Investmentfonds.de
10.08.2020:
J.P. Morgan AM: Wann kommt die Inflation?
Köln, den 10.08.2020 (Investmentfonds.de) -
Tilmann Galler, Kapitalmarktstratege bei
J.P. Morgan Asset Management in Frankfurt
Zahlreiche Experimente des "Gelddruckens" endeten
in der Historie sehr inflationär - warum ist es derzeit anders?
Inflationsszenario könnte nach Überwindung der Coronakrise
schnell aktuell werden
Portfolio vor Inflationsrisiken schützen
Frankfurt, 10. August 2020 - Es ist wie das Warten auf Godot:
Die ultralockere Geldpolitik der Zentralbanken seit der Finanzkrise
hat bei vielen Anlegern zu Inflationssorgen geführt. Doch der
Durchschnitt der Inflation seit Start der Anleihenkaufprogramme
im Dezember 2008 liegt in den USA mit 1,6 Prozent und in der
Eurozone mit 1,2 Prozent deutlich unter dem Inflationsziel der
jeweiligen Zentralbank. „Von Inflation oder gar Hyperinflation,
wie von manchen Ökonomen und Analysten beschworen, gibt es seit
Jahren keine Spur“, betont Tilmann Galler, Kapitalmarktstratege
bei J.P. Morgan Asset Management in Frankfurt. Aber gilt das auch
für die Zukunft, wenn sich immer mehr Staaten zur Abfederung der
Folgen der Corona-Krise von der bisherigen Austerität verabschieden?
Zumindest folgten in der Historie auf ähnliche Szenarien wie heute
stets Phasen erhöhter Inflation.
Damit hat die Diskussion um preissteigernde Effekte expansiver
Geldpolitik zuletzt wieder Auftrieb bekommen: "Die großen
Zentralbanken werden bis zum Ende des Jahres Liquidität von
geschätzt 7 Billionen Euro in die Märkte pumpen. Das ist eine
Größenordnung, die alle früheren Kaufprogramm in den Schatten stellt.
Diese neuerliche Ausweitung des Gelddruckens zeigt besorgniserregende
Parallelen mit früheren Experimenten der Wirtschaftsgeschichte, die
letztendlich alle sehr inflationär endeten", erklärt Tilmann Galler.
Dass dies aktuell nach wie vor nicht der Fall ist, habe
verschiedene Gründe.
So kann Inflation nach Darstellung des Kapitalmarktexperten zweierlei
Ursachen haben: einerseits durch zu große Nachfrage, die auf ein
begrenztes Angebot trifft, und andererseits durch steigende Input-
oder Produktionskosten, wie beispielsweise durch einen Ölpreisschock.
"Durch die Coronakrise haben wir es sowohl mit einem Angebots- als
auch mit einem Nachfrageschock zu tun, wobei die Nachfrage in vielen
Bereichen stärker gefallen ist als das Angebot", stellt Galler fest.
Es seien gerade die Branchen wie Einzelhandel, Hotel- und Gastgewerbe
oder Transport, die im 2. Quartal zeitweise Umsatzrückgänge von 40
Prozent und mehr verkraften mussten. Der abrupte Rückgang im Straßen-
und Luftverkehr führte zu einem historischen Absturz des Ölpreises,
der durch Produktionskürzungen nur begrenzt aufgefangen wurde. Doch
man könne in dieser Krise auch Preis¬steigerungen beobachten, wenn
etwa eine robuste Nachfrage Nahrungsmittel und Haushaltswaren verteuerte.
Abschied von der Austerität
Da bei der Berechnung der Verbraucherpreisindizes die negativ
betroffenen Sektoren einen größeren Anteil am Warenkorb haben, ist
die Inflation jüngst zurückgegangen. "Die Inflationsgefahren bleiben
vorerst auch weiter gering, solange sich die volkswirtschaftliche
Nachfrage aufgrund von COVID-19 nicht normalisieren kann. Eine zu
geringe Nachfrage war auch der Grund, weshalb wir in den letzten
zehn Jahren außerhalb der Vermögenspreise kaum Inflation gesehen
haben", sagt Tilmann Galler. Die inflationäre Wirkung expansiver
Geldpolitik wurde durch die restriktive Fiskalpolitik quasi
neutralisiert. Und genau hier werde es jetzt mit Blick in die Zukunft
interessant, denn es scheine, dass die Coronakrise einen
Paradigmenwechsel beschleunigt, der schon vor der Krise begonnen
hat - den Abschied von der Austerität.
Die massiven nationalen Fiskalprogramme zur Pandemiebekämpfung
reihten sich nach Einschätzung von Tilmann Galler nahtlos in die
Steuersenkungen des US-Präsidenten Donald Trump und den italienischen
Budgetstreit der Vorkrisenzeit ein. "Für die Preisstabilität birgt
diese Entwicklung erhebliche Risiken, sobald die Coronakrise überwunden
wird. Wenn es in dieser Situation den Staaten und Notenbanken nicht
gelingt, ihre expansive Politik zu drosseln, trifft die aufgestaute
Konsumnachfrage der Privathaushalte auf eine erhöhte staatliche
Nachfrage. Konsequenz ist, dass die gesamtwirtschaftliche Nachfrage
das Angebot übersteigt und die Inflation zu steigen beginnt",
analysiert Galler.
Drei mögliche Instrumente als Schutz vor Inflationsrisiken
Um sich vor einem Inflationsszenario zu schützen, hilft nach Ansicht
des Experten ein Blick in die jüngere Vergangenheit - denn dort gebe
es einige wertvolle Anhaltspunkte zu finden. "In den letzten 12
Jahren gab es drei Perioden von steigender Inflation, ausgehend von
einem niedrigen Niveau. Die zwei klassischen Anlageinstrumente zum
Schutz vor Inflation haben in allen drei Perioden positive Renditen
erzielt: Gold und inflationsgesicherte Staatsanleihen (TIPS). Doch
auch Aktien boten den Investoren immerhin in zwei von drei Perioden
einen Schutz vor realer Geldentwertung", sagt Tilmann Galler. Anleger
sollten deshalb im Portfolio darauf achten, dass Inflationsrisiken
in ihrer strategischen Allokation eine Berücksichtigung finden, auch
wenn kurzfristig die Inflationsrisiken eher gering seien.
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Quelle: Investmentfonds.de
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