Investmentfonds.de
19.11.2020:
AEGON AM: Zentralbanken vs. Impfstoff
Köln, den 19.11.2020 (Investmentfonds.de) -
Hendrik Tuch, Head of Fixed Income bei Aegon Asset Management
Zentralbanken vs. Impfstoff
Zinssätze und Renditekurven haben in den letzten
Wochen eine ziemliche Volatilität erfahren,
während die Märkte die Wahlnachrichten und
Corona-Schlagzeilen verdaut haben. Im Vorfeld der
US-Wahlen hatten sich viele Anleger für eine
"Blue Wave" der Demokraten positioniert, da sie
nach den Wahlen ein beträchtliches Finanzpaket
und eine dauerhafte Erhöhung der Staatsausgaben
erwarteten. Als Folge dieser Politik rechneten
sie mit einem weiteren Anstieg der US-Renditen,
insbesondere am langen Ende der Kurve und
erwarteten zudem eine Underperformance des
US-Anleihenmarktes gegenüber anderen Märkten.
Ein Auf und Ab der Märkte durch die
US-Wahl und den Impfstoff
Unmittelbar nach der Veröffentlichung der ersten
Wahlergebnisse war klar, dass die Wahrscheinlichkeit
dieses Szenarios deutlich geringer war als die
Umfragen vermuten ließen. Infolgedessen fielen
die US-Renditen und viele der Blue-Wave-Trades
wurden abgewickelt. So fiel beispielsweise die
Rendite 30-jähriger US-Staatsanleihen am Tag nach
den Wahlen von 1,7 % auf 1,5 %, was für solche
langlaufenden Anleihen an einem einzigen Tag eine
beachtliche Rendite von 5 % ergab. Die Aktienmärkte
nahmen ihre Rallye nach der Wahl wieder auf, da sie
durch die geringere Wahrscheinlichkeit von
Körperschaftssteuererhöhungen und die Aussicht auf
weniger zusätzliche Regulierung getröstet wurden.
Am Ende der Wahlwoche ersichtlich, dass die
Nachzählungen nicht von langer Dauer sein würden,
was die Märkte für festverzinsliche Wertpapiere
schwächte.
Nach all dem hektischen Trading rund um die Wahlen
schienen die Märkte für festverzinsliche Wertpapiere
sich zu stabilisieren, ausgewogen zwischen den
steigenden Fällen des Coronavirus und der anhaltend
positiven Risikostimmung. Doch vergangene Woche löste
die Ankündigung von Pfizer über ihren erfolgreichen
Corona-Impfstofftest einen weiteren großen Einbruch
an den Rentenmärkten aus. Diesmal war der europäische
Anleihenmarkt am stärksten betroffen, da die Rendite
der deutschen 30-jährigen Anleihen innerhalb von 24
Stunden um fast 20 Basispunkte anstieg. Das führte
zu einem Ein-Tages-Verlust von etwa 4% bei diesen
Anleihen mit langer Laufzeit. Bei all dieser
Volatilität an den Anleihemärkten könnte man meinen,
dass die Zentralbanken im Begriff sind, ihren
geldpolitischen Kurs drastisch zu ändern.
Oktober-Rallye der europäischen Staatsanleihen
hat sich vollständig umgekehrt
Bislang übertrafen die jüngsten Änderungen der
Zentralbankpolitik im Allgemeinen die Erwartungen des
Marktes. Die Sitzungen der EZB und der Fed führten
nicht zu einer Änderung der Politik. Beide Zentralbanken
verwiesen auf ihre Sitzungen im Dezember, bei denen sie
die aktuelle Politik neu bewerten würden. Als die
Covid-19-Fallzahlen in den letzten Monaten in ganz
Europa wieder anstiegen und neue Sperrmaßnahmen
eingeführt wurden, stiegen auch die Erwartungen an
die Dezembertagung der EZB stetig an.
Infolgedessen fiel die Rendite deutscher Staatsanleihen
mit 10-jähriger Laufzeit im Oktober unter minus 60
Basispunkte - den niedrigsten Stand seit März, während
die Spreads italienischer Staatsanleihen weiter
zurückgingen. Seit der Ankündigung von Pfizer hat sich
die Oktober-Rallye der europäischen Staatsanleihen
trotz der wachsenden wirtschaftlichen Auswirkungen
der Lockdowns vollständig umgekehrt. Die Sensibilität
der Anleihemärkte gegenüber den Aktualisierungen über
potenzielle Impfstoffe mag etwas extrem erscheinen,
aber wir erkennen an, dass eine relativ rasche Einführung
eines oder mehrerer Impfstoffe die Renditen am Markt für
Staatsanleihen belasten wird. Bis jetzt erwarten die
meisten Anleger, dass das Kaufprogramm der EZB im Jahr
2021 alle Ausgaben europäischer Staaten vollständig
abdecken wird. Sollte die EZB im nächsten Jahr entscheiden,
dass sich die wirtschaftlichen Aussichten ausreichend
verbessert haben, um eine Reduzierung ihrer Käufe von
Staatsanleihen zu ermöglichen, wird der Markt die
verbleibenden, nicht von der EZB gedeckten Ausgaben
auffangen müssen.
Renditen von Staatsanleihen können weiterhin in einer
breiten Spanne gehandelt werden
Mehrere Vorstandsmitglieder der EZB haben sich bereits
kürzlich zu den möglichen Auswirkungen erfolgreicher
Coronavirus-Impfstoffe geäußert. Die wirtschaftliche
Erholung sei noch sehr fragil und die positiven Auswirkungen
von Massenimpfungen würde noch einige Zeit dauern. Zudem
müssten die Regierungen die massive steuerliche Unterstützung
fortsetzen, um längerfristigen wirtschaftlichen Schaden zu
vermeiden. Die EZB wird ihre Geldpolitik fortsetzen und sogar
erhöhen, um sicherzustellen, dass die Zinssätze niedrig
bleiben und die Banken mit ausreichender Liquidität versorgt
werden. Die bevorstehenden Ansprachen der Vorstandsmitglieder
der US-Notenbank werden sich nicht wesentlich von ihren
europäischen Amtskollegen unterscheiden. Die Fed hat mehrfach
auf die Notwendigkeit weiterer finanzieller Unterstützung
hingewiesen, wobei die Verzögerungen bei der Umsetzung
solcher Maßnahmen die US-Wirtschaftszahlen noch eine ganze
Weile belasten werden.
Wir gehen daher davon aus, dass weitere geldpolitische
Anpassungen sowohl in Europa als auch in den USA bei ihren
jeweiligen Sitzungen im Dezember angekündigt werden. Die
Vertreter der Zentralbanken werden bei der Rücknahme der
gegenwärtigen geldpolitischen Konjunkturmaßnahmen sehr
vorsichtig vorgehen, da eine rasche Wende zu Spannungen auf
den Finanzmärkten führen wird, die die wirtschaftliche
Erholung beeinträchtigen können. Daher sind wir der Meinung,
dass die Renditen von Staatsanleihen weiterhin in einer
breiten Spanne gehandelt werden können, bis wir ausreichende
Anzeichen für eine nachhaltige wirtschaftliche Erholung und
eine erhöhte Wahrscheinlichkeit einer Änderung der Geldpolitik
sehen.
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Quelle: Investmentfonds.de
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