Investmentfonds.de
03.11.2021:
J.P. Morgan AM: Nach V-förmiger Erholung folgt nun die mittlere Zyklusphase
Köln, den 03.11.2021 (Investmentfonds.de) -
Tilmann Galler, Kapitalmarktstratege bei J.P. Morgan
Asset Management in Frankfurt
Nach V-förmiger Erholung folgt nun die mittlere Zyklusphase
- es geht weiter aufwärts, aber der Weg wird steiniger
- Gute Verbraucherstimmung, investierfreudige Unternehmen
- doch strukturelle Risiken
- Inflation: gekommen, um zu bleiben?
- Aktienmarkt: Druck auf Margen nimmt zu - Valuewerte
attraktiver
Hohe Inflationsraten, zunehmende Angebotsengpässe und
eine nach wie vor nicht ausgestandene Pandemie:
Die Wirtschaft weltweit gerät in zunehmend schwieriges
Fahrwasser.
Nach Ansicht von Tilmann Galler, Kapitalmarktstratege bei
J.P. Morgan Asset Management in Frankfurt, zeigt ein
differenzierter Blick auf die wirtschaftlichen
Rahmenbedingungen, dass sich das Momentum für Wirtschaft
und Kapitalmarkt allmählich verändert. Auf der anderen
Seite stellt der Marktexperte bei der Vorstellung des
Guide to the Markets für das 4. Quartal 2021 fest, dass
Industrie und Verbraucher noch in einer guten
Ausgangslage seien. Insgesamt betrachtet könne man
sehen, dass die V-förmige Erholung nun in einen Mittzyklus
übergehe. Die defensive Stärkung des Portfolios verbunden
mit einer größeren Diversifizierung über verschiedene
Anlageklassen hinweg sei nun allerdings besonders wichtig.
Gute Verbraucherstimmung, investierfreudige Unternehmen
- doch strukturelle Risiken
Die Verbraucher stellen nach Ansicht von Tilmann Galler
die wichtigste Komponente der Wirtschaft dar - und hier
zeige sich nach wie vor eine gute Stimmung. Verbraucher
weltweit verfügten dank staatlicher Transfers und
Konsumverzicht in den Lockdowns immer noch über
erhebliche Überschussersparnisse. In vielen Bereichen
habe sich nun eine große Nachfrage aufgestaut.
Gleichzeitig zeigten sich viele Unternehmen sehr
investierfreudig. Dies beflügele das weitere
Wirtschaftswachstum. Auf der anderen Seite kämen jedoch
strukturelle Risiken hinzu. Denn verbunden mit der
Investierfreude der Unternehmen und den Lockerungsmaßnahmen
steige der Bedarf an Arbeitskräften. Die Zahl der freien
Stellen habe mittlerweile stark zugenommen, doch der
Arbeitskräftemangel mache sich nun negativ bemerkbar und
könnte das Wachstum bremsen.
Auch deuten aktuelle Zahlen etwa von Einkaufsmanagerindizes
darauf hin, dass sich gerade im Dienstleistungssektor die
Erholung verzögert. "Das zuletzt positive Sentiment beginnt
sich abzukühlen", erklärt Ökonom Galler. Eine wesentliche
Rolle dabei spielt nach Einschätzung von Tilmann Galler
die - trotz aller Impffortschritte - sich wieder
verschlechternde Infektionslage in der Pandemie.
Inflation: gekommen, um zu bleiben?
Die starke Nachfrage nach Gütern verbunden mit Angebots-
und Lieferengpässen, aber auch die Bereitschaft von
Unternehmen, höhere Löhne als Anreiz für Mitarbeiter
zu bezahlen, hat die Inflationsraten weltweit in die
Höhe getrieben.
Als Beispiel nennt Galler die Automobilbranche:
"Beim Autokauf waren früher hohe Rabatte gang und gäbe.
