA verbesserte sich das Geschäftsklima bei kleinen Unternehmen,
die dem ISM-Einkaufsmanagerindex, der in erster Linie größere Unternehmen
berücksichtigt, bisher hinterherhinkten. Die wirtschaftliche Erholung,
die in den USA in der Industrie begonnen hat, scheint inzwischen auch
auf andere Sektoren überzugreifen. Bei den Wohnungsbaugesellschaften
verschlechterte sich nach dem Wegfall der Steuervergünstigungen das
Geschäftsklima. Aufgrund der erwarteten Absatzeinbrüche bei Wohnimmobilien,
war die Anzahl der Baugenehmigungen rückläufig. Die Anzahl der Anträge
auf Hypothekenkredite fiel auf den niedrigsten Stand seit Februar 1997.
Der Häusermarkt in den USA scheint also weiterhin anfällig zu sein.
Angesichts dieser Daten könnte es sein, dass die Fed ihre Leitzinsen
weiterhin unverändert lässt. Das Verbrauchervertrauen in den USA ist heute
besser als in den letzten zwei Jahren. Dennoch waren die Einzelhandels-
umsätze rückläufig. Ein gewisser Umsatzrückgang war zu erwarten. Die
Ausgaben waren in der letzten Zeit trotz des geringen Einkommenswachstums,
der hohen Arbeitslosenquote und des anfälligen Wohnungsmarkts relativ hoch.
Verbraucher bauten im ersten Quartal weiterhin Schulden ab. Hierfür
verkauften sie jedoch Vermögenswerte, was zu einem Rückgang der Sparquote
führte. Es wird damit gerechnet dass der Schuldenabbau anhält, so dass wir
für das zweite Halbjahr ein eher bescheidenes Konsumwachstum erwarten.
Die Industrieproduktion in der Eurozone verzeichnete einen weiteren
deutlichen Zuwachs, wobei jedoch von Land zu Land deutliche Unterschiede
festzustellen waren. Am stärksten war die Zunahme in Deutschland und den
Niederlanden. An zweiter Stelle folgten mit einigem Abstand Frankreich und
Italien. In Spanien und Griechenland ist die Produktion jedoch weiterhin
niedrig. Anders ausgedrückt spiegelt sich die Lage der Staatsfinanzen auch
in den Produktionsdaten wieder. In Deutschland kehrte das Beschäftigungs-
wachstum in den positiven Bereich zurück, was einen Rückgang der Arbeits-
losigkeit zur Folge haben könnte. Doch aufgrund der Unsicherheit über die
Konjunkturaussichten im Allgemeinen und der Lage der Staatsfinanzen im
Besonderen sollte man aufgrund dieser Zahlen keine deutliche Erholung der
Konsumausgaben erwarten. Hinzu kommt das Risiko, dass die Turbulenzen auf
den Finanzmärkten auf die Realwirtschaft übergreifen.
Die japanische Wirtschaft wuchs im ersten Quartal im Vergleich zum
Vorquartal auf das Jahr hochgerechnet um 5,0%. Dies ist deutlich besser
als in die Wirtschaft in den USA (3,0%) oder in der Eurozone (0,8%).
Doch wenn man die Deflation berücksichtigt, die in Japan nach wie vor
ein großes Problem darstellt, lag das nominale Wachstum bei 1,6 % im
Vergleich zum Vorjahr. Angesicht dieses schwachen Wachstums wird es
Japan schwer fallen, seine Staatsfinanzen zu sanieren, die durch eine
eindrucksvolle Bruttostaatsverschuldung in Höhe von 200% des BIP und
ein Haushaltsdefizit in Höhe von 8% des BIP belastet werden. Doch da
Japans neuer Ministerpräsident Naoto Kan neuen Wind in die Politik des
Landes bringt, wird es ihm vielleicht gelingen, das Problem der
Staatsverschuldung erfolgreich anzugehen.
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Angesichts des rasanten Anstiegs chinesischer Ausfuhren, der mit 48,5%
im Vorjahresvergleich deutlich über den Erwartungen lag, wurde wieder
eine Aufwertung des Renminbi erwartet. Doch da die chinesische Währung
dem Euro gegenüber bereits stark angezogen hat und die Inflation mit
3,1% im Vorjahresvergleich im Verhältnis zur Dynamik des chinesischen
Wirtschaftswachstums sehr bescheiden ist, sieht die chinesische Regierung
derzeit keine Veranlassung zur Aufwertung. Ebenfalls eine gute Nachricht
ist der Rückgang der Arbeitslosigkeit in Südkorea auf 3,2%. Da die
Inflation dort seit Mitte 2009 ansteigt und die Zentralbank davon
ausgeht, dass das Wirtschaftswachstum anhält, scheint eine Anhebung
der Leitzinsen lediglich eine Frage der Zeit.
Joost van Leenders
Spezialist für Asset Allocation und Anlagestrategie
Quelle: Investmentfonds.de
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