Investmentfonds.de
09.10.2018:
LFDE Macroscope: Provokation auf italienische Art?
Köln, den 09.10.2018 (Investmentfonds.de) -
Olivier de Berranger, Chief Investment Officer und Enguerrand Artaz,
Cross Asset Manager La Financière de L`Echiquier
Die Bekanntgabe eines geplanten Defizits von 2,4 Prozent des
Bruttoinlandsprodukts (BIP) für den Haushalt 2019 (und die beiden Folgejahre)
durch die italienische Regierung versetzte vor allem die europäischen Märkte
in neuerlichen Aufruhr. Die Vorgängerregierung hatte sich auf 0,8 Prozent
verpflichtet, der Wirtschaftsminister wollte 1,6 Prozent nicht überschreiten
und die Konsenserwartungen lagen bei rund 1,9 Prozent.
Aus streng ökonomischer Sicht ist es kaum von Bedeutung, ob das Verhältnis
Defizit zum BIP 1,9 Prozent oder 2,4 Prozent beträgt. Sorgen bereitet eher die
Ursache des höheren Defizits. Denn es speist sich aus Ausgaben - allen voran
für das Grundeinkommen - die den Konsum stützen sollen, jedoch keine Lösung
für das Hauptproblem Italiens bieten: das schwache potenzielle Wachstum
(das seinerseits hauptsächlich auf den Investitionen und den
Produktionskapazitäten beruht). Um sicherzustellen, dass die Verschuldung des
Landes beherrschbar bleibt, basiert dieses Verhältnis auf erreichbaren
(+1,6 % für 2019), jedoch ehrgeizigen Wachstumsannahmen. Anders gesagt wäre
ein hohes Defizit gegenüber dem BIP, das durch ein umfangreiches, potenzielles
Wachstum steigerndes Investitionsprogramm bedingt ist und auf vorsichtigeren
Wachstumsannahmen basiert, aus ökonomischer Sicht deutlich akzeptabler gewesen.
Darüber hinaus ist das Grundproblem ein politisches. Offensichtlich will die
populistische Koalition in Italien mit dieser Zahl von 2,4 Prozent für Wirbel
in Europa sorgen, um Verhandlungen herbeizuführen.
Überdies kündigte Regierungschef Giuseppe Conte vergangenen Mittwoch an, dass
das Defizit 2019 zwar 2,4 Prozent des BIP betragen, 2020 und 2021 jedoch auf
2,1 Prozent beziehungsweise 1,8 Prozent sinken soll. Die Europäische Kommission
in Person ihres Wirtschaftskommissars kam nicht umhin, den italienischen
Haushaltsentwurf als einen Haushalt "außerhalb der Grenzen" zu bezeichnen.
Wenige Monate vor der Europawahl ist die Position der Kommission jedoch heikel.
Einerseits ist der Umstand, dass einer Koalition aus populistischen Parteien zu
einem Zeitpunkt, zu dem populistische Bewegungen überall in Europa an Boden
gewinnen, bei einem so entscheidenden Thema wie dem Haushalt eine Einigung
gelingt, wenig erfreulich. Andererseits ist der italienische Haushalt ein
Konjunkturhaushalt. Während der allgemeine Trend in Europa auf ein Ende der
Sparpolitik hinausläuft und eine der wichtigsten wirtschaftlichen
Herausforderungen der Eurozone (Thema potenzielles Wachstum und Investitionen)
weiterhin besteht, ist es für die Europäische Kommission schwierig, sich
dem Wunsch nach einer haushaltsgestützten Konjunkturbelebung vehement zu
verschließen.
Daher wird die Kommission, die den italienischen Haushaltsentwurf am
15. Oktober offiziell entgegennimmt und ihre Empfehlungen bis Monatsende
abgeben muss, zweifelsohne verhandeln müssen. Dies ist vermutlich auch das
Ziel der italienischen Regierung. Bis dahin sind auch die Mitteilungen von
Moody’s und von S&P über die Bonität italienischer Schuldtitel am 26. Oktober zu
beachten. Uns erwarten also weitere Spannungen an den Märkten.
Quelle: Investmentfonds.de
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