Dies hat sich stark verändert. Aufgrund der großen Nachfrage
sehen Autohändler nicht die Notwendigkeit, auf
Rabattforderungen der Kunden wie im früheren Umfang
einzugehen", sagt Galler. Erst im zweiten Halbjahr 2022
könnte sich die Situation im Automobilbereich wieder
entspannen, weil bis dahin die Liefermengen wieder
deutlich höher liegen könnten.
Die Strategie der Notenbanken jedoch heißt einstweilen:
Abwarten. Einzig die Bank of England dürfte nach Einschätzung
von Tilmann Galler aufgrund strukturell erhöhter
Inflationsrisiken schon kurzfristiger Handlungsbedarf
sehen und an der Zinsschraube nach oben drehen. Weder
bei der EZB noch bei der US-Notenbank Fed sieht Galler
bislang Ambitionen, Zinsen zu erhöhen. Dabei spiele auch
ein politischer Aspekt eine Rolle: "Im November 2022 stehen
in den USA die Kongresswahlen an. Die Fed dürfte nicht gewillt
sein, sich mit einer Zinserhöhung vor Ende 2022 politisch
instrumentalisieren zu lassen. Wir rechnen daher erst Anfang
2023 mit einem Zinsschritt. Daneben dürfte die Reduzierung von
Liquidität aber weiter auf der Agenda bleiben", erklärt der
Kapitalmarktexperte.
Aktienmarkt: Druck auf Margen nimmt zu -
Valuewerte attraktiver
Für Unternehmen könnte aus Sicht von Tilmann Galler das
Thema Inflation durchaus noch weitere Konsequenzen mit
sich bringen. "Grundsätzlich ist Inflation für Unternehmen
nichts Negatives. Allerdings wird es bei höheren Inflationsraten
zunehmend wichtig, dass Unternehmen Preissteigerungen, die sie
selbst unmittelbar betreffen, auch an Abnehmer weitergeben
können. Aktuell zeigt sich, dass Kunden allerdings durchaus
preissensibel sind und nicht jede Steigerung, etwa beim Auto-
oder Hauskauf, mitmachen", sagt Galler. Durch die Notwendigkeit,
höhere Löhne zu bezahlen, um vorhandene Arbeitskräfte zu binden
oder neue zu gewinnen, komme weiterer Preisdruck hinzu.
"Wir rechnen für das nächste Jahr immer noch mit einem globalen
Wirtschaftswachstum von ca. 4 Prozent. Doch die Kostenseite tritt
bei Unternehmen stärker zutage, wodurch das Gewinnmomentum bei
vielen Unternehmen nachlassen dürfte", ergänzt der Experte.
Die Bewertungen - bemessen am Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV) -
seien jedoch insgesamt nicht als exzessiv zu bezeichnen.
Einzig bei den großkapitalisierten US-Wachstumsunternehmen
sei eine gewisse Übertreibung in Form von erheblichen
Bewertungsprämien zu erkennen. "Angesichts des aktuellen
Zinsumfelds bieten Aktien weiterhin stabiles Renditepotenzial.
Vor allem Werte aus dem Value-Sektor dürften künftig gute
Dividenden liefern", sagt Tilmann Galler.
Generell werde der Schutz in rauen Zeiten wichtiger:
Die Volatilität dürfte zukünftig zunehmen und die Wachstumsraten
nehmen ab. "Um die defensive Seite im Portfolio zu stärken,
halten wir etwa Anleihen in China und anderen asiatischen Ländern
aus dem Investment-Grade-Segment für geeignet, zumal diese nicht
nur rund 3 Prozent rentieren, sondern bisher auch eine niedrige
Korrelation mit dem Aktienmarkt aufweisen. Die gute Ertragslage
der Unternehmen favorisiert weiterhin High-Yield Die relativ
kurzen Laufzeiten von Hochzinsanleihen und die hohen Zinszahlungen
sollten im aktuellen Umfeld besser vor steigenden Zinsen schützen",
so Ökonom Galler. Auch Wandelanleihen seien attraktiv, ebenso
alternative Anlagen wie Makrostrategien, die weniger abhängig
von der Marktentwicklung sind.
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Quelle: Investmentfonds.de
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