Investmentfonds.de
10.12.2020:
J.P. Morgan AM: 10 Thesen für 2021
Köln, den 10.12.2020 (Investmentfonds.de) -
Tilmann Galler, Executive Director, CEFA/CFA,
Kapitalmarktstratege von J.P. Morgan Asset Management
Kapitalmarktstratege Tilmann Galler mit leicht
optimistischem Ausblick für "das Jahr, in dem
sich die Pandemie auf dem Rückzug befindet"
Frankfurt, 10. Dezember 2020 - Das Jahr 2020 war
außergewöhnlich und wird für viele als ein
"Annus horribilis" in Erinnerung bleiben. Dass
sich nun zum Jahresende die Nachrichtenlage
insbesondere auch in medizinischer Hinsicht
gebessert hat, lässt den Kapitalmarktstrategen
Tilmann Galler von J.P. Morgan Asset Management
etwas optimistischer auf das neue Jahr blicken:
"Wir erwarten für 2021, dass sich die Pandemie
auf dem Rückzug befindet, was besondere
Auswirkungen auf die wirtschaftliche Entwicklung
und die globalen Märkte haben wird," erläutert
Galler. Und so hat der Stratege für dieses
Basisszenario zehn Thesen entwickelt, die Anlegern
helfen können, durch die weiterhin unsichere
Gemengelage zu navigieren. Man solle allerdings
auch weiterhin darauf gefasst sein, dass das
Virus jederzeit einen Strich durch die Rechnung
machen kann.
1. Konjunktur: Schwacher Start - starker Endspurt
Während die zweite Infektionswelle Europa und
auch die USA weiterhin fest im Griff hat, werden
laut Tilmann Galler die neuerlichen Lockdown-
Maßnahmen ihren Tribut fordern. So dürfte die
Konjunktur gedämpft ins neue Jahr starten und
ein erneutes Abrutschen in die Rezession sei
nicht unwahrscheinlich. Im Zuge der erfolgreichen
Pandemiebekämpfung sollte im Jahresverlauf jedoch
ein Aufschwung folgen. In der "Buchstabensuppe
der Erholungsszenarien" erwartet Tilmann Galler
ein "schiefes W", mit einem im Vergleich zum
Frühjahr deutlich gemäßigteren Rückgang der
Wirtschaft sowie starkem Finish und Wachstum
über Trend.
Ein Blick auf die Einkaufsmanagerindizes zeigt,
dass aktuell vor allem der Dienstleistungssektor
unter den erneuten Pandemiebeschränkungen leidet.
Das verarbeitende Gewerbe ist derzeit dagegen
nicht so stark betroffen und hat nach der ersten
Welle Hygienekonzepte und Strategien entwickelt,
um besser durch die Pandemie zu kommen. So hat
sich die Situation zur Vor-Corona-Zeit umgekehrt,
als die Dienstleistungen im damaligen Spätzyklus
die Stütze des Wachstums waren. Am Beispiel
Chinas zeigt sich wiederum sehr deutlich: Ein
Land, das es schafft, die Pandemie zurückzudrängen,
schafft es auch, den Dienstleistungssektor zu
beflügeln.
Ein wichtiges Signal für die Märkte ist, dass die
Geld- und Fiskalpolitik auch weiter die Wirtschaft
unterstützen werden, bis alles Ungemach der Pandemie
vorüber ist. Mit bislang einzigartig starker
Synchronität zwischen beiden Größen wurde dazu
beigetragen, die Covid-Schäden für Unternehmen und
Wirtschaft zu begrenzen. Dadurch konnten sich die
Bruttoinlandsprodukte (BIPs) zwischenzeitlich wieder
erholen. Aber auch hier zeigt ein Blick auf Asien,
dass die Erholung erst richtig erfolgen kann, wenn
die Pandemie vollständig zurückgedrängt wurde.
China, Taiwan und Korea waren erfolgreicher in der
Pandemiebekämpfung, weshalb deren Volkswirtschaften
sich bereits viel besser erholen konnten. Vor allem
China liegt beim BIP bereits über dem Vorkrisenniveau.
