Investmentfonds.de
23.07.2010:
Threadneedle Markteinschätzung
Köln, den 23.07.2010 (Investmentfonds.de) - Europa
Die europäischen Aktienmärkte entwickelten sich im Juni zunächst größtenteils
erfreulich, bevor dann aber erneut Ängste um das Staatsanleihenrisiko aufkamen.
Der EUR tendierte weiter schwach, wodurch die Erträge britischer Anleger
belastet wurden. Die Wirtschaftsmeldungen aus Europa waren im Allgemeinen
jedoch positiv. So ging die Arbeitslosigkeit in Deutschland mehr als doppelt
so stark zurück wie viele Volkswirte prognostiziert hatten. Gleichzeitig
kletterten die deutschen Exporte im März um 10,7 Prozent und damit so
deutlich wie seit 18 Jahren nicht mehr nach oben. Außerdem verbesserten sich
die Berichte der Einkaufsmanager in ganz Europa, weil die Unternehmen von
dem schwächeren EUR profitieren. Die EZB beließ den Leitzins unverändert
bei 1 Prozent und kündigte ferner an, die bereits laufenden Liquiditätsmaßnahmen
noch auszuweiten. Da die Besorgnisse um die Staatsverschuldung nach Griechenland
aber nun auch Spanien erfassten, machten sich die Anleger um den Zustand
spanischer Banken zunehmend Sorgen. Dies war auch auf die hohe Arbeitslosigkeit
sowie den schwachen Wohnimmobilienmarkt dieses Landes zurückzuführen. Im
Hinblick auf die Unternehmensmeldungen gab der Aktienkurs von Nokia fast 10
Prozent nach, weil dieser Handyhersteller wegen des scharfen Wettbewerbs sowie
aufgrund des schwachen EUR seine Gewinnprognose für das II. Quartal nach unten
korrigierte. Derweil übernahm die Firma ABB im Rahmen einer Barübernahme in
Höhe von über 1 Mrd. USD das Unternehmen Ventyx, während die Banco Santander
bekannt gab, dass sie der Bank of America deren Beteiligung an der mexika-
nischen Sparte von Santander für 2,5 Mrd. USD abkaufen wird. Gleichzeitig
kündigte BASF die Übernahme von Cognis, einem deutschen Hersteller von
Inhaltsstoffen für die Lebensmittel- und Kosmetikindustrie, in Höhe von
3,1 Mrd. EUR an.
Nordamerika
Nachdem die Wirtschaftsmeldungen im Juni größtenteils noch positiv ausgefallen
waren, trübten einige mäßige Meldungen die Stimmung der Anleger gegen Ende des
Beobachtungszeitraums und lösten zum Monatsende einen deutlichen Rückgang der
Aktienkurse aus. US-Notenbankchef Ben Bernanke versuchte, das Vertrauen wieder
herzustellen, indem er die US-Konjunktur als nach wie vor intakt bezeichnete
und davon sprach, dass die wirtschaftlichen Frühindikatoren erfreulich sind.
Die Aktivitäten im produzierenden Gewerbe stiegen im Mai im zehnten Monat
hintereinander an, während die Industrieproduktion so stark zulegte wie seit
August nicht mehr. Gleichzeitig kletterten die Ergebnisse der Umfrage zum
Verbrauchervertrauen der University of Michigan im Juni auf ihren höchsten
Stand seit über zwei Jahren. Drei Wirtschaftsindikatoren beeinträchtigten das
Vertrauen der Anleger jedoch. So sanken die Umsatzzahlen neuer Wohnimmobilien
im Mai um 10 Prozent, während die Einzelhandelsumsätze zum ersten Mal seit
acht Monaten überraschend um 1,2 Prozent nachgaben. Das Verbrauchervertrauen
ging ebenfalls deutlich zurück. Im Unternehmenssektor bestätigte die Firma
Caterpillar, deren Aktie üblicherweise als Konjunktur-Barometer angesehen
wird, zwar ihre Gewinnerwartungen für 2010, aber unerwartet schwache
Gewinnprognosen von Fedex für das laufende Jahr belasteten die Stimmungslage
am Markt. Derweil lieferte die Technologiebranche den Anlegern positive Nachrichten.
Hewlett-Packard beispielsweise kündigte an, 1 Mrd. USD in den Aufbau von
automatisierten Datenzentren zu investieren und damit 9.000 Arbeitsplätze
abzubauen. Außerdem bestätigte Apple, dass in den ersten 80 Tagen nach der
Markteinführung mehr als drei Millionen iPads verkauft wurden, während das
neue iPhone allein am ersten Wochenende 1,7 Millionen mal abgesetzt wurde.
