Investmentfonds.de
20.10.2021:
J.P. Morgan AM: 3 Gründe, warum es in China nicht zu einer Finanzkrise kommen sollte
Köln, den 20.10.2021 (Investmentfonds.de) -
Tilmann Galler, Kapitalmarktstratege bei
J.P. Morgan Asset Management in Frankfurt
3 Gründe, warum es in China nicht
zu einer Finanzkrise kommen sollte
- Rasantes Wachstum des chinesischen
Immobilienmarkts hat zu schärferer
Regulierung geführt
- Die Risiken von Evergrande sind für
das Finanzsystem beherrschbar
- Volatilität am chinesischen Aktienmarkt
schafft Opportunitäten für langfristig
orientierte Investoren
In diesem Jahr mussten Anleger in China bereits
zahlreiche Hiobsbotschaften verkraften:
Staatliche Regulierungsmaßnahmen und eine
nachlassende Dynamik im Wirtschaftswachstum
schickten den chinesischen Aktienmarkt seit
Mitte Februar auf Talfahrt. Der MSCI China hat
von seinem Allzeithoch bis Ende September rund
30 Prozent an Wert verloren. In diesem schon
negativen Umfeld schürten die Nachrichten über
die finanziellen Probleme eines der größten
Bauträger des Landes Ängste, dass China am
Rande einer großen Finanzkrise stehen könnte.
Nach Ansicht von Tilmann Galler, sprechen
jedoch verschiedene Gründe dagegen, dass sich
aus der Evergrande-Krise eine Finanzkrise
entwickeln könnte. Anleger müssten sich
allerdings darauf einstellen, dass die Unruhe
am chinesischen Aktienmarkt in den nächsten
Monaten weiter anhalten könnte.
Übertreibungen am chinesischen Immobilienmarkt
"Das rasante Wachstum des chinesischen Immobilienmarktes
hat schon seit einigen Jahren den Argwohn von Investoren
befördert", stellt Tilmann Galler fest. Die jährlichen
Investitionen in den Wohnungsbau der letzten zehn Jahre
beliefen sich durchschnittlich auf knapp zehn Prozent
des Bruttoinlandsprodukts (BIP). Im Vergleich dazu mutet
nach Analyse des Marktexperten das Investitionsniveau
der USA am Höhepunkt der Immobilienblase im Jahre 2005
mit sechs Prozent bescheiden an. Was das Preisniveau
betrifft gehören chinesische Städte heute zu den
teuersten der Welt: Der durchschnittliche Wohnungspreis
in Shanghai beträgt das 33-fache des jährlichen
verfügbaren Median-Familieneinkommens, während das
Preis-Einkommensverhältnis in München beim 15-fachen
liegt. Das hohe Preis-Einkommensverhältnis müsse man
nach Einschätzung von Tilmann Galler dahingehend
relativieren, dass die Steigerungsraten des verfügbaren
Einkommens mit über 8 Prozent pro Jahr in China jedoch
viel höher sind als in Deutschland.
Schärfere Regulierung und restriktivere
Kreditvergabe als Folge
Die Entwicklungen und Übertreibungen am Immobilienmarkt
haben die Regierung demnach dazu bewogen, dem Sektor
die regulatorischen Zügel anzulegen, um die wachsende
Verschuldung zu bremsen. "Seit Jahresanfang haben
zusätzlich die Banken die expansive Kreditvergabe zur
Bekämpfung der Pandemie beendet, um die zukünftige
makroökonomische Stabilität Chinas nicht zu gefährden.
Die Notwendigkeit, Verbindlichkeiten zu reduzieren,
verbunden mit dem Mangel an Refinanzierungsmöglichkeiten,
haben vor allen den Bauträger Evergrande mit
Gesamtverbindlichkeiten von 300 Milliarden USD in ernste
Schwierigkeiten gebracht", erklärt Galler.
Selbst wenn die absolute Zahl der Verbindlichkeiten sehr
hoch erscheine, ist sie aus Sicht von Ökonom Galler im
Verhältnis zum BIP Chinas relativ klein. Ähnlich sei das
auch im Verhältnis zu den ausstehenden Krediten der Banken
im Volumen von 30 Billionen US-Dollar. "Isoliert
betrachtet ist bei einem Zusammenbruch von Evergrande der
Schock für das Finanzsystem deshalb eher moderat.
Die Risikolage ist aber eine andere, sollte sich die
Krise auf den ganzen Sektor ausbreiten. Dann könnte die
Höhe der Verbindlichkeiten der gesamten Bauträgerbranche
von 39 Prozent des BIP eine Finanzkrise auszulösen",
sagt Galler.
Chinesische Regierung hat es in der Hand, eine
"harte Landung" zu verhindern
Drei Argumente sprächen jedoch gegen das Auslösen einer
Finanzkrise. Erstens sei Evergrande nicht repräsentativ
für die Branche. "Kaum ein anderes Unternehmen hat in
den letzten Jahren so aggressiv expandiert und damit
so risikoreich agiert. Die Verbindlichkeiten sind von
2010 bis 2020 um das 25-fache gestiegen. In der Branche
der Bauträger insgesamt hingegen nur um das 6-fache",
stellt Tilmann Galler fest. Zweitens hätten die großen
chinesischen Banken durch den maximalen Beleihungssatz
von 60 Prozent beim Immobilienkauf einen ordentlichen
Bewertungspuffer gegen fallende Immobilienpreise.
Zusätzlich ist ihr aktuelles Kreditbuch mit 1,8 Prozent
vom Kreditvolumen nur moderat durch notleidende Kredite
belastet. Entsprechend sollten die Banken in der Lage
sein, auch einen größeren Schock aus dem Immobilienmarkt
zu absorbieren. Drittens dürfte die Regierung einen
finanziellen Schutzwall um die angeschlagenen
Immobilienentwickler errichten, um im Fall von einer
Pleite die negativen Folgen für betroffene Wohnungskäufer,
Bau- und Handwerksunternehmen und Banken zu reduzieren
und damit eine "harte Landung" zu verhindern.
Für Anleger stehen nach Meinung von Tilmann Galler
allerdings weiterhin schwankungsreiche Zeiten an:
"Bis sich die Lage in diesem für die chinesische
Wirtschaft so wichtigen Sektor wieder beruhigt hat,
dürfte in den kommenden Monaten noch die eine oder
andere unerfreuliche Nachricht für Unruhe an den
Aktienmärkten sorgen. Doch auch wenn der ökonomische
Riese China momentan wankt - fallen wird er nach unserer
Ansicht nicht“, ist Galler überzeugt. Damit hätten nach
den Kursverlusten der vergangenen Monate chinesische
Aktien wieder an Attraktivität gewonnen.
"Dass Immobilienkrisen für Anleger auch gute
Einstiegszeitpunkte sein können, hat uns schon die
Finanzkrise 2008 gezeigt. Die langfristigen strukturellen
Treiber des asiatischen Jahrzehnts wie etwa die stark
wachsende Mittelschicht, aber auch das Etablieren
regionaler Freihandelszonen, bleiben weiterhin
ungebrochen", so das Fazit des Kapitalmarktexperten.
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Quelle: Investmentfonds.de
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