Investmentfonds.de
17.11.2010:
Franklin Templeton: Die weiteren Aussichten für Europa
Köln, den 17.11.2010 (Investmentfonds.de) -
Chris Molumphy, Global Fixed Income Team von Franklin Templeton
Das Global Fixed Income Team von Franklin Templeton beleuchtet im aktuellen
Bericht in "Globale Märkte im Fokus" die zukünftigen Aussichten Europas:
Die sogenannten „Kernländer“ der Eurozone – Deutschland, Frankreich
und Benelux – und die „peripheren“ Länder – Spanien, Portugal, Irland
und Griechenland – entwickeln sich weiterhin auseinander. Im Jahres-
vergleich ist das deutsche BIP im 2. Quartal 2010 wesentlich schneller
gewachsen als das US-amerikanische (mit 3,7% gegenüber 1,6%).
Kleinere Länder mit stärkeren Wirtschaftsbeziehungen zu Deutschland
(wie Österreich und die Niederlande) verzeichneten ebenfalls starkes
Wachstum. Weniger rosig ist das Bild in Ländern wie Spanien, Irland
und Griechenland, in denen das Wachstum im 2. Quartal negativ war.
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Neuere Zahlen bestätigen diese Trends. In Deutschland zogen die
Industrieaufträge im August im Monatsvergleich um robuste 3,4%
an und die Arbeitslosenquote ging im September im 15. Monat in
Folge zurück. Dagegen erhöhte sich die Arbeitslosigkeit in Spanien
im September auf 20% der Erwerbsbevölkerung und das Wachstum
im Produktionssektor wurde in der gesamten Eurozone im September
schwächer. Der Einkaufsmanagerindex von Markit Economics weist
für Spanien, Irland und Griechenland sogar einen Rückgang aus.
Die jüngsten Zahlen zum Geschäfts- und Konsumklima offenbarten
ähnliche Unterschiede zwischen Deutschland und anderen nördlichen
Mitgliedern der Eurozone und den abgeschlagenen Volkswirtschaften
Südeuropas. Dennoch glauben viele Analysten, dass Irland und die
südeuropäischen Länder zu klein sind, um die europäische Wirtschaft
wieder in die Rezession zu drücken. Außerdem dürfte sich das Wachstum
in der Eurozone von dem im 2. Quartal 2010 beobachteten Niveau
eher verlangsamen, in dem die Rate im Jahresvergleich 1,9% betrug.
Dass in der Eurozone insgesamt wieder so etwas wie Vertrauen
herrscht, ist nicht nur Orientierungsgrößen wie dem Stimmungsindikator
der Europäischen Kommission zu entnehmen (der im
September ein Dreijahreshoch erreichte), sondern auch dem Umstand,
dass die Europäische Zentralbank (EZB) erheblich weniger kurzfristige
Darlehen an Banken der Eurozone verlängern musste. Statt auf die
EZB zurückzugreifen, genießen europäische Banken generell wieder
mehr Zugang zu den Interbankenmärkten, was in der ersten Oktoberhälfte
zu einem Zinssprung geführt hat. Wir glauben, dass jedes Anzeichen
für eine Entwöhnung von EZB-Krediten als Signal dafür zu werten ist,
dass der Druck auf das Finanzsystem nachlässt. Das wiederum
verbessert die Aussichten, dass die Kreditmärkte die Rädchen des
Aufschwungs wieder schmieren werden.
Der drastische Rückgang der Nachfrage der Banken nach EZBLiquidität
und Indizien dafür, dass die Erholung in der Eurozone auf
Kurs bleibt, sollten für den Abbau außergewöhnlicher Konjunkturanreize
sprechen. Die EZB hat solche Liquiditätsangebote für sechs und zwölf
Monate bereits auslaufen lassen. Die jüngste Stärke des Euro könnte
im Zusammenspiel mit der Anfälligkeit des Aufschwungs unseres
Erachtens jedoch bedeuten, dass die EZB zögern wird, unmittelbar
radikalere Schritte einzuleiten. Vor allem die Lage in den peripheren
Volkswirtschaften ist weiter besorgniserregend. Negatives oder
schleppendes Wachstum in diesen peripheren Ländern hat in Verbindung
mit ihrer wachsenden Nettoverschuldung in den letzten Monaten zu
einem erneuten Anstieg der Zinsen geführt, die Investoren verlangen,
um Schuldtitel dieser Länder zu halten.
Die hartnäckigen Probleme in Südeuropa und Irland zeigen, wie schwierig
es ist, einen für die 16 so unterschiedlichen Volkswirtschaften der
Eurozone angemessenen einheitlichen Zinssatz festzulegen. Dessen
ungeachtet gehen wir davon aus, dass die Politik nach wie vor fest
entschlossen ist, die Eurozone zusammenzuhalten. Vielleicht am
deutlichsten manifestierte sich diese Stimmung in der Einrichtung
des Europäischen Finanzstabilisierungsfonds (EFSF) als Notfallmechanismus
für Länder, denen der Ausschluss vom Rentenmarkt
droht. Der EFSF erhielt von den beiden bedeutendsten Ratingagenturen
Ende September Bestnoten. Ihm wurden vom IWF zuzüglich
zu den bereits von den europäischen Regierungen zur Verfügung
gestellten 440 Mrd. Euro noch bis zu 250 Mrd. Euro zugesagt.
Von Griechenland wurde der Fonds bereits in Anspruch genommen.
Angesichts der steigenden finanziellen Belastungen rechnen manche
Beobachter damit, dass die Iren die nächsten sein könnten.
Die Belastungen dadurch, dass sich Irland gegenüber den Inhabern
von Anleihen lokaler Banken, allen voran der Anglo-Irish Bank, in der
Pflicht sieht, dürften das Haushaltsdefizit Irlands nach Angaben des
irischen Finanzministeriums in diesem Jahr auf schwindelerregende
32% des BIP in die Höhe treiben. Selbst wenn man die Kosten für die
Rettung des Bankensystems außer Acht lässt, wird für Irland 2010
mit einem rekordhohen Haushaltsdefizit von 12% gerechnet. Wie die
Griechen versuchen auch die Iren verzweifelt, Ausgaben zu kürzen und
Steuern zu erhöhen. Ende September kündigte die Regierung in
Dublin an, dass die Gesamtkosten für die Rettung des Bankensystems
nach letzten Schätzungen bis zu 50 Mrd. Euro betragen, und sicherte
zusätzliche Kapitalspritzen zu. Die Märkte wirkten zumindest vorerst
überzeugt und wurden weiter beschwichtigt durch die Erwartung,
dass Irland erst Mitte nächsten Jahres wieder an die Märkte für
Staatsanleihen gehen muss. Aufatmen kann Irland jedoch noch lange
nicht. Anfang Oktober führte die tatsächliche bzw. angedrohte
Herabstufung der irischen Länderbonität zur neuerlichen Ausweitung
der Spreads irischer Staatsanleihen gegenüber deutschen Bundesanleihen.
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Noch besorgniserregender ist aber, dass Irlands Pläne zur
Rückführung des Haushaltsdefizits von unseres Erachtens sehr
optimistischen Wachstumszahlen ausgehen. Unserer Ansicht nach
steigt die Wahrscheinlichkeit, dass die derzeitige marktfreundliche
Mitte-Rechts-Regierung in den kommenden Monaten stürzen könnte.
Quelle: Investmentfonds.de
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