Investmentfonds.de
14.12.2021:
Spectrum Markets: Anstehende Zentralbankentscheidungen im Wettlauf gegen Inflation
Köln, den 14.12.2021 (Investmentfonds.de) -
Tobias Stöhr, Börsenexperte bei Spectrum Markets
Anstehende Zentralbankentscheidungen im Wettlauf gegen Inflation
"Von Zinserhöhungen ist Europa weit entfernt"
"Mit Ausscheiden von Bundesbankpräsident Weidmann verliert der
EZB-Rat eine mahnende Stimme gegen die zunehmenden Inflations-
risiken. EZB-Präsidentin Christine Lagarde muss sich entscheiden,
ob sie Weidmanns hawkisher Linie folgen und damit das
Pandemie-Notfallankaufprogramm PEPP zurückfahren, oder ob sie
lieber der Mehrheit im EZB-Rat folgt und weiter am PEPP festhalten
wird. So oder so: Von Zinserhöhungen ist Europa weit entfernt.
Damit wird sich auch die Gefahr einer weiter zunehmenden Inflation
verfestigen und könnte den Euro in starke Bedrängnis bringen.
In den USA scheint man die Inflationssorgen ernster zu nehmen.
Auch hier stehen Anleihenankaufprogramme zunächst möglichen
Zinserhöhungen im Weg. Doch im Unterschied zur EZB ist man gewillt,
das Notfallprogramm schneller zu beenden, um den Weg frei für erste
Zinserhöhungen zu machen. Da aber andererseits die Corona-Sorgen
nach wie vor nicht aus dem Weg geräumt sind, besteht die Gefahr,
dass die USA ins offene Messer läuft und das Pflänzchen der Konjunktur
im Keim erstickt wird.
Ganz anders sieht es in Norwegen aus: Die norwegische Zentralbank
hat eine deutlich optimistischere Sichtweise auf die Wirtschaft.
Der bereits angehobene Zins wird daher vermutlich ein weiteres Mal
nach oben korrigiert werden können. Die norwegische Krone rückt
damit auch in das Interesse vieler Anleger.
Auch in Großbritannien treffen sich die Gremien der Bank of England.
In London scheint man die Entwicklungen in Frankfurt und Washington
genau im Blick zu haben. Ursprünglich hatte die Bank of England an
der hawkishen Linie der Fed Gefallen gefunden, denn auch Großbritannien
kämpft mit steigenden Inflationsraten, weshalb die Zentralbanker mit
Zinserhöhungen liebäugeln. Doch die jüngsten wirtschaftlichen Rückschläge
vor dem Hintergrund von Omikron und den anhaltenden Personal- und
Lieferengpässen mahnen zur Vorsicht. Eine allzu voreilige Zinserhöhung
könnte eine Stagflation heraufbeschwören. Das muss die Bank of England
unbedingt vermeiden.“
EZB: Vereinfachung ist das Gebot der Stunde
Dr. Andreas Billmeier, europäischer Volkswirt bei
Western Asset Management, Teil von Franklin Templeton
"Wir glauben, dass Vereinfachung das Gebot der Stunde für die EZB
ist - die Programme zum Ankauf von Vermögenswerten fallen weltweit schnell
in Ungnade und die Inflationsdynamik wird das Gespräch auf absehbare Zeit
dominieren.
Für die neuen Prognosen erwarten wir, dass die EZB die Gesamtinflations-
prognose für das nächste Jahr deutlich auf über 2 Prozent anheben wird,
was die Kommunikation einer geduldigen Haltung erschwert. In den letzten
Wochen haben mehrere EZB-Sprecher bestätigt, dass die Zentralbank das
PEPP wie geplant Ende März 2022 beenden will, ungeachtet der neuen und
immer noch steigenden Unsicherheiten rund um die Omikron-Variante.
Wir glauben jedoch, dass die EZB die Ankäufe von Vermögenswerten nicht
von der derzeitigen kumulativen Rate von rund 100 Mrd. pro Monat für PEPP
und APP auf die derzeitige Rate des APP von nur 20 Mrd. zwischen März und
April nächsten Jahres reduzieren will, da diese rasche Reduzierung der
Liquiditätsbereitstellung erhebliche Turbulenzen in den europäischen
Renditekurven und eine deutliche Verschärfung der Finanzierungsbedingungen
auslösen könnte.
Daher könnte die EZB entweder ihre Käufe im Rahmen des PEPP im Laufe des
ersten Quartals 2022 verringern (und möglicherweise die Anleihekäufe im
Rahmen des APP erhöhen) oder nach dem ersten Quartal mit einem allmählichen
Auslaufen ihrer Käufe beginnen. Wenn der letztere Weg gewählt wird, muss
die EZB zwischen der Einführung eines weiteren begrenzten Kaufprogramms
zusätzlich zum APP - aber flexibler als dieses - oder einer einfachen
Erhöhung des APP für Q2 von der aktuellen Rate auf etwa 40-50 Mrd. wählen.
Wir glauben, dass die Hürde für die Schaffung eines weiteren Ankaufs-
programms im Zusammenhang mit der Beendigung eines anderen Programms (PEPP)
sehr hoch ist und erwarten, dass die EZB zumindest für das zweite Quartal
höhere Ankäufe im Rahmen des APP tätigen wird. Wir gehen davon aus, dass
griechische Schuldtitel für Käufe im Rahmen des APP in Frage kommen werden.
Wir sind besorgt, dass ein Versuch des EZB-Rats, einige der Entscheidungen
über die Höhe der Käufe im 2. Quartal auf die EZB-Sitzung im Februar zu
verschieben, zu erheblichen Turbulenzen an den traditionell illiquiden
Märkten zum Jahresende führen könnte.
Wir gehen davon aus, dass die europäischen Zinssätze bei so gut wie jedem
Ergebnis steigen werden, sobald sich die technischen Bewegungen zum
Jahresende verflüchtigt haben, wobei die Kurven im Jahr 2022 wahrscheinlich
steiler werden."
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Quelle: Investmentfonds.de
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