Investmentfonds.de
02.11.2021:
Euroswitch: Börsenfieber und aussterbende Falken
Köln, den 02.11.2021 (Investmentfonds.de) -
Thomas Böckelmann, der leitende Portfoliomanager der
Vermögensmanagement Euroswitch
Börsenfieber und aussterbende Falken
Mit Spannung wurde der Beginn der Berichtssaison der
Unternehmen erwartet - insbesondere deren Aussagen zu
Lieferkettenstörungen und Inflation sowie deren
Auswirkungen auf die Ergebnisse. Stand heute hat etwa
ein Drittel der Unternehmen berichtet und die hohen
Markterwartungen an Umsatz- und Gewinnentwicklung
bislang übererfüllt. Nicht nur, dass der Aktienmarkt
bereits im Vorfeld angetrieben durch hohe Erwartungen
gestiegen ist - positive Überraschungen führen nochmals
zu signifikanten Steigerungen bei Einzeltiteln.
"Der Aktienmarkt und seine fiebrigen Teilnehmer sind aktuell
gefangen in einer nahezu perfekten Vorstellungswelt von nur
temporären Störungen des Langfristszenarios aus niedriger
Inflation, niedrigen Zinsen und konstruktiven Wachstums in
der Welt", warnt Thomas Böckelmann, der leitende
Portfoliomanager der Vermögensmanagement Euroswitch.
Mit durchschnittlich +5% in den ersten zwei Wochen seit Beginn
der Berichtssaison verzeichnet der US-Aktienmarkt den
deutlichsten Anstieg seit mehr als 20 Jahren in Folge guter
Unternehmenszahlen. Dabei wird durchaus selektiert - Unternehmen,
die auch nur leicht die Erwartungen verfehlen oder Andeutungen
zu einem durch Lieferketten oder Inflation herausfordernden
Umfeld machen, werden schnell durch Kursverluste abgestraft.
Übertreibungen in einigen Anlageklassen sind dabei nicht zu
übersehen. Politik und Notenbanken sind aber sehr bemüht,
dieses Szenario zu stützen. "Strukturelle Risiken aus sich
wegen der Geopolitik ändernden Lieferketten und steigender
Inflation in Grundversorgungsbereichen werden konsequent
ignoriert, jüngst von der Europäischen Zentralbank EZB sogar
als Panikmache beschrieben. So wünschenswert die temporäre
Charakteristik jüngster Fehlentwicklungen ist, so unsicher
bleiben die Entwicklungen in den kommenden Monaten“,
so Böckelmann.
Saubere Preiserhöhungsspiralen
Ein Blick auf den Energiemarkt offenbart die Problematik.
"Eine in weiten Teilen naive und dilettantische Energiepolitik
hat mit zu Preissteigerungen geführt, die erst jetzt so richtig
bei den Konsumenten ankommen und zu weiteren Preiserhöhungs-
spiralen führen können", sagt der Finanzexperte. So haben
bislang berichtende Unternehmen verkündet, durchschnittlich mehr
als die Hälfte der Preissteigerungen weitergeben zu wollen. Die
Ursachen für die Preisanstiege sind mannigfaltig. Einigkeit
besteht aber unter den meisten Volkswirten in der Aussage, dass
vor allem Unterinvestitionen im Energie- und Rohstoffsektor dafür
verantwortlich sind. "Diese sind leider auch Folge wegen
politischer Motive falsch allokierter Gelder", findet Böckelmann.
So wird Investoren wie Banken nahegelegt, Gelder klimafreundlich
anzulegen. Dabei wird übersehen, dass aber gerade die
"schmutzigen" Sektoren Geld benötigen, um die Grundversorgung zu
sichern und gleichzeitig in technischen Fortschritt zu investieren,
um "sauberer" zu werden. "Die aktuelle Übergangsphase im oftmals
stockenden Kampf gegen den Klimawandel sollte pragmatischer
gestaltet werden, um strukturelle Schäden in der Wirtschaft und
finanzielle Belastungen zu minimieren", führt Böckelmann aus.
Schottische Impulse und die Frage nach Finanzierungen
Dem Investmentexperten zufolge dürfte die Diskussion über eine
Wiederbelebung der Kernkraft in einer vielerlei Hinsicht
richtungssuchenden EU daher sehr spannend werden. Die am
Wochenende begonnene Weltklimakonferenz in Glasgow setzt
hoffentlich neue Impulse in Richtung mehr Investitionen
und vor allem Technologieoffenheit. So bleibt Ziel Nr. 1
der 17 Nachhaltigkeitsziele der Vereinten Nationen
unverändert die Bekämpfung der Armut. "Weltweit steigende
Energie- und Rohstoffpreise in Folge des Kampfes gegen den
Klimawandel mag bei einigen westlichen Politikern wünschenswert
sein, führt aber zu einem Zielkonflikt", ist Böckelmann überzeugt.
Die erforderlichen Investitionsvolumina angesichts der globalen
Herausforderungen stellen die Frage nach deren Finanzierung.
"Die Begehrlichkeiten in der Politik sind weltweit schier
unbegrenzt, zumal wenig Vertrauen in die private Wirtschaft als
Problemlöser besteht. Vieles spricht dafür, trotz - hoffentlich
nur temporär - steigender Inflation weiterhin niedrige Zinsen
mit der Gelddruckmaschine zu kombinieren, das Wirken von Politik
und eigentlich unabhängigen Notenbanken noch enger zu verzahnen",
so Böckelmann.
Taubenschlag statt Falknerei
Dabei werden die sogenannten Falken aus mehr und mehr Gremien
verdrängt. In der EZB tritt mit Bundesbankpräsident Jens Weidmann
zum Jahresende einer der letzten wenigen Falken zurück. Auch wenn
private Gründe die Ursache sein sollen, so kommt der Rücktritt
zur Unzeit. "Gerade bei einer drohenden weiteren Ausweitung von
staatlicher Verschuldung und überbordender Geldpolitik wären
prominente Stimmen der ökonomischen Vernunft wichtig, die die
kontroverse Debatte lebhaft halten. Ohne Mahner wie Jens Weidmann
droht sich eine EZB in der Alternativlosigkeit des Gelddruckens
zu verlieren", ist Böckelmann überzeugt. Das Phänomen aussterbender
Falken ist nicht nur europäisch. Auch international wird die Kritik
an Maßnahmen, die mit Schulden Probleme lösen will, immer leiser.
Schwankend ins Jahresende
Auch die letzten Wochen des Jahres dürften an den Kapitalmärkten
von größerer Schwankungsintensität geprägt sein, das Prinzip
Hoffnung immer wieder auf den Prüfstand gestellt werden.
"Wir halten vorerst an unserer strategischen Richtung fest, zumal
sich in diesem Umfeld immer wieder Opportunitäten ergeben werden.
Unterm Strich rechnen wir mit erhöhter Handelsaktivität je nach
Nachrichtenlage", sagt Böckelmann abschließend.
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Quelle: Investmentfonds.de
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