Investmentfonds.de
15.11.2010:
Folgen der expansiven Geldpolitik der EZB
Köln, den 15.11.2010 (Investmentfonds.de) -
Dr. Martin W. Hüfner, Chief Economist bei Assenagon
Dr. Martin W. Hüfner, Chief Economist bei Assenagon, analysiert in seinem
aktuellen Wochenbericht die Geldpolitik der Europäischen Währungsunion und
ihre Folgen:
"Aus der Brille der Deutschen gesehen ist die Politik der Europäischen
Zentralbank falsch. Sie ist zu expansiv. Das hat nichts mit übersteigertem,
stabilitätspolitischem Ehrgeiz zu tun. Es ist ganz einfach das Resultat
ökonomischer Überlegungen. Das reale Wirtschaftswachstum liegt in diesem
Jahr in der Bundesrepublik mit 3,5 Prozent deutlich über dem Potenzialwachstum.
Die Preissteigerung beträgt ein Prozent. Zu einer solchen Konstellation passt
kein Leitzins von einem Prozent. Selbst wenn sich das Wachstum im kommenden Jahr
auf gut 2 Prozent verlangsamen sollte, ist die Geldpolitik immer noch zu expansiv.
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Nun kann man sagen: Was muss sich die EZB um die Bedenken der Deutschen scheren?
Sie ist nicht für die Bundesrepublik, sondern für den Euroraum insgesamt zuständig.
Sie kann und muss es nicht jedem recht machen. Die geldpolitische Devise in einer
Währungsunion lautet: "One fits for all", ein Zins für alle, wie auch immer die
regionalen Gegebenheiten sind.
Vergleichsweise expansive Geldpolitik
Das ist aber nur zum Teil richtig. Erstens ist die Politik der EZB auch für
den gesamten Euroraum vergleichsweise expansiv. Der derzeitige Leitzins passt
auch nicht zu einem realen Wachstum von 1,5 Prozent und zu einer Preissteigerung
von 1,5 Prozent in der Währungsunion. Das Ungleichgewicht ist nur nicht so groß.
Wie man hört, sind selbst die Vertreter der sogenannten Peripherie-Staaten im
EZB-Rat inzwischen nicht mehr gegen einen Exit aus der ultralockeren Geldpolitik.
Zu niedrige Zinsen bergen Gefahren für Teile der Währungsunion
Zweitens und noch wichtiger: Zu niedrige Zinsen in einzelnen Regionen der
Währungsunion können zu erheblichen Verwerfungen führen. Das war in der kurzen
Geschichte der EWU schon einmal der Fall. Bei der Einführung des Euro waren die
Zinsen für Italien, Spanien und Portugal (später auch für Griechenland) zu weit
unten. Diese Länder hatten vor dem Euro langfristige Zinsen von zehn Prozent
und mehr. Mit Einführung der gemeinsamen Währung sanken sie auf sechs Prozent
und weniger. Die Folge war ein gewaltiger Boom in diesen Ländern. An den
Immobilienmärkten kam es vor allem in Spanien zu einer Blase. Leistungsbilanzen
rutschten ins Defizit. Das legte den Grundstein für die spätere Eurokrise, die
den Euroraum noch heute belastet. Vor allem die Probleme in Spanien haben nichts
mit mangelnder fiskalpolitischer Disziplin zu tun. Das Land hatte bis zum Jahr
2008 alle Maastricht-Kriterien korrekt eingehalten. Sie sind allein auf die
monetären Faktoren zurückzuführen.
Jetzt entstehen durch zu niedrige Zinsen Probleme in Deutschland. Natürlich sind
sie bei Weitem nicht so gravierend. Die Bundesrepublik kommt aus einer ganz
anderen Ausgangssituation. Ein bisschen Überhitzung kann dem Land nicht schaden.
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Trotzdem sind die Symptome, die jetzt in Deutschland durch die zu niedrigen Zinsen
entstehen, als Ungleichgewichte ernst zu nehmen. Die Verbraucherpreise werden
stärker steigen. Ich würde mich nicht wundern, wenn die Geldentwertung 2011
deutlich über zwei Prozent gehen würde.
Die Immobilienpreise ziehen an, vor allem in Süddeutschland. Das stimuliert die
Nachfrage nach Bauleistungen. Die Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen leidet,
vor allem weil die Lohnkosten steigen. Es kommt zu Fehlallokationen bei den In-
vestitionen, wenn Projekte realisiert werden, die sich bei "normalen" Zinsen nicht
rechnen. Die Verschuldung der privaten Haushalte erhöht sich.
Auch der Staat leidet unter einer "Zinsillusion". Allein ein Prozent höhere
Zinsen belastet die öffentlichen Haushalte rein rechnerisch mit 17 Milliarden
Euro pro Jahr. Das sind 0,75 Prozent des Bruttoinlandsprodukts. Das müsste man
zu den veröffentlichten Defiziten hinzurechnen. Zur Bekämpfung dieser Ungleich-
gewichte sind nötig: Einmal weitere Konsolidierung der Staatsfinanzen, in
keinem Fall Steuersenkungen, zum anderen Reformen zur Verstärkung des Wettbewerbs
in der Wirtschaft."
Lesen Sie den ganzen Wochenkommentar unter http://www.assenagon.com
Quelle: Investmentfonds.de
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