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FondsNews
31.10.2012 |
Wichtiger
Hinweis: Wir präsentieren Ihnen hier eine Zusammenfassung
der wichtigsten Nachrichten zum Thema Investmentfonds. Für Inhalte
und Copyright sind die Anbieter verantwortlich. |
--- Ende Anzeige ---
Vielleicht lässt sich die Idee der Vereinigten Staaten von Europa, von der
wir Nachkriegskinder geträumt haben, nicht realisieren. Ich bin mir aber nicht
sicher, denn für die Vertiefung der europäischen Integration und die Schaffung
eines gemeinsamen Staates sprechen auch handfeste praktische Vorteile, die
keineswegs eine gemeinsame Identität oder eine gemeinsame Sprache voraussetzen.
Dazu gehören das Recht, sich frei über die Grenzen zu bewegen, die Freiheit des
Waren- und Dienstleistungsverkehrs, die Rechtssicherheit für grenzüberschreitende
wirtschaftliche Aktivitäten, eine Infrastruktur, die nicht an den Grenzen
haltmacht, und nicht zuletzt gemeinsame Sicherheitsinteressen.
Der Bereich der Bankenregulierung ist ein aktuelles Beispiel für den Vorteil
eines gemeinsamen europäischen Vorgehens. Wenn die Ge- und Verbote, die die
Banken bei ihrem Geschäft beachten müssen, auf nationaler Ebene festgelegt
werden, das Bankgeschäft aber international mobil ist, hat die nationale Regu-
lierungsbehörde stets einen Anreiz, lasche Standards zu setzen, um das Geschäft
nicht in andere Länder zu vertreiben, sondern von dort anzulocken. Der
Regulierungswettbewerb degeneriert zu einem Laschheitswettbewerb, weil sich
die Vorteile der laschen Regulierung in Profiten zu Hause niederschlagen,
während die Verluste bei den weltweit verteilten Gläubigern der Banken liegen.
Es gibt noch viele ähnliche Beispiele aus dem Bereich der Normen, der Wettbe-
werbspolitik oder der Besteuerung, die man hier ebenso anführen könnte.
Insofern sprechen viele grundsätzliche Erwägungen für eine weitere Vertiefung
des europäischen Integrationsprozesses bis hin zur Schaffung eines gemeinsamen
europäischen Staats.
Die Gefahr eines solchen Wegs liegt immer darin, dass kollektive Entscheidungs-
gremien nicht nur kollektive Leistungen erbringen, die für alle nützlich sind,
sondern ihre Macht für die Umverteilung von Ressourcen zwischen den teilnehmenden
Ländern missbrauchen. Gerade auch demokratische Gremien sind vor dieser Gefahr
nicht gefeit. Sie erlauben es ganz im Gegenteil, dass Mehrheiten Minderheiten
ausbeuten. Um dieser Gefahr zu begegnen, bedürfen sie stets besonderer Regeln
zum Minderheitenschutz, zum Beispiel durch das Erfordernis der qualifizierten
Mehrheit oder der Einstimmigkeit bei den Entscheidungen.
Die fiskalischen Entscheidungen des EZB-Rats sind ein besonders drastisches
Beispiel für dieses Problem, denn es handelt sich dabei um einfache Mehrheits-
entscheidungen eines nicht einmal demokratisch besetzten Gremiums, die auf
eine massive Vermögensumverteilung zwischen den Staaten Europas auf der einen
Seite und von unbeteiligten Steuerzahlern aus stabileren Ländern zu weltweit
verstreuten Gläubigern auf der anderen Seite hinauslaufen. Die EZB hat
praktisch ihren gesamten Refinanzierungskredit den fünf Krisenländern des
Euroraums - Italien, Spanien, Portugal, Griechenland und Irland - gegeben.
Alles Geld, das in der Eurozone zirkuliert, wurde in den Krisenländern
geschaffen und anschließend im Wesentlichen dafür genutzt, Waren und Vermögen
in den Nordländern der Eurozone zu kaufen und Auslandsschulden zu tilgen. Die
amerikanische Federal Reserve Bank dürfte nie eine solch unausgeglichene
regionale Politik betreiben. Sie vergibt keinen Kredit an einzelne Bundes-
staaten, schon gar nicht an solche, die, wie z.B. Kalifornien, kurz vor dem
Bankrott stehen.
Jetzt schlägt EU-Ratspräsident van Rompuy, unterstützt von der Mehrheit
der Eurokrisenländer, sogar Eurobonds und einen gemeinsamen Schuldenfonds
vor. Dieser Plan geht weit über das System, das in den USA gilt, hinaus,
doch das Ausmaß an zentraler Macht und Budgetkontrolle, das er zulassen will,
ähnelt nicht im Entferntesten den US-amerikanischen Regelungen. Diese Politik
könnte Europa zerstören. Der im Euro-Raum eingeschlagene Weg zur Haftungsunion,
die gegen die Wünsche von großen Teilen der Bevölkerung durchgepeitscht wird,
führt nicht zu einem Bundesstaat im eigentlichen Sinne des Wortes, also nicht
zu einem Bündnis von Gleichen, die sich in freier Entscheidung zusammentun und
sich gegenseitig Schutz versprechen.
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Der Weg kann auch schon deshalb nicht zu den Vereinigten Staaten von Europa
führen, weil ein Großteil Europas gar nicht mitmacht. Europa ist nicht
identisch mit der Eurozone. Es umschließt viel mehr Länder als diejenigen,
die dazu gehören. So nützlich der Euro potenziell für eine gedeihliche Ent-
wicklung Europas ist, wenn seine offenkundigen Fehler korrigiert werden, so
groß ist die Gefahr, dass der jetzt eingeschlagene Weg die europäische Idee
beschädigt und den Kontinent gerade nicht Vielfalt eint.
Die Behauptung, das Euro-System lasse sich in die Vereinigten Staaten von
Europa verwandeln, hat ihre Überzeugungskraft verloren. Der jetzt eingeschlagene
Weg in die Haftungsgemeinschaft wird viel eher zu einer tiefen Spaltung Europas
führen. Wer die Euro-Zone zu einer Transfer- und Schuldenunion entwickeln will,
die sogar Staatskonkurse verhindern kann, muss wissen, dass er dafür mehr
Zentralgewalt braucht, als sie in den USA verfügbar ist.
Hans-Werner Sinn
Professor für Nationalökonomie und Finanzwissenschaft Präsident des ifo Instituts
Quelle: Investmentfonds.de |
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