Investmentfonds.de
12.07.2010:
Carlson: Unsicherheit dominiert weiterhin
Köln, den 12.07.2010 (Investmentfonds.de) -
Dag Lindskog, Chefökonom Carlson Fund Mgmt Company, schreibt
im aktuellen Marktüberblick "Carlson Macro Monthly":
Unsicherheit und hohe Volatilität sind im
Juni nicht verflogen, obwohl der vergangene
Monat im Gegensatz zum Mai ruhiger
verlaufen ist; zumindest bis zu den letzten
Handelstagen, als eine Flut von schlechten
Nachrichten die Aktienpreise in den Keller
fallen ließen, da die Investoren Zuflucht in
traditionell sicheren Häfen wie den USStaatsanleihen
suchten. An der Geldpolitik
wurde, mit einigen Ausnahmen der Schwellenländer,
festgehalten. So hat z.B. Brasilien
seinen Leitzins erhöht. Die Renditen der
Staatsanleihen der Ausgeber, die als sicher
angesehen werden; darunter die USA, Japan,
Deutschland und die skandinavischen Länder,
fielen weiter oder blieben auf ihrem
niedrigen Niveau. Die Zinsspreads zwischen
der US-Regierung und den amerikanischen
Unternehmen und zwischen Deutschland
und den anderen Euro-Mitgliedsländern haben
sich vergrößert. Die Aktienpreise strauchelten.
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Trotzdem ist anzumerken, dass die
Aktienpreise in Stockholm und den Schwellenländern
im Verlauf des Monats, zumindest
bis Ablauf des letzten Handelstages,
flach verliefen. Die Bewegungen auf den
Devisenmärkten waren gering. Der Yen hat
an Wert gewonnen und der Euro hat sich
gegenüber dem Dollar stabilisiert. Die Entscheidung
Chinas, die Währungsbindung an
den Dollar zugunsten eines flexibleren
Wechselkurses aufzuheben, ist wichtig, doch
die erwartete Aufwertung ist bisher enttäuschend
gering ausgefallen.
Die Prognosen spiegeln sich nicht auf den
Finanzmärkten wider. Auf der einen Seite
geht den optimistischen Konsensprognosen
vom Juni zufolge, die sich zu den Vormonaten
nur wenig veränderten, der globale
Aufschwung weiter. Das US-Realwachstum
wird nach Schätzungen einen Hauch größer
als 3% in diesem und im kommenden Jahr
ausfallen. Die Eurozone hinkt mit etwa 1%
Realwachstum in diesem und einer etwas
höheren Rate im nächsten Jahr der USA
hinterher. Die Inflation wird Berechnungen
zufolge nah an den Zielgrößen der Zentralbanken
liegen.
Andererseits haben die Entwicklungen auf
den Finanzmärkten in den vergangenen
beiden Monaten kaum den Prognosen
entsprochen.Vor allem zwei Faktoren sind
für diese Diskrepanz verantwortlich. Erstens
deuten verschiedene Indikatoren darauf hin,
dass es in fast allen Teilen der
Weltwirtschaft in der zweiten Jahreshälfte
zu einer leichten Verlangsamung kommen
wird. Das ist gewissermaßen nach dem
vorherig starken Comeback aus der tiefen
Rezession von Anfang 2009 natürlich, vor
allem was die Industrieaktivität angeht,
welche teilweise durch Inventarkäufe
angetrieben wurde. Zweitens wird die
Steuerpolitik bald in vielen Ländern, vor
allem in Europa, verschärft werden. Die
Sorge ist, dass dieser Politikwechsel, obwohl
er mittel- und langfristig absolut nötig ist,
vielleicht zu früh vollzogen wird und man
somit eine klare Schwächung des lauen
Aufschwungs oder sogar kurzfristig eine
erneute Rezession riskiert, die zu einer
Deflation führen kann.
Drei Faktoren weisen auf eine Verlangsamung
des US-Wirtschaftswachstums während
der zweiten Jahreshälfte hin. Erstens
waren die Inventarkäufe in der frühen Phase
des Aufschwungs von Bedeutung, da sie 2/3
im ersten und vierten Quartal und 1/3 im
dritten Quartal zum gesamten Realwachstum
beigetragen haben. Die Inventarkäufe werden
nun höchstwahrscheinlich zurückgehen.
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Zweitens werden die Steueranreize bald
auslaufen und später wird die Steuerpolitik
das Wachstum sogar bremsen. Drittens wird
die Nachfrage aus dem Ausland, vor allem
aus der Eurozone mit ihrem langsamen
Wachstum und dem wettbewerbsfähigen
Wechselkurs, vielleicht nicht solch einen
großen Antrieb für das US-Wachstum
bedeuten.
Trotzdem sind die Prognosen für Amerika
nicht nur negativ. So erwarten erstens, wenn
überhaupt, nur wenige Konjunkturbeobachter,
eine Rezession. Ein Beispiel dafür ist die
Schlagzeile „Slowdown imminent, not recession“
(Verlangsamung, keine Rezession)
einer der wichtigsten Herausgeber von führenden
Konjunkturzyklusindikatoren (ECRI
im Juni). Wir erinnern daran, dass die
großen Anpassungen durch den vorherigen
Kaufrausch bereits stattgefunden haben.
Die Sparrate der Haushalte hat im Mai die
4%-Marke erreicht, während sie vor kurzem
noch bei fast Null gelegen hatte. Ein
weiteres Beispiel für den gesamten privaten
Sektor – Haushalte und Unternehmen – ist,
dass die Differenz zwischen Einnahmen und
Ausgaben um eine Rekordgröße von 11%-
Punkten des BIP gestiegen ist und das
ausgehend von einem Defizit von 4% am
Höchstpunkt des Booms von 2006, zu einem
Mehrbetrag von fast 7% in diesem Jahr. Das
wurde vor allem durch die geringeren Investitionen
in Immobilien bewirkt. Zweitens,
obwohl die Verbesserung der Lage des
Arbeitsmarktes bislang enttäuschend war,
belegen verschiedene Umfragen die erhöhte
Bereitschaft des privaten Sektors die
Beschäftigungszahl anzuheben. Ein Grund
dafür ist, dass die Lohnstückkosten, durch
den geringen Gehaltsanstieg und die hohe
Produktivitätssteigerung der vergangenen
Quartale, den größten yoy Rückgang der
letzten sechzig Jahre (ab 1947 werden Statistiken
geführt) verzeichnet haben. Dadurch
sind die Gewinne gestiegen und Arbeit ist
attraktiver geworden. Drittens hat die USNotenbank
bei ihrem Treffen im Juni erneut
verkündet, dass die Zinsraten „für längere
Zeit außergewöhnlich niedrig“ bleiben
werden.
Eine leichte Verlangsamung wird auch für
die Schwellenländer erwartet. Einige unter
ihnen müssen das Tempo zügeln, um einer
aufkeimenden Inflation und Aktienblase vorzubeugen.
Deshalb hat Brasilien nach der
letztjährigen sehr hohen Realwachstumsrate,
die ihren Höhepunkt im ersten Quartal bei
mehr als 10% hatte, den Leitzinssatz angehoben.
Die aktuellen Arbeitsstreitigkeiten
in China, die von hohen Gehaltssteigerungen
gefolgt wurden, und die neue Währungspolitik
sind positive Veränderungen, die den
Trend unterstützen, dass China sich weiter
vom Wachstum durch Export entfernen und
sich mehr auf ein Wachstum aufgrund der
Binnennachfrage stützen wird. Trotzdem
wird dies zwangsläufig ein sehr allmählicher
Prozess sein. Derzeit werden die chinesischen
Arbeiter klar unterbezahlt. Der Anteil
der Arbeitslöhne und Gehälter am BIP ist
seit mehr als zwei Jahrzehnten am sinken
und beträgt derzeit nur 37%. In Schweden
liegt der Vergleichswert bei 2/3 des BIP.
Das „macht China zur 'kapitalistischsten'
Großwirtschaft aller Zeiten“ (FT 4. Juni).
Andernorts hat Estland die lang ersehnte
Belohnung für die Mühen der letzten Jahren
erhalten, da das Land nächstes Jahr den Euro
als Landeswährung einführen wird.
Die Meinungen scheiden sich bezüglich der
Aussichten der Eurozone. Die Pessimisten
stützen sich zum Teil nur auf grobe Berechnungen
und warnen vor dem Rückfall in
eine Rezession. Außerdem wird ihnen zufolge
zumindest Griechenland seinen Verpflichtungen
nicht nachkommen können,
was eventuell von einem Zerfall der gesamten
Währungsunion gefolgt wird. Gleichzeitig
sehen Optimisten, die sich auf detailliertere
Analysen beziehen, eine Fortsetzung
des Wachstums voraus, das nach einer kurzfristigen
Verlangsamung im nächsten Jahr
sogar an Tempo zulegen wird. Sehen sie den
Wald vor lauter Bäumen nicht mehr? Bislang
wird die optimistischere Einschätzung
durch aktuelle Umfragen unterstützt. Der
gerade erst veröffentlichte Juni-Bericht der
EU Kommission über das Unternehmens-
und Konsumentenklima hat einen Zuwachs
errechnet. Die EZB wird weiterhin eine sehr
expansive Geldpolitik verfolgen.
Schweden ist zumindest unter seinen europäischen
Mitschülern der Musterschüler. Die
Umfragen sind recht optimistisch. Der
Wirtschaftstrendindikator
für Juni des schwedischen
Wirtschaftsforschungsinstitut (KI)
signalisiert ein deutlich besseres
Unternehmens- und Konsumentenklima als
normal. Das reale Wachstum der Industrie
und des Einzelhandels hat zu den optimistischen
Umfragen aufgeschlossen und
sogar der Arbeitsmarkt zeigt eine Verbesserung.
Die neue Prognose des KI schätzt die
Realwachstumsrate auf starke 3,7% für
dieses Jahr, gefolgt von 3% in 2011. Als
Erinnerung: Die vorangegangene Rezession
war so tief gewesen, dass die schwedische
Wirtschaft es gerade erst geschafft hat
wieder auf ihren Stand von vor vier Jahren
zu klettern! Deshalb gibt es weder Lohn-
noch Preisdruck und die Inflationsrate lag im
Mai bei nur 1,2% (1.9% nach der HVPI
Methode der Eurozone). Dennoch hat die
Reichsbank es mehr oder weniger versprochen,
den Leitzins am ersten Juli (am
morgigen Tag) anzuheben.
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Quelle: Investmentfonds.de
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