Investmentfonds.de
26.11.2019:
LFDE Macroscope: Negativzinsen - Gift oder Medizin?
Köln, den 26.11.2019 (Investmentfonds.de) -
Olivier de Berranger, Chief Investment Officer bei LFDE -
La Financière de l'Echiquier
Die Frage, ob Negativzinsen Fluch oder Segen sind, wird immer drängender diskutiert,
vor allem da sich in den letzten Monaten vermehrt negative Nebenwirkungen abzeichnen.
Zum Beispiel nimmt der Druck auf die Versicherer immer weiter zu und hat sich in der
vergangenen Woche im negativen Ausblick der Ratingagentur Moody‘s für die gesamte
europäische Versicherungsbranche manifestiert. Unter den französischen Versicherern
haben sich einige rekapitalisiert, andere haben (zu geringen Kosten) Schuldtitel
ausgegeben, um ihr Eigenkapital zu stärken, und wieder andere haben den Zugang zu
ihren Geldmarktfonds beschränkt. Ihre schlechtere Solvabilität ist vor allem darauf
zurückzuführen, dass diese Fonds ihre typischen Vorteile - Kapitalgarantie,
Sperrklinken-Effekt, Liquidität - im derzeitigen Umfeld nicht mehr bieten können.
Es darf jedoch nicht vergessen werden, dass diese Nebenwirkung nur einen Teil des
Versicherungsgeschäfts, die Lebensversicherungen, betrifft.
Auch der Bankensektor leidet: Die Banken haben schwer mit der flachen Zinskurve zu
kämpfen. Da sie sich kurzfristig finanzieren, um Kapital über längere Laufzeiten zu
verleihen, hängt ihre Rentabilität unmittelbar von der Differenz zwischen den
Zinssätzen der einzelnen Laufzeiten ab.
Betroffen sind auch vorsichtige Sparer, denn durch das Abgleiten in den negativen
Bereich wurde der risikolose Zinssatz durch das zinslose Risiko abgelöst. Sicherheit
hat nun ihren Preis.
Nur die Nebenwirkungen hervorzuheben und dabei die Heilwirkung zu verschweigen,
erscheint uns jedoch etwas zu einfach.
Denn derart niedrige Zinssätze kommen unmittelbar allen Akteuren zugute, die bereit
sind, Schulden zu machen: Staaten, Haushalten und Unternehmen. Den Staaten ermöglichen
die Negativzinsen die Verringerung ihrer Schuldenlast und eine einfachere, günstige
Finanzierung ihrer Vorhaben. Den Haushalten ermöglichen sie günstigere Kredite für
den Kauf von Konsumgütern oder Wohneigentum.
Unternehmen können durch die niedrigen Zinssätze und die engen Spreads Investitionsvorhaben
umsetzen, deren zu erwartende Rentabilität zuvor aufgrund der höheren Zinsaufwendungen unter
Umständen negativ sein konnte.
Das Ziel der Europäischen Zentralbank besteht letztlich darin, die einzelnen
Wirtschaftsakteure dazu zu veranlassen, höhere Risiken einzugehen und so eine alles
erstickende Deflation zu vermeiden.
Negativzinsen sind jedoch kein Allheilmittel, sondern lediglich ein wirksames Medikament
zur Erreichung eines stabilen Zustands. Von einer Überdosis ist dringend abzuraten!
Quelle: Investmentfonds.de
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