2. Inflation: Moderat steigendes Risiko zum Jahresende
Tilmann Galler ist sicher: Solange die Pandemie
vorherrscht, bleibt die Inflation niedrig. Denn die
Staaten springen ein, um den pandemiebedingten Ausfall
auszugleichen. Doch wenn das Wachstum wieder anzieht,
könnte auch die Inflation steigen - nicht nur wegen
der höheren Nachfrage, sondern auch wegen der
Basiseffekte. So war beispielsweise der Ölpreis
im April 2020 in den USA teilweise sogar negativ.
Sollte der Ölpreis im zweiten Quartal auf einem
ähnlichen Niveau wie heute liegen, wird die
Inflation einen Schub von den Energiepreisen
bekommen. In Deutschland könnte durch das Ende der
reduzierten Mehrwertsteuer noch ein Sondereffekt
auftreten.
Die Inflationsgefahr steigt dann, wenn sich die
volkswirtschaftliche Nachfrage nach dem Ende der
Pandemie normalisiert: Wenn es in dieser Situation
den Staaten und Notenbanken nicht gelingt, ihre
expansive Politik zu drosseln, trifft die aufgestaute
Konsumnachfrage der Privathaushalte auf eine erhöhte
staatliche Nachfrage. Konsequenz: Die gesamt-
wirtschaftliche Nachfrage dürfte das Angebot
übersteigen und die Inflation zieht an.
3. Geldpolitik: Keine Änderung bei Leitzinsen,
Reduzierung der Anleihenkäufe im 2. Halbjahr
Laut dem Experten wird 2021 wohl ein eher
langweiliges Jahr für die Geldpolitik werden, denn es
ist zu erwarten, dass die Zinsen wegen der moderaten
Inflationsrisiken auf absehbare Zeit niedrig bleiben.
Der Paradigmenwechsel der US-Notenbank in Bezug auf
das Inflationsziel verstärkt diese Entwicklung. Zwei
Prozent Inflation ist nicht mehr als Punktziel,
sondern als Durchschnittsziel definiert, wodurch sich
die Reaktionsfunktion der Fed von einer proaktiven
zu einer reaktiven Geldpolitik verändert. Sie steuert
insofern nicht mehr frühzeitig gegen die Inflation an,
sondern lässt sie sich erst einmal entwickeln, bevor
sie reagiert. Demnach dürften die Leitzinsen weit
über das Jahr 2021 hinaus auf sehr niedrigem Niveau
verharren, bevor es zu einer Normalisierung kommt.
4. Renditen: Leichte Versteilerung der Zinskurve
Durch den Finanzierungsbedarf der Staaten und in
Abwesenheit von Inflation sind die Niedrigzinsen
zementiert. Denn damit ist die Rekordverschuldung
vieler Staaten finanzierbar - in der Konsequenz wächst
der Schuldenberg, doch dank ultraniedriger Zinsen
bleibt der Schuldendienst moderat, was für die
Stabilität entscheidend ist. Am langen Ende der
Zinskurve könnten sich die Renditen im nächsten
Jahr laut Tilmann Galler im Fall einer erfolgreichen
Impfkampagne leicht versteilern. Die finanzielle
Repression mit negativen Realzinsen dürfte
allerdings erhalten bleiben. Ein historisches
Beispiel hierfür sind die US-Zinsen der Nachkriegszeit.
Die Fed hat damals die Renditen auf tiefem Niveau
gehalten, um das Defizit finanzierbar zu machen.
Die USA sind damals dank Wirtschafts- und Babyboom
aus den Schulden herausgewachsen. Dies nun zu
wiederholen dürfte jedoch ungleich schwerer sein.
5. US-Dollar mit fallender Tendenz
Laut Tilmann Galler ist zu erwarten, dass der
US-Dollar zur Schwäche neigt und damit der
10-jährige Bullenmarkt des Greenback zu Ende
geht. Dies sei ein Wendepunkt, denn seit der
Finanzkrise war der US-Dollar stark, auch wenn
er fundamental gesehen schon länger eine teure
Währung war. Nach den pandemiebedingten Zinssenkungen
ist das Zinsdifferenzial zwischen dem US-Dollar und
den anderen Industrieländern wieder enger geworden.
