Investmentfonds.de
31.08.2015:
Fidelity: China bleibt Unsicherheitsfaktor für die Weltwirtschaft
Köln, den 31.08.2015 (Investmentfonds.de) -
Anna Stupnytska, Volkswirtin bei Fidelity Worldwide Investment,
schreibt in einem aktuellen Makroausblick:
- Falsche Stimulusmaßnahmen in China könnten Marktturbulenzen wieder aufflammen lassen
- Beschleunigung des US-Wachstums bis Ende 2015 erwartet
- Rückfall der Eurozone in die Deflation nicht ausgeschlossen
Globales Wachstum: Industrieländer bleiben wichtigster Wachstumsmotor
"Die Weltwirtschaft ist zuletzt stärker gewachsen, dieser Trend dürfte
sich für den Rest des Jahres fortsetzen. Die kräftig gefallenen Rohstoff-
preise könnten dem Konsum weltweit Auftrieb geben. Auf der anderen Seite
werden sie aber auch die Schere zwischen Rohstoffexporteuren und
-importeuren weiter aufgehen lassen. Vorerst werden die Industrieländer
nach meiner Einschätzung der wichtigste Motor des Weltwirtschaftswachstums
bleiben. Insgesamt wird das Wachstum jedoch eher moderat ausfallen.
Verantwortlich dafür ist unter anderem die geringe Inflation. Da die
Teuerungsrate wohl frühestens Ende des Jahres spürbar anziehen wird,
werden die Notenbanken vorerst an ihrer lockeren Geldpolitik
festhalten. Unsicherheit geht von China aus: Unzureichende bzw.
unangemessene Stimulusmaßnahmen könnten die Talfahrt beschleunigen
und dem Welthandel einen weiteren Schlag versetzen. Das wiederum
dürfte die Nervosität an den Finanzmärkten anfachen.
USA: Starker Dienstleistungssektor und Aktivitäten am Wohnungsmarkt
stützen Wachstum
Bis zum Jahresende dürfte sich das Wachstum in den USA leicht
beschleunigen. Die Lage am Arbeitsmarkt bessert sich stetig, wenn
auch etwas langsamer. Auch der starke Dienstleistungssektor und die
erhöhte Aktivität am Wohnungsmarkt stützen das Wachstum. Ebenso
sollte der Konsum wieder Fahrt aufnehmen. Negativ schlägt der an-
haltende Gegenwind in Form des starken US-Dollars und der schwachen
Auslandsnachfrage zu Buche. Der neue Tiefstand bei den Ölpreisen
wird die Energiebranche belasten. Nach wie vor ist in den kommenden
Monaten nicht mit einer wesentlichen Lohn- und Preisinflation zu
rechnen. Allerdings besteht die Gefahr, dass die Fed die Zinsen
erhöhen wird, bevor Lohnwachstum und Inflation stärker ins Plus
gedreht haben. Damit könnte das Inflationsziel in weitere Ferne
rücken. Eine sofortige Zinserhöhung machen die aktuellen Rahmen-
bedingungen meines Erachtens nicht zwingend erforderlich. Deshalb
halte ich eine Zinsstraffung im Dezember weiterhin für das wahr-
scheinlichste Szenario.
Eurozone: Aufwärtsdruck auf die Inflation dürfte nachlassen
Die Eurozone bleibt insgesamt auf Erholungskurs, wobei sich die
Wirtschaft in den Peripherieländern schneller erholt als in den
Kernländern. Mit einer zwischenzeitlichen Lösung der Griechenland-
krise vor Augen sollte sich das Wachstum für den Rest des Jahres
moderat beleben. Allerdings verlieren einige Faktoren, die die
Erholung begünstigt haben, nun allmählich an Zugkraft. Darunter
der Euro, der ausgehend von seinem Tief im April in den vergangenen
Monaten um rund 5 Prozent aufgewertet hat. Zusammen mit der unver-
ändert schwachen Auslandsnachfrage könnte das der Erholung im Export
in den nächsten Wochen das Wasser abgraben. Der mit dem schwächeren
Euro verbundene Aufwärtsdruck auf die Teuerungsrate wird wohl
langsam nachlassen. Sollten sich die niedrigen Rohstoffpreise
durchsetzen, wird dies die Inflation länger im Zaum halten. Ein
Rückfall in die Deflation ist damit nicht ausgeschlossen. Konkrete
Anzeichen einer Abkühlung gibt es bisher nicht. Doch ohne zu-
sätzliche Unterstützung seitens der Politik könnte der Erholung
Anfang 2016 die Luft ausgehen. Meines Erachtens wird die Euro-
päische Zentralbank EZB deshalb ohne Wenn und Aber an ihrer
quantitativen Lockerung festhalten – zumindest bis September 2016.
Möglicherweise wird sie ihre Unterstützung für die Märkte sogar
verstärken bzw. über diesen Zeitpunkt hinaus fortsetzen müssen,
vor allem weil die Risiken ausgehend von Griechenland nächstes
Jahr wohl wieder an die Oberfläche drängen werden.
Japan: Schleppende Auslandsnachfrage belastet die Aktivitäten
in der verarbeitenden Industrie
Im zweiten Quartal scheint die Konjunktur an Schwung verloren zu haben,
und das dritte Quartal begann verhalten. Trotz der Yen-Schwäche haben
sich die Exporte nicht wesentlich erholt. Das ist auf strukturelle Gründe
zurückzuführen, die Japans Wirtschaft seit Jahren lähmen. Verantwortlich
ist aber auch die schleppende Auslandsnachfrage, die die Außenwirtschaft
hemmt und damit auch die Aktivität in der verarbeitenden Industrie. Die
nur langsam ansteigenden Löhne werden den Konsum wohl weiterhin belasten.
Die Messlatte für weitere geldpolitische Maßnahmen hat die Bank of Japan
recht hochgelegt, zumindest was die Inflation anbelangt. Ich gehe deshalb
nicht davon aus, dass die Bank of Japan vorerst an der Zinsschraube dreht,
sondern erst einmal abwartet, wie sich die etwas höheren Löhne und
niedrigeren Energiepreise auswirken."
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China: Stärkere Abwertung des Renminbi nötig, um Exporte anzukurbeln
"In China haben sich die Finanzierungskonditionen für Unternehmen zuletzt
verschlechtert, vor allem nach dem Anstieg des Renminbi im Vorfeld der
Abwertung am 11. August und – in geringerem Maße – nach dem Ausverkauf
am Aktienmarkt. Mit Blick auf die Finanzierungsbedingungen könnte die
Abwertung daher durchaus hilfreich sein. Um sich spürbar in den Exporten
niederzuschlagen, müsste sie jedoch stärker ausfallen, vermutlich in einer
Größenordnung von 20 Prozent. Weitere Hilfe für die Wirtschaft von der
fiskalischen Seite wird vermutlich auch künftig über die Förderbanken
China Development Bank und Agricultural Development Bank of China er-
folgen. Auf diese Weise begrenzt man den Schuldenaufbau bei Geschäfts-
banken und anderen Finanzinstituten. Die Stimulusmaßnahmen scheinen
Ausdruck des Bestrebens Pekings zu sein, den Reformkurs fortzusetzen
und ein nachhaltigeres Wachstum zu erzielen. Für das Reich der Mitte
sind das gute Nachrichten. Es macht die Wachstumsstory auf der anderen
Seite aber auch anfälliger für Fehler der Politik. Als ein solcher
könnte sich die weitergehende Abwertung des Renminbi erweisen. Das
allerdings bleibt abzuwarten und wird letztlich von den Entwicklungen
in den nächsten Tagen und Wochen abhängen. Nach wie vor überwiegen
die Risiken. Überkapazitäten, Kapitalabflüsse, die sinkende Wettbe-
werbsfähigkeit, die Antikorruptionskampagne und andere Reformbe-
strebungen bremsen das Wachstum nachhaltig.
Schwellenländer: Niedrige Rohstoffpreise, steigende Zinsen und
Konjunkturabkühlung in China belasten die Konjunktur
Die Erholung in den Schwellenländern kommt nur schleppend voran. Für
Gegenwind sorgen die niedrigeren Rohstoffpreise, die steigenden Real-
zinsen und die Konjunkturabkühlung in China. In Brasilien und Russland
hat sich die Rezession vertieft. Eine gewisse Stabilisierung in China
und bei den Rohstoffpreisen sowie ein etwas beschleunigtes Wachstum in
den Industrieländern dürften helfen, die Weichen für eine Erholung in
den Schwellenländern zu stellen. Allerdings dürften die ersten beiden
Faktoren auf sich warten lassen, und der dritte möglicherweise zu
schwach ausfallen. Die zentrale Frage lautet, ob der Aufschwung in
den Schwellenländern Fuß fassen kann, bevor die Fed die Zinswende
einläutet. Gelingt das, könnten sich die negativen Auswirkungen in
Grenzen halten. Fraglich bleibt, ob sich die anfälligsten Länder wie
die Türkei, Südafrika und Brasilien in den nächsten Monaten hin-
reichend gegen steigende Zinsen wappnen und damit die Zinswende der
Fed weitgehend unbeschadet überstehen können."
Quelle: Investmentfonds.de
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