Investmentfonds.de
28.09.2017:
Schroders: Nach der Bundestagswahl rücken Wachstumsmöglichkeiten in Europa ins Blickfeld
Köln, den 28.09.2017 (Investmentfonds.de) -
Rory Bateman, Leiter für britische und europäische Aktien bei Schroders
Azad Zangana, Europa-Volkswirt bei Schroders
Nach der Wahl steht Angela Merkel vor ihrer vierten Amtszeit als
Bundeskanzlerin. Doch was bedeutet das für Investoren? Nach Ansicht
der Experten von Schroders werden sich die Märkte jetzt wieder auf
die erstarkende europäische Wirtschaft konzentrieren. Rory Bateman,
Leiter für britische und europäische Aktien, beleuchtet in seinem
Kommentar die wirtschaftspolitischen Aussichten für Europa. Zudem
geht Europa-Volkswirt Azad Zangana der Frage nach, wo mögliche
Herausforderungen in den Koalitionsverhandlungen liegen könnten.
Rory Bateman, Leiter für britische und europäische Aktien:
„Wie erwartet ist die CDU/CSU mit Angela Merkel als Spitzenkandidatin
als Sieger aus der Bundestagswahl hervorgegangen. Die SPD erreichte
20,5 Prozent und geht eigenen Aussagen zufolge in die Opposition. Die
dominierenden Parteien in Deutschland vertreten proeuropäische Positionen,
wenngleich die am rechten Rand stehende AfD mit 12,6 Prozent besser als
erwartet abgeschnitten hat.
Nun beginnen die Koalitionsverhandlungen, die einige Zeit in Anspruch
nehmen werden. Zwar ist Merkel die Kanzlerschaft weiterhin sicher, die
Unionsparteien bekamen aber weniger Stimmen als erwartet. Dennoch hat
Merkel einen guten Wahlkampf geführt und konnte offenbar wieder mit ihrem
ruhigen und kontrollierten Führungsstil überzeugen. Im Ausland gilt sie
als ‚sichere Bank‘.“
Der starke Euro – ein Risiko für Deutschland
„Die momentane Stärke des Euro ist für Deutschland schwierig, da die
hiesige Wirtschaft sehr exportorientiert ist. Das Wahlergebnis hat den
Euro leicht geschwächt, dies allerdings wohl nur vorübergehend. Lang-
fristig wird die Europäische Zentralbank (EZB) die quantitative Lockerung
nicht allzu schnell auslaufen lassen, um einen zusätzlichen Aufwärtsdruck
auf die Währung zu verhindern. Gleichzeitig spielt EZB-Präsident Mario
Draghi das Inflationsrisiko für 2018 herunter.“
Ist eine Fortsetzung des EU-Integrationsprozesses wahrscheinlich?
„Eine Hoffnung war, dass nach den Wahlen in Frankreich und Deutschland
eine gestärkte Allianz zwischen diesen beiden Staaten dem Zusammenhalt
in der EU wieder neuen Schwung verleihen könnte, nachdem die Briten der
Staatengemeinschaft mit ihrem Austrittsvotum geschadet hatten.
Denkbar wäre etwa ein Hinwirken auf eine vollständige Bankenunion oder
eine Einlagensicherung für die gesamte Eurozone. In fiskalischer Hinsicht
hat Merkel bereits eine ‚Fiskalfazilität‘ für die Eurozone vorgeschlagen,
die Staaten günstige Kreditbedingungen und Bürgschaften im Gegenzug für
Reformen ermöglichen könnte.
Tiefgreifende europäische Reformen erscheinen angesichts der unsicheren
Koalitionsbildung in Deutschland jedoch besonders kompliziert.“
Die europäische Wirtschaft erholt sich
„Nach dem Sieg Emmanuel Macrons bei den französischen Präsidentschafts-
wahlen besteht weiterhin Hoffnung, dass er die dringend benötigten
Strukturreformen umsetzen kann. Dazu zählen eine Flexibilisierung des
Arbeitsmarkts, eine Beschneidung des Einflusses von Gewerkschaften und
eine Senkung der Lohnkosten. Eine dynamischere französische Wirtschaft
käme natürlich auch Deutschland und der gesamten EU zugute.
Insgesamt befindet sich die europäische Wirtschaft jedoch auf dem Weg
der Erholung. Wir sehen Spielraum für weitere Zugewinne europäischer
Aktien, die von den weiterhin niedrigen Zinsen und verbesserten Gewinn-
margen der Unternehmen angetrieben werden. Wir gehen sogar davon aus,
dass die europäischen Aktienmärkte in den kommenden drei Jahren gegenüber
dem aktuellen Stand um bis zu 30 Prozent steigen könnten.“
Niedrige Zinsen führen zu hohen Börsenbewertungen
„Obwohl sich die europäische Wirtschaft und andere wichtige Volks-
wirtschaften gut entwickeln, schlägt sich dies bislang nicht in einer
höheren Inflationsrate nieder. Dementsprechend ist der Druck auf die
EZB und andere große Zentralbanken gering, die Zinsen wieder zu erhöhen.
Aus unserem Blickwinkel bedeutet dies, dass sich die Zinssätze auf einem
niedrigeren Niveau normalisieren sollten, als dies bislang der Fall war.
Die Geschichte zeigt, dass sich die Marktbewertungen erhöhen, wenn die
Zinsen sinken. Sollten sich die Zinsen also auf einem niedrigeren Niveau
einpendeln als früher, müssten die Marktbewertungen entsprechend höher
ausfallen.“
Gewinnmargen steigen wieder
„Seit Beginn der Finanzkrise hinken die Gewinnmargen europäischer Unter-
nehmen denen in den USA hinterher. Die Eurokrise der Jahre 2011 und 2012
wirkt sich stark auf die Unternehmensrentabilität aus. Die Verbesserung
der Kapazitätsauslastung und die Senkung der Arbeitslosenzahlen hat viel
Zeit in Anspruch genommen.
Jetzt steigen die Gewinnmargen der Unternehmen aber wieder. Wir gehen
davon aus, dass es der Beginn eines mehrjährigen Prozesses ist, bei dem
die europäischen Gewinnmargen schließlich das Niveau ihrer US-Pendants
erreichen werden. Dies legt die Erfahrung der Nuller-Jahre nahe und könnte
die Zugewinne an den Aktienmärkten weiter vorantreiben.“
Azad Zangana, Europa-Volkswirt:
Welche Koalitionsoptionen hat Merkel?
„CDU/CSU müssen nun entscheiden, mit wem sie eine Regierung bilden
wollen. Die SPD hat eine erneute Koalition bereits ausgeschlossen,
sodass eine „Jamaika-Koalition“ mit FDP und Grünen die einzig denkbare
Regierungsmehrheit ergibt.
Die FDP ist dabei wegen ihrer unternehmensfreundlichen und liberalen
Haltung der bevorzugte Koalitionspartner der CDU/CSU. Zuletzt gab es
eine schwarz-gelbe Koalition in der vorletzten Legislaturperiode; hier
verlief die Zusammenarbeit gut. Allerdings war es die rigide Haltung
der FDP bei der Rettung Griechenlands und anderer Länder der EU-
Peripherie, die die Rettungsaktionen während der europäischen Staats-
schuldenkrise verzögerte. Eine Koalition zwischen CDU/CSU und FDP
könnte also vorteilhaft für deutsche Unternehmen sein, aber weniger
gut für den europäischen Einigungsprozess.
Im Übrigen liegen Grüne und FDP auch in Umweltfragen über Kreuz. Vor
diesem Hintergrund wird es für CDU/CSU herausfordernd, in dieser Frage
zu vermitteln. Wir gehen davon aus, dass die Grünen in Umweltfragen wie
dem Dieselmotor eine relativ kompromisslose Haltung einnehmen werden.
Die AfD hat die Erwartungen übertroffen und wird zum ersten Mal und
mit der drittstärksten Fraktion in den Bundestag einziehen. Zwar ist
ihr Gestaltungsspielraum beschränkt, der politische Rechtsruck ist
jedoch ein Signal, dass Einwanderungs- und EU-Politik möglicherweise
verändert werden müssen.
Die SPD wird die Möglichkeit nutzen, während Merkels voraussichtlich
letzter Amtszeit in der Opposition wieder zu Kräften zu kommen.
Die Koalitionsverhandlungen werden voraussichtlich bis Dezember,
möglicherweise auch bis ins nächste Jahr andauern.“
Quelle: Investmentfonds.de
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