Investmentfonds.de
09.09.2020:
J.P. Morgan Asset Management: Ist das hohe Bewertungsniveau des US-Aktienmarkts gerechtfertigt?
Köln, den 09.09.2020 (Investmentfonds.de) -
Tilmann Galler, Kapitalmarktstratege bei
J.P. Morgan Asset Management in Frankfurt
Erhebliche Bewertungsdivergenzen zwischen Gewinnern
und Verlierern in der Krise
Trendwende hin zu Substanzwerten derzeit noch nicht
in Sicht
Auf "Qualitätsaktien" mit robusten Bilanzen und
Geschäftsmodellen setzen
Frankfurt, 9. September 2020 - Nur fünf Monate nach dem Tiefstand
während der Corona-Marktturbulenzen erreichte der S&P 500 Ende
August ein neues Allzeithoch. Damit ist der amerikanische Aktienmarkt
nun offiziell in einem neuen Bullenmarkt angekommen und hat dabei
die schnellste Erholung aller Zeiten gezeigt. Im Durchschnitt sind
die amerikanischen Aktien derzeit mit dem knapp 23-fachen des
erwarteten Gewinns bewertet und damit auf dem höchsten Niveau seit
der TMT-Blase im Jahr 2000. Kurstreiber sind dabei vor allem die
sogenannten "Bleib-Zuhause-Aktien". Denn die globalen Maßnahmen zur
Bekämpfung der Pandemie führten zu erheblichen Veränderungen im
Arbeits- und Konsumverhalten. Viele Aktivitäten erfolgen verstärkt
von Zuhause aus. Online-Einzelhändler, Technologieunternehmen oder
Pharmaunternehmen profitieren von dieser Entwicklung. "Die scharfe
Differen¬zierung der Märkte zwischen Gewinnern und Verlierern der
Coronakrise hat zu erheblichen Bewertungsdivergenzen insbesondere
zwischen Wachstumsaktien und Substanzwerten geführt", erklärt
Tilmann Galler, Kapitalmarktstratege bei J.P. Morgan Asset Management.
Für Anleger stellt sich nun die Frage, ob die wachstumsorientierten
"Bleib-Zuhause-Aktien" noch realistisch bewertet sind und wann wohl
die "Ausgeh-Aktien" aus Branchen wie Restaurants, Hotels & Freizeit,
Öl & Gas oder Luftfahrt, die durch Lockdown-Maßnahmen erhebliche
Ertragseinbußen erleiden, wieder Auftrieb bekommen könnten.
Segment der "Bleib-Zuhause-Aktien" mit 25 Prozent Vorsprung vor den
"Ausgeh-Aktien"
Insbesondere auf dem US-Aktienmarkt hing in den letzten sechs Monaten
der relative Investmenterfolg sehr stark von der Stabilität der Gewinne
ab. " 'Bleib-Zuhause-Aktien' haben sich in diesem Jahr im Schnitt um
25 Prozent besser entwickelt als 'Ausgeh-Aktien'", erläutert Tilmann Galler.
Auf dem US-Aktienmarkt ist der Bewertungsaufschlag von Wachstumsaktien,
unter denen viele "Bleib-Zuhause-Aktien" sind, bei Betrachtung des
Kurs-Buchwert-Verhältnisses inzwischen höher als in der Hochphase der
TMT-Blase. "Einen zusätzlichen Schub bekommen Wachstumsaktien noch von
den Zentralbanken, die durch Zinssenkungen und Kaufprogramme die
langfristigen Anleihenrenditen kräftig gesenkt haben, wodurch der
Abzinsungsfaktor für die zukünftigen Gewinne fällt und der Unternehmenswert
entsprechend steigt", analysiert Tilmann Galler.
Voraussetzungen für eine Trendwende hin zu Substanzwerten
Für eine nachhaltige Trendwende weg von den teuren Wachstumsaktien hin
zu Substanzwerten müsste nach Ansicht des Marktexperten mindestens eines
der zwei folgenden Szenarien eintreten: Erstens müssten nachhaltige Erfolge
in der Pandemiebekämpfung erzielt werden, die für die besonders
betroffenen Branchen wieder ein normales Geschäftsumfeld schaffen. Doch
ob in der medizinischen Forschung in der nächsten Zeit ein Durchbruch
erzielt werde, sei höchst ungewiss. Zweitens müsste sich das Wachstum der
Wirtschaft so kräftig erholen, dass die Zentralbanken ihre Anleihenkäufe
reduzieren und die Renditen der Staatsanleihen am langen Ende wieder
ansteigen. "Die aktuellen geldpolitischen Leitlinien der großen Notenbanken
geben keinerlei Anhaltspunkte, dass dies in den nächsten Monaten eintreten
könnte. Vielmehr überwiegen aktuell die Sorgen über die weitere Entwicklung
der Konjunktur", erklärt Galler. So könne bei weiterem Andauern der Pandemie
die große Bewertungsdivergenz zwischen Growth und Value durchaus noch einige
Zeit Bestand haben.
Robuste Bilanzen und Geschäftsmodelle als Qualitäts- und Investitionsmerkmal
In dieser Phase erhöhter Unsicherheit sind für den Marktstrategen bis auf
weiteres weder teure Wachstumsaktien noch angeschlagene Value-Aktien besonders
attraktiv. "Es ist für uns naheliegender, in Unternehmen zu investieren, die
über eine robuste Bilanz verfügen und auch in diesen Zeiten rentabel
wirtschaften können - also Qualitätsaktien. Im Gegensatz dazu versuchen wir,
Investitionen in Unternehmen mit hoher Verschuldung und hohem operativen
Risiko zu vermeiden", sagt Galler. Hinsichtlich der allgemeinen Bewertung sei
das ungewohnt hohe Bewertungsniveau des Aktienmarktes gerechtfertigt, solange
aufgrund expansiver Zentralbanken die Realzinsen tief negativ seien und
gleichzeitig die Staaten kräftig Konjunkturpakete schnürten. "In einer
Vollkaskowirtschaft lohnt sich Risikonahme", führt der Stratege aus.
"Doch wehe, wenn das Sicherheitsnetz zukünftig ausgedünnt werden sollte.
Dann wird sich die gestiegene Fallhöhe der Aktienmärkte schnell sehr
schmerzlich bemerkbar machen. Eine ausgewogene und diversifizierte Allokation
zwischen Aktienrisiken und sicheren Anlagen bleibt deshalb für uns auch im
noch jungen Bullenmarkt das Gebot der Stunde", so das Fazit von Tilmann Galler.
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Quelle: Investmentfonds.de
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