Großbritannien
Zunächst legten britische Aktien aufgrund eines weltweit wieder steigenden
Kaufinteresses an Risikopapieren kräftig zu, bevor es dann aber erneut zu Gewinn-
mitnahmen kann. Das wichtigste Ereignis war im Juni die Vorstellung der Maßnahmen
zur Haushaltssanierung. Diese umfassten in erster Linie eine Erhöhung der Mehr-
wertsteuer auf 20 Prozent, die im Januar 2011 in Kraft tritt, sowie deutliche
Kürzungen bei den staatlichen Leistungen. Derweil belegten die Wirtschaftsnach-
richten, dass die Industrieproduktion überraschend gesunken ist. Allerdings
kletterten die Einzelhandelsumsätze im Mai um 0,8 Prozent nach oben, was nach
dem 2,3-prozentigen Minus aus dem April eine kräftige Verbesserung war. Gleich-
zeitig ging die Arbeitslosigkeit auf 7,9 Prozent zurück, und der Verbraucherpreis-
Index gab im Mai unerwartet stark von 3,7 Prozent aus dem April auf nun 3,4 Prozent
nach. Die Unternehmensmeldungen fielen im Monatsverlauf jedoch größtenteils negativ
aus. Die Firma Prudential war gezwungen, von ihrer 35,5 Mrd. USD schweren Übernahme
des asiatischen Kerngeschäfts der American International Group abzurücken. Auch
der Aktienkurs von BP blieb unter Druck. Der Grund dafür war die Zusage dieses
Ölriesen, 20 Mrd. USD in einen Entschädigungsfonds einzuzahlen. Außerdem kündigte
der Konzern an, die Dividendenzahlungen an seine Aktionäre für die ersten drei
Quartale dieses Jahres zu streichen. Die News Corp gab derweil ein Übernahmeangebot
in Höhe von 7,8 Mrd. GBP für den 61-prozentigen Anteil am britischen Satelliten-
Fernsehsender British Sky Broadcasting ab, der sich noch nicht in ihrem Besitz
befindet. BSkyB lehnte dieses Angebot jedoch ab.
Japan
Das im Juni wichtigste Ereignis war der Rücktritt von Premierminister Hatoyama
aufgrund einer Reihe von Spendenskandalen. Der Tropfen, der das Fass endgültig
zum Überlaufen brachte, war jedoch sein nicht eingehaltenes Versprechen, für
einen Abzug der US-Truppen aus Okinawa zu sorgen. Schließlich wurde Naoto Kan
zum fünften japanischen Premierminister innerhalb von weniger als vier Jahren
ernannt, nachdem er zuvor die Wahl zum Parteivorsitzenden der regierenden DPJ
mühelos gewonnen hatte. Bei den Wirtschaftsmeldungen war das BIP für das I.
Quartal mit 1,2 Prozent letztlich höher als erwartet. Gleichzeitig wurde bekannt
gegeben, dass die Auftragseingänge im Maschinenbausektor im April um 4 Prozent
und damit im zweiten Monat hintereinander angestiegen sind. Dies sprach dafür,
dass die Investitionsausgaben wegen der kräftigen Nachfrage aus Asien inzwischen
wieder anziehen. Getrübt wurde das Bild dann aber, als sich herausstellte, dass
die Investitionsausgaben der Unternehmen im I. Quartal gegenüber dem Vorjahr
um 11,5 Prozent gesunken sind. Der Chef der Bank of Japan Shirakawa verstärkte
die Bemühungen der Notenbank, das Wirtschaftswachstum zu stützen, indem er
ein 33 Mrd. USD schweres Programm auflegte, um die Vergabe von Krediten an
Firmen anzukurbeln. Gleichzeitig empfahl das Wirtschaftsministerium, die
Gewerbesteuer von derzeit 40 Prozent ab 2012 auf 35 Prozent zu senken. Auf
Unternehmensebene stieg der Aktienkurs von Nintendo an, weil diese Firma auf
der E3-Spielekonzerenz in Los Angeles ihre 3DS-Kompakt-Spielekonsole vorstellte.
Der Titel Promise legte ebenfalls zu, da diese Firma mitteilte, dass sie die
Genehmigung zum Aufbau ihres Konsumentenkreditgeschäfts in China erhalten hat.
Asien Pazifik
Im Juni legten die asiatischen Börsenplätze zunächst zwar kräftig zu, büßten
einen Teil ihrer Kursgewinne in der zweiten Monatshälfte dann aber wieder ein,
weil sich die Anleger aus Investments, die sie für vergleichsweise risikoreich
hielten, zurückzogen. Die Märkte in Hongkong und Singapur entwickelten sich
erfreulich, während Australien trotz einer schwachen Tendenz die Schlagzeilen
bestimmte. Julia Gillard wurde nach der überraschenden Amtsenthebung von Kevin
Rudd als erste weibliche Premierministerin Australiens vereidigt. Die regierende
Labor-Partei verlor seitens der Wähler stark an Zuspruch, nachdem sie eine
umstrittene Bergbausteuer vorgestellt hatte, die von der Branche aber abgelehnt
wird. Gillard äußerte sich diesbezüglich jedoch eher versöhnlich, und Speku-
lationen darüber, dass diese Steuer möglicherweise wieder zurückgezogen wird,
kamen Bergbautiteln zugute. Der Aktienkurs des Telekommunikationsunternehmens
Telstra zog ebenfalls an. Der Grund dafür war die Meldung, dass diese Firma
11 Mrd. AUD erhalten wird, um sein Kupferdraht-Netz schrittweise abzuschalten
und die Kunden auf das staatlich abgesicherte NBN-Netz zu übertragen, das auch
die Infrastruktur von Telstra nutzen kann. Derweil stieg die Industrieproduktion
in Singapur im Mai um 5,2 Prozent an, was im Vergleich zum Vorjahr einem Plus
von 58,6 Prozent entspricht. Die Währungshüter dieses Stadtstaates gehen davon
aus, dass die Wirtschaft 2010 um 9 Prozent wachsen wird, nachdem sie zuletzt
noch ein Wachstum von lediglich 6,5 Prozent erwartet hatten.
Schwellenländer
Aktien aus den Schwellenländern tendierten im Juni schwankend. Die wichtigste
Meldung aus Asien betraf das lange erwartete Handelsabkommen zwischen Taiwan
und China, das eine Senkung der Zölle, die China auf 539 unterschiedliche Güter
im Wert von 14 Mrd. USD aus Taiwan erhebt, vorsieht. Diese Exporte entsprechen
etwa 16 Prozent der Ausfuhren des Inselstaates nach Festland-China des Jahres
2009. Chinesische Aktien verloren an Boden, weil die Besorgnisse um die
Auswirkungen der Verschärfung der Geldmarktpolitik auf das Wirtschaftswachstum
zunahmen. Der Anstieg der Industrieproduktion schwächte sich unerwartet deutlich
ab. Außerdem verschlechterten sich im April die Ergebnisse der Umfrage unter
den chinesischen Einkaufsmanagern, obwohl sie nach wie vor positiv ausfielen.
Die Immobilienpreise zeigten ebenfalls, dass das harte Durchgreifen der
Regierung gegen die Spekulation mittlerweile Wirkung zeigt. Gleichzeitig lösten
Streitigkeiten um eine höhere Entschädigung von Geringverdienern seitens des
Elektroteileherstellers Hon Hai eine Debatte über das Lohnniveau in China aus.
In Indien kletterte die Industrieproduktion im letzten Monat derweil um 17,6
Prozent nach oben und übertraf damit die Erwartungen der Volkswirte. Dadurch
steigt aber auch die Wahrscheinlichkeit von Zinsanhebungen. In Brasilien wurden
für das I. Quartal einige viel versprechende BIP-Zahlen vermeldet, die mit 9
Prozent höher ausfielen als die ursprünglich erwarteten 8,5 Prozent. Petrobras
war gezwungen, den Verkauf von Aktien im Wert von 25 Mrd. USD bis September
zu verschieben, weil sich ein entsprechender Aufkauf von Ölreserven durch den
Staat verzögerte. In Südafrika gab das Unternehmervertrauen zum ersten Mal
seit vier Monaten nach, obwohl die Zahlen zum produzierenden Gewerbe für den
April ein überraschend kräftiges Wachstum auswiesen. In Ungarn wiederum
kündigte der neue Premierminister Orban an, eine Bankensteuer einzuführen
sowie die öffentlichen Ausgaben zu kürzen. So möchte er die von Gläubigerseite
geforderten Zielvorgaben für das Haushaltsdefizit erfüllen.
Quelle: Investmentfonds.de
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