Der US-Dollar hat als Anlagewährung an Attraktivität
verloren. Mit einsetzender Erholung der Weltwirtschaft
könnte sich der Kapitalstrom aus dem US-Dollar in die
anderen Währungsräume beschleunigen. Profitieren
könnten beispielsweise Schwellenländer, aber auch
Europa. Sollten die politischen Unsicherheiten
bezüglich Brexit und Pandemie erfolgreich überwunden
werden, könnte Europa eine interessante Region sein -
noch ist es dafür allerdings etwas zu früh.
6. Schwellenländer übertreffen Industrieländer
Ein schwacher Dollar bietet, so die historischen
Erfahrungen, Rückenwind für Schwellenländer. So lohnt
es sich im kommenden Jahr sowohl für Anleihen- als
auch für Aktienanleger, auf das Wachstum der Region
zu setzen. Ein Blick in die Vergangenheit zeigt auch,
dass jede große Krise der letzten 30 Jahre mit einem
Favoritenwechsel einherging. So kam nach dem Platzen
der Tech-Blase mit dem Rohstoff-Boom eine Phase der
Schwellenländer. Diese endete mit der Finanzkrise und
läutete den aktuellen US-Zyklus ein, der nun in eine
"asiatische Dekade" überzugehen scheint. So hat die
erfolgreichere Bekämpfung der Pandemie den Konjunktur-
zyklus insbesondere in China vom Rest der Welt
entkoppelt. Auch mussten die Zentralbanken in der
Region eine weniger expansive Geldpolitik verfolgen.
Und mit dem jüngst verabschiedeten RCEP-Abkommen wird
die Wirtschaftskraft der Region weiter gestärkt und
die Abhängigkeit vom globalen Wirtschaftszyklus
zukünftig reduziert. Ein aktuelles Beispiel für den
starken Binnenkonsum Chinas ist der "Singles Day"
am 11. November: Die Umsätze an diesem Tag lagen erneut
auf Rekordniveau und übertrafen das kumulierte Volumen
von Black Friday, Cyber Monday, Prime Day und
Thanksgiving-Wochenende in den USA um fast 50 Prozent.
Auch der langfristige Kapitalmarktausblick von
J.P. Morgan Asset Management, Long-Term Capital Market
Assumptions 2021, belegt diesen langfristigen
strukturellen Trend des höheren Wachstums in den
Schwellenländern: "Wir erwarten für die nächsten zehn
bis 15 Jahre eine Überschussrendite von mehr als zwei
Prozent pro Jahr gegenüber Industrieländeraktien",
betont Tilmann Galler.
7. Credit schlägt Staatsanleihen
Auf den Anleihenmärkten hat die Pandemie tiefere Spuren
hinterlassen. Die Leitzinsen und die Staatsanleihen-
renditen sind weltweit auf das tiefste Niveau der
Nachkriegszeit gefallen. Dieses Wegbrechen der
ordentlichen Erträge ist für Anleger im Niedrigzinsumfeld
ein großes Problem. In den schwankungsreichen Monaten
zeigte sich zudem im Euroraum, dass vermeintlich sichere
Staatsanleihen aufgrund der niedrigen Verzinsung auch
weniger Schutz gegen Schwankungen boten als beispielsweise
US-Treasuries. Mittel- bis langfristig lässt sich mit
ihnen kaum Kapitalerhalt erreichen, geschweige denn
Inflationsschutz.
Um die Investitionsziele zu erreichen ist es nach Analyse
von Tilmann Galler im nächsten Jahr sinnvoll, andere
Anleihensegmente zu berücksichtigen, beispielsweise
Unternehmensanleihen. "Es mag zu einem Anstieg bei den
Ausfällen kommen, aber die verbesserten Konjunkturaussichten
und die Rettungsprogramme werden dafür sorgen, dass es bei
mittleren und größeren Unternehmen wohl weniger Insolvenzen
als bei einer Rezession üblich geben dürfte", konstatiert
der Experte. Staaten und Notenbanken seien momentan bereit,
sehr viele Risiken zu übernehmen. Vor diesem Hintergrund
seien die nur moderaten Risikoprämien weiterhin attraktiv,
zumal Cash und Staatsanleihen nicht mehr allzu viel
Potenzial böten.
Auch Lokalwährungsanleihen sind nach Einschätzung von
Tilmann Galler eine interessante Alternative, und auch
hier steche China positiv heraus: "Die Öffnung des
15 Billionen US-Dollar großen lokalen Renminbi-Anleihen-
markts für Ausländer bietet die Möglichkeit für
niedrigzinsgeschädigte Anleger, in Renditen von über
3 Prozent zu investieren. Ein weiterer Vorteil ist eine
relativ niedrige Korrelation sowohl zu den Anleihen der
Industrieländer, als auch zu den Aktienmärkten, die hilft,
das Risiko-Rendite-Profil des Portfolios zu verbessern",
sagt Galler.
8. Kurs-Gewinn-Verhältnisse gehen zurück
Kapitalmarktstratege Tilmann Galler erwartet für 2021
eine KGV-Kontraktion. Zwar sollten sich die Gewinne der
Unternehmen im Zeitverlauf erholen. Aber das aktuelle
Bewertungsniveau sei bereits recht "sportlich". So dürften
die Kursgewinne moderater ausfallen als die bisher
erwartete Steigerungsrate der Unternehmensgewinne. Dennoch
blieben Aktien auch im kommenden Jahr etwas attraktiver
als Anleihen.
9. Substanz (Value) schlägt Wachstum (Growth)
Value-Anleger hatten es seit der Finanzkrise nicht leicht
und eine der großen Fragen der Anleger ist schon seit
langem, wann es zur lange erwarteten Stilrotation kommt.
In diesem Jahr hat die Pandemie die Bewertungsdivergenz
der Sektoren zunächst noch weiter verstärkt und klassischen
Growth-Branchen wie Technologie und Online-Handel zu einer
Sonderkonjunktur verholfen. Doch seitdem am 9. November
die Hoffnung auf einen bald verfügbaren Impfstoff - und
damit ein absehbares Ende der Pandemie - besteht, lässt
sich auch eine Erholungsrally bei den Substanzwerten
beobachten. Mit der weiteren Normalisierung der Wirtschaft
sollten diese einiges ihrer verlorenen Performance gegenüber
den Wachstumswerten aufholen und sich die Bewertungsschere
schließen.
10. ESG-Trend in Europa beschleunigt sich
Der Trend zur Nachhaltigkeit gewinnt auch für Investoren
immer mehr an Relevanz. Nachdem die Bekämpfung des
Klimawandels zunächst nur für Europa eine Priorität zu
sein schien, haben europäische Entscheidungsträger die
Führungsrolle übernommen: Die EU hat sich ambitioniertere
Ziele zur CO2-Reduzierung gesteckt und bei deren Verfolgung
größere Fortschritte erzielt als andere Regionen der Welt.
Darüber hinaus hat sie ihre Bemühungen im Jahr 2020 mit der
Zusage der Kommission zur Steigerung von Investitionen im
Rahmen des sogenannten "Green Deal" und zur Aufwendung von
30 Prozent des Wiederaufbaufonds der EU für grüne Initiativen
investiert. "Mit Blick auf das Jahr 2021 lässt sich nun eine
Zunahme der globalen Bemühungen zur Bekämpfung des
Klimawandels beobachten, die bei der 26. UN-Klimakonferenz
(COP26) im November 2021 in Glasgow formalisiert werden
könnte", so Tilmann Gallers Erwartung. "Dies sollte
weitreichende Auswirkungen darauf haben, wie wir leben,
produzieren und konsumieren - und somit auch auf das
Kapitalmarktumfeld."
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Quelle: Investmentfonds.de
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