Investmentfonds.de
27.11.2019:
Dekarbonisierung findet auf dem Aktienmarkt noch nicht statt
Köln, den 27.11.2019 (Investmentfonds.de) -
Deirdre Cooper, Portfoliomanagerin der Investec Global Environment
Strategy bei Investec Asset Management (IAM)
Dekarbonisierung findet auf dem Aktienmarkt noch nicht statt
"Greta Thunberg leistete 2019 Außergewöhnliches: Sie lenkte den Fokus der
Verbraucher auf Nachhaltigkeitsthemen und den Klimawandel. Eine aktuelle
Accenture-Umfrage belegt, dass die Verbraucherpräferenzen für nachhaltig
hergestellte Produkte um 429% und der Wunsch nach umweltbewussten Produkten
um 107% gestiegen ist. Wir gehen davon aus, dass sich die Verbraucherpräferenzen
weiter zugunsten nachhaltigeren und klimafreundlicheren Produkten entwickeln wird.
Dies ist auch ein starker Rückenwind für Unternehmen, die auf Dekarbonisierung
setzen.
Die Energiewende ist wahrscheinlich die größte Investition, die die Welt in
Friedenszeiten erlebt hat. Die Zahlen könnten jede andere verfügbare
Anlagemöglichkeit in den Schatten stellen. Massive Kapitalströme können Rückenwind
für Aktien geben, so dass man erwarten würde, dass Investoren eine Chance
wahrnehmen: ähnlich wie sie es tun, wenn große Zentralbanken darauf hinweisen,
Geld in die Wirtschaft zu pumpen. Doch die Reaktion auf die mehrjährigen
Wachstumsimpulse, die durch die Dekarbonisierung ausgelöst wurden, kommt nur
langsam in Gang. Wir haben kürzlich 2.000 Anleger dazu befragt, welche Investitionen
sie sich in ihren Pensionsfonds wünschen. Über 80% gaben an, in
ökologisch-nachhaltige Fonds investieren zu wollen, obwohl nur ein kleiner Teil
bereits heute in diese Produkte investiert. Der Hauptgrund für die Zurückhaltung der
Investoren besteht in der Unwissenheit darüber, was ein Dekarbonisierungsunternehmen
ist. Es ist nicht ungewöhnlich, dass Pensionsfonds Schwierigkeiten haben,
börsennotierte Unternehmen zu finden, die auf den wirtschaftlichen Wandel zur
Bewältigung des Klimawandels ausgerichtet sind. Deshalb konzentrieren sie sich
eher auf außerbörsliche Märkte und insbesondere auf die Infrastruktur für
erneuerbare Energien. Das wird unserem Planeten jedoch nur wenig bringen.
Nur 10% des Vermögens der Pensionsfonds entfallen auf außerbörsliche Märkte, und
nur ein Bruchteil davon auf die Dekarbonisierung. Wir müssen die anderen 90% der
oftmals in Unternehmen investierten Vermögenswerte nutzen, eben diese Unternehmen
dazu zu bewegen, den Temperaturanstieg auf ein Niveau zu begrenzen, das katastrophale
Folgen verhindert. Es ist außerdem auch eine verpasste Investitionsmöglichkeit."
Victoria Leggett, Head of Impact Investing, Union Bancaire Privée (UBP)
Die Wegwerfkultur beenden!
"Sowohl Regierungen als auch Verbraucher sind sich der Notwendigkeit bewusst
geworden, die Wirtschaft zu dekarbonisieren. Vier Länder - Frankreich,
Großbritannien, Norwegen und Schweden - wollen klimaneutral werden; fünfzehn
weitere haben intensive Diskussionen zu diesem Thema aufgenommen. Die Europäische
Union hat beschlossen, die Verwendung mehrerer Einwegartikel aus Kunststoff im
Jahr 2021 zu verbieten und die CO2-Emissionen des Güterverkehrs bis 2050 zu
halbieren. Für Menschen und Verbraucher zeigen Studentenstreiks und Klimaproteste
zusammen mit dem Rückgang des Fleischkonsums ein Umdenken, das nicht ignoriert
werden darf. Der Wandel, der sich in der Weltwirtschaft vollzieht, erfordert massive
Investitionen, von denen diejenigen Unternehmen profitieren werden, die daran
arbeiten, sich den ökologischen und gesellschaftlichen Herausforderungen zu stellen.
Von dem außergewöhnlichen Wachstumspotenzial dieser Unternehmen in den kommenden
Jahrzehnten zu profitieren, ist genau das, worum es bei Investitionen geht: die
Auswahl von Vermögenswerten, die einen positiven und messbaren Einfluss auf die
Gesellschaft haben, während sie gleichzeitig den Investoren einen attraktiven
Ausblick bieten." Es stellt sich auch die Frage, ob ein Unternehmen in der Lage
ist, eine führende Position in seinem Bereich einzunehmen oder nicht.
Unternehmen mit positiver Wirkung tragen dazu bei, die Grundlagen für nachhaltiges
Wachstum und eine Kreislaufwirtschaft zu schaffen, im Gegensatz zur Wegwerfkultur,
die natürliche Ressourcen verbraucht. Der Weg zur Verbreitung dieser Praktiken ist
jedoch lang. Heute entsprechen nur 9,1% der Weltwirtschaft den Kriterien der
Kreislaufwirtschaft. Hier spielt die Impact-Investition eine wichtige Rolle,
sowohl für den Erhalt des Planeten als auch für die Aufrechterhaltung der
Anlageperformance."
Christian Wessels, Gründer und Geschäftsführer des
Solarenergielösungsanbieters Daystar Power in Lagos (Nigeria)
Klimaschutz darf um Afrika keinen Bogen machen!
"Die Begrenzung der Erderwärmung auf unter zwei Grad wird im Fokus der
Weltklimakonferenz stehen. Eine mögliche Lösung, die in Madrid diskutiert
werden wird, ist die weltweite Etablierung des Handels mit Verschmutzungsrechten.
Der Emissionshandel ist prinzipiell eine sinnvolle Möglichkeit, den CO2-Ausstoß
auf globaler Ebene zu senken. In der Praxis stößt dieses Prinzip jedoch immer
wieder auf Probleme wie z.B. die zeitweilig zu niedrigen Preise der Zertifikate,
die nicht immer ausreichen, um notwendige klimaschonende Investitionen bei den
Verursachern anzustoßen. Dabei steht man in Afrika vor einem zweifachen Problem:
Erstens gibt es kein flächendeckendes Energieversorgungsnetz, in das Erzeuger
einspeisen könnten. Der Strom wird stattdessen - zweitens - dezentral durch
Dieselgeneratoren erzeugt. Diese Praxis ist nicht nur ökonomisch unsinnig, sie ist
auch ökologisch äußerst fragwürdig. Und diese Problematik wird durch einen wie
auch immer gearteten Emissionshandel kaum berührt. Hinzu kommt: Etwa 40 Prozent
der Bevölkerung Afrikas hat überhaupt keinen Zugang zu Strom - und somit auch
keinen ausreichenden Zugang zu Bildung, Gesundheitsversorgung und zu ausreichender
Beteiligung am sozialen, kulturellen und wirtschaftlichen Leben. Dies verdeutlicht
die außerordentliche Dimension der afrikanischen Energiefrage, denn in Afrika geht
es um weit mehr, als "nur" um die Eingrenzung der Erderwärmung. Die afrikanische
Energiefrage lässt sich nicht allein durch eine Verbesserung des Emissionshandels
lösen: Aufgrund der großen Entwicklungsunterschiede benötigt Afrika dezentrale und
speziell auf den Kontinent zugeschnittene Lösungen. Gleichzeitig stellt
beispielsweise die moderne Solartechnologie eine Chance für Afrika dar, sich
wirtschaftlich eigenständig zu entwickeln. Flüchtlinge, die seit Jahren über das
Mittelmeer nach Europa strömen, sind nicht nur Kriegs- und Krisenflüchtlinge; es
sind auch Bildungsdefizits-, Chancenarmuts- und letzten Endes Klimaflüchtlinge.
Die intelligente Nutzung von Solarenergie, einem in Afrika unbegrenzt verfügbaren
Rohstoff, dient in Afrika als Schlüsseltechnologie, die die Grundlage für weitere
Investitionen in Industrie, Gesundheit und Bildung liefern wird. Um diese
Technologie weiter ausbauen zu können, benötigt es verbindliche finanzielle
Zusagen von Kapitalgebern aus der Privatwirtschaft, von NGO und auch von den
europäischen Regierungen. Die Sensibilisierung der Finanzwirtschaft für diese
Problematik, die gleichsam auch eine Chance vor dem Hintergrund der weltweiten
Niedrigzinspolitik darstellt, sollte ebenfalls in Madrid - und in späteren
Klimagipfeln thematisiert werden."
Quelle: Investmentfonds.de
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