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16.01.2012:
Mittelbayerische Zeitung: Leitartikel zu Ratingagenturen
Regensburg (ots) - Zweierlei Maß
Statt den Schuldenschlendrian zu beenden, werden
Verschwörungstheorien über die Ratingagenturen gepflegt.
Von Roman Hiendlmaier, MZ
Es war natürlich wieder eine amerikanische Ratingagentur, noch
dazu am Freitag, den 13. War es im November vergangenen Jahres noch
ein "Versehen", dass Standard & Poors Frankreich ein paar Stunden
lang zurückstufte, gibt's nun daran nichts mehr zu deuteln: S&P senkt
die Bonität von neun der 17 Euro-Länder, darunter die von Frankreich
und Österreich. Beinahe interessanter als die Botschaft aus New York
waren die Reaktionen darauf. Was zum einen daran liegt, dass eine
Fundamentalkritik an der Abstufung eigentlich entfallen konnte. Die
Fakten und Folgen einer jahrelangen Schulden-Verdrängungspolitik
lagen klar auf dem Tisch: Von der Leugnung eines raschen Anstiegs der
Staatsverschuldung (Frankreich) bis zum Schönfärben des Engagements
in hoch verschuldeten Problem-Ländern wie Italien und Ungarn
(österreichische Banken) - alles seit Wochen und Monaten bekannt und
berichtet. Darüber hinaus hatten die Amerikaner im Dezember diesen
Schritt angekündigt. Und dann relativierten die Bonitätsprüfer auch
noch, dass sie mit ihrem Urteil lediglich den Trend von Entwicklungen
abbilden. Was wiederum die Diagnose für den deutschen Patienten
rechtfertigt: zwar (auch) hoch verschuldet, aber auf einem sehr guten
Weg der Besserung. Die Finanzmärkte waren die ersten, die zum
Tagesgeschäft übergingen. Der Rundumschlag sei keineswegs
überraschend und daher längst in den Kursen enthalten, hieß es noch
am Freitagabend. Da feilten in Deutschland noch Politiker an ihren
Statements, deren Duktus jedoch völlig anders ausfiel: Von Gregor
Gysi bis Markus Söder, Politiker aller Couleur holten wieder ihren
Lieblingsfeind aus der Kiste und droschen munter auf ihn ein. Von
"Verschwörung", gar "Krieg" war die Rede, von "zu viel Macht" und
einer "europäischen Ratingagentur". Dieses Lamento nach jedem
unbequemen Urteil mag "der Schärfung des eigenen Profils" dienen, wie
es im Polit-Jargon heißt, der Sache jedoch nicht. Vor allem die Mär
der Euro-Ratingagentur als Gegenpol zu den angeblich unfairen
Urteilen der US-Agenturen wird durch notorische Forderungen nicht
glaubwürdiger. Nur: Zu welcher grundsätzlich anderen Einschätzung als
die amerikanischen Kollegen soll denn eine EU-Agentur kommen? Und
wenn die Agentur, um Fremdeinfluss auszuschließen, wie vorgeschlagen
den Status einer Behörde hätte - würden die Investoren weltweit den
EU-Beamten dann mehr Glauben schenken? Möglicherweise ist die
US-Troika Fitch, Moody's und Standard & Poors beeinflusst durch die
amerikanische Politik und die Wall Street. Und verglichen mit
Schuldenstand und Neuverschuldung von USA und Japan müssten deren
Ratings deutlich schlechter sein. Wer jedoch aus dieser Argumentation
heraus dem Ratingtrio die grundsätzliche Glaubwürdigkeit abspricht,
muss auch vor der europäischen Haustüre kehren. Wie lässt sich etwa
der Wandel der Europäischen Zentralbank rechtfertigen, vom
unabhängigen und rein der Geldwertstabilität verpflichteten
Institution zur schlichten "Bad Bank" für Staatspapiere klammer
Euro-Länder? Die Umstände der Veröffentlichungen mögen kontrovers
sein, vielleicht wird jenseits des Atlantiks auch mit zweierlei Maß
gemessen - in der Sache haben die Ratingagenturen jedoch Recht: Wer
jahrzehntelang über seine Verhältnisse lebt, bekommt irgendwann die
Quittung. Ohne die Bonitätswächter wären das unsere Kinder und Enkel,
nun müssen wir selbst den Schuldenschlendrian in den Staatshaushalten
beenden. Und zwar, wie es sich in einer Union gehört, gemeinsam ohne
laufende Extratouren. Ausgaben streichen, Einnahmen erhöhen und
währenddessen von Bonitätswächtern abgewatscht zu werden, ist
schmerzhaft. Allerdings: Gelingt der Abschied vom Leben auf Pump,
wird zwar ein Freitag, der 13., seinen Schrecken nicht verloren
haben, dafür aber Ratingurteile - egal woher und von wem sie stammen.
Originaltext: Mittelbayerische Zeitung
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