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29.03.2022:
Janus Henderson Investors | Der Dominoeffekt: Russland, Ukraine und die anderen Emerging Markets
Köln, den 29.03.2022 (Investmentfonds.de) -
Daniel J. Graña, Hervé Biancotto und Matthew Culley,
Portfoliomanager bei Janus Henderson Investors
Der Dominoeffekt: Russland, Ukraine und die anderen Emerging Markets
- Versorgungsengpässe von Rohstoffen und Ressourcen aus Russland und
Ukraine bedingen unter anderem steigende Preise und steigende Importkosten
- Dominoeffekt: Innovationsschub oder -hemmnis für Schwellenländer?
- Konflikt folgenschwer für Dekarbonisierung
Russland wurde zwar von den internationalen Märkten ausgeschlossen, aber seine
Funktion als Lieferant von Metallen, Mineralien, Agrarrohstoffen und Energie
lässt sich nicht so einfach aufgeben. In vielen Schwellenländern löst die
Inflation einen Dominoeffekt aus, der sich auf die Realeinkommen der Verbraucher,
die Margen der Unternehmen in der Industrie, die Leistungsfähigkeit der
Volkswirtschaften mit ungünstigen Handelsbilanzen (der Importwert übersteigt
die Exporte) und sogar auf Dekarbonisierungsmaßnahmen auswirkt. Ein Beispiel
für eine beeinträchtigte Lieferkette sind Erdgas und Mineralien, die zur
Herstellung von Kunstdünger verwendet werden: Hier könnten Engpässe oder
Preiserhöhungen die Erntequalität zur Ernährung der Bevölkerung gefährden.
Sowohl Russland als auch die Ukraine haben die Ausfuhr einiger Düngemittel
verboten, - angeblich zur Deckung des heimischen Bedarfs. Russland zählt bei
allen drei Düngemitteltypen (Stickstoff, Kalium und Schwefel) zu den beiden
größten Exporteuren[1] weltweit. Auf Düngemittel entfallen rund 2 % der
russischen Exporteinnahmen (einschließlich Weißrussland), aber 29 % des
gesamten Welthandels. Ein drastischer Preisanstieg ist auch bei
Nahrungsmitteln zu beobachten, bei denen Russland ein wichtiger Exporteur ist,
wie z. B. Weizen, Mais, Gerste und Sonnenblumenöl (zusammen mit der Ukraine,
die die Hälfte der Weltproduktion erzeugt[2]).
Dadurch steigen vor allem die Importkosten der Schwellenländer und einiger
weniger Industrieländer, die von Weizen- und Düngemittelimporten besonders
abhängig sind. Nahrungsmittel und Energie wiegen im Warenkorb des Verbraucher-
preisindex (VPI) für Schwellenländer mehr; bei den ärmeren Bevölkerungsschichten
ist diese Tendenz noch ausgeprägter. In Volkswirtschaften mit hohem Einkommen
machen Lebensmittel in der Regel weniger als 15 % der Preisindizes aus, während
dies in Schwellenländern bei über 30 % der Haushaltsausgaben liegen kann[3].
Diese höhere Inflation wird die Kaufkraft der Verbraucher in Schwellenländern
schwächen, und Unternehmen werden nur begrenzt die starken Preissteigerungen
weitergeben können. Dies hat sich bereits in einer gewissen Performance-Schwäche
bei den Unternehmen der Basiskonsumgüterbranche gezeigt. Unserer Ansicht nach
könnte dies zu einem erheblichen Gewinnrückgang bei diesen Unternehmen führen.
Darüber hinaus führt dies zu einem Problem der Ernährungssicherheit für ärmere
und Rohstoff-Nettoimporteure unter den Schwellenländern.
Länder oder Waren ersetzen?
Rohstoff-Nettoexporteure können den hohen Preisen profitieren und ihre reichen
Rohstoffvorräte nutzen, um den weltweiten Bedarf dort zu decken, wo er
beeinträchtigt ist. So stellt Russland beispielsweise 43 % des weltweiten
Palladiums her, das vor allem in Autokatalysatoren verwendