Investmentfonds.de
20.05.2011:
Templeton: Aussichten für Europa
Köln, den 20.05.2011 (Investmentfonds.de) - Wie erwartet
hob die EZB ihren Leitzins am 7. April um 25 Basispunkte auf 1,25%
an. Diese Nachricht wurde von manchen begrüßt, vor allem von den
Verfechtern einer aggressiveren Währungspolitik im wachstumsstarken
Deutschland und seinen Nachbarländern. Für die peripheren
Länder der Eurozone galt das weniger. Manche Beobachter dort
befürchten, dass die Zinserhöhung der EZB im Zusammenspiel mit vagen
Hinweisen auf weitere Anhebungen die gegenwärtigen Belastungen
dieser Länder noch verschlimmert.
Obwohl es Anzeichen dafür gibt, dass das europäische Wirtschaftswachstum
an Kraft verliert – unter anderem aufgrund höherer
Brennstoffpreise –, blieb das Wachstum im Kernland der Eurozone
robust. Die Arbeitslosigkeit in Deutschland erreichte vor kurzem den
niedrigsten Wert seit der Wiedervereinigung 1990. Der Konjunkturklimaindikator
der Europäischen Kommission – ein zusammengesetzter
Maßstab für das Vertrauen von Unternehmen und Verbrauchern –
blieb im März kräftig. Die Werte des Einkaufsmanagerindex zeigten für
März ein langsameres Wachstumstempo an, das jedoch nur geringfügig
hinter den Zahlen vom Februar zurückblieb, als die Expansion so kräftig
ausfiel wie zuletzt vor über vier Jahren.
Abgesehen vom Wachstum in den Kernländern der Eurozone bleibt die
Lage an ihrem südlichen und westlichen Rand aber prekär. Portugal
schloss sich den vorausgegangenen Hilfsempfängern Irland und
Griechenland an und beantragte Anfang April ein internationales
Rettungspaket, nachdem die Renditen seiner Anleihen auf untragbares
Niveau gestiegen waren. Die Bitte um Notfallhilfen der Europäischen
Union (EU) kam von Portugals Interimsregierung, nachdem Widerstand
gegen eine weitere Welle von Sparmaßnahmen bereits die sozialistische
Regierung des Landes zu Fall gebracht hatte, quasi als zweites
politisches „Opfer“ der Staatsschuldenkrise nach dem Sturz der
irischen Regierung in den Vormonaten.
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Doch Portugal hat offenbar andere Probleme als Irland, dessen frühere
Regierung sich verpflichtet fühlte, hohe Verluste seiner Banken zu
übernehmen. Während die irische Wirtschaft seit Anfang der 1990er
Jahre kräftig gewachsen war und seit Ausbruch der Rezession rasch
reagiert hat, um Kosten zu senken und den Export zu steigern, stagnierte
Portugal. Es ließ zu, dass seine Schulden explodierten, während die
Wirtschaft in den letzten zehn Jahren nur um 0,7% im Jahr expandierte.
Außerdem räumte Portugal ein, dass sein Haushaltsdefizit 2010 mit
8,6% des BIP weit über dem Zielwert von 7,3% lag.
Während Portugal Hilfe von außen in Anspruch nehmen musste, ruhen
die Augen immer mehr auf Spanien. Die Renditen spanischer Anleihen
sind jedoch im Vergleich zu deutschen Bundesanleihen in den letzten
Monaten nicht nur zurückgegangen, sondern auch absolut gefallen,
was dafür spricht, dass die Investoren Spanien zutrauen, seine Probleme
zu bewältigen. Dessen ungeachtet hat der spanische
Immobilienmarkt zu kämpfen, die Arbeitslosigkeit betrifft mehr als ein
Fünftel der Bevölkerung und das Land steht über sein Bankensystem
in Portugal im Risiko. Außerdem hat Spanien seine Wachstumsprognose
für die kommenden zwei Jahre gesenkt und muss in den anstehenden
Monaten in großem Umfang Anleihen auflegen. Angesichts der jüngsten
Herabstufung seiner Länderbonität dürften diese Titel höher verzinst
werden müssen. Schon ein kurzfristiger Vertrauensverlust der Anleger
könnte Spanien daher vor echte Probleme stellen.
Obwohl Irlands multinational geprägter Exportsektor dynamisch
geblieben ist, ergaben Stresstests Ende März 2011, dass die irischen
Banken zu den bereits geleisteten Kapitalspritzen in Höhe von 46 Mrd.
Euro noch weitere 24 Mrd. Euro benötigten. Erstaunlich ist in den
Augen mancher, dass die irische Regierung beschlossen hat, auf einen
Schnitt bei den (meist ausländischen) Inhabern erstrangiger Bankanleihen
zu verzichten, die von einer umstrittenen staatlichen Garantie nicht
gedeckt sind. Vielleicht hatte die irische Regierung den abschreckenden
Kräften der EZB, die das irische Bankensystem mit Tagesgeld weiter
stützte, nicht genug entgegenzusetzen.
Nach der Bekanntgabe der Stresstestergebnisse kündigte sie allerdings
eine drastische Umstrukturierung des heimischen irischen Bankensektors
an. Was davon noch übrig ist, befindet sich meist im Prozess
der Verstaatlichung. Nach einer letzten Säuberungsaktion der Chefetagen
und dem progressiven Abverkauf von Altlasten wird ein gründlich
rationalisiertes Bankensystem hoffentlich seine Kernaufgabe wieder
wahrnehmen und die irische Wirtschaft finanzieren. Andeutungen,
die EZB könnte offiziell eine spezielle Fazilität für von EZB-Mitteln
abhängige Banken einrichten, sollten ebenfalls zur allmählichen Erholung
der irischen Banken und der breiteren irischen Wirtschaft beitragen.
Dessen ungeachtet türmt sich vor Irland, Griechenland und Portugal
ein gewaltiger Schuldenberg auf. Viele Beobachter bezweifeln, dass diese
Länder – obwohl sie zum Teil bereit sind, ihre Probleme mit einer
Mischung aus Steuererhöhungen und Ausgabenkürzungen anzupacken –
eine Umstrukturierung (vielleicht sogar noch vor 2013) vermeiden
können, wenn ein „dauerhafter“ Rettungsmechanismus greifen soll.
Die Bestimmungen dieses neuen, mit 500 Mrd. Euro dotierten
Europäischen Stabilitätsmechanismus gewähren diesem gegenüber
privaten Gläubigern einen vorrangigen Status. Letztere werden daher
bei künftigen Umschuldungen von Staatsanleihen einen Abschlag in
Kauf nehmen müssen. Obwohl ein solcher Mechanismus zur dringend
benötigten Klarheit beiträgt, macht er Anleihen von kleinen, peripheren
Ländern der Eurozone kaum reizvoller. Auch die Bondrenditen sind
hoch geblieben, weil die Anleger befürchten, dass es den peripheren
Staaten der Eurozone durch die Kombination aus Sparprogrammen
und steigenden Zinsen schwer gemacht wird, ausreichend (oder überhaupt)
zu wachsen, um ihre wirtschaftliche Lage zu verbessern.
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Die EZB verwarf irische Vorstöße zu einem Schnitt bei Inhabern
erstrangiger Anleihen aus Angst vor den Welleneffekten auf Banken
der Eurozone, die in irischen Anleihen investiert sind. Zahlen der Bank
für internationalen Zahlungsausgleich belegen, dass die Banken der
Eurozone im September 2010 insgesamt Forderungen in Höhe von
285,7 Mrd. US-Dollar gegen Irland hielten. Die Finanzen der
europäischen Länder sind in so vieler Hinsicht verzahnt (ein Beispiel
dafür ist das Engagement spanischer Banken in Portugal), dass sich
eine Staatspleite unseres Erachtens unweigerlich auf andere
europäische Länder auswirken dürfte. Eine Umschuldung in der
europäischen Peripherie könnte französische und deutsche Institute
entweder direkt beeinträchtigen – die dann auf Hilfen ihrer Regierungen
angewiesen sein könnten – oder die französische und die deutsche
Regierung könnten sich in der Verantwortung für die Schulden ihrer
Nachbarn wiederfinden.
Quelle: Investmentfonds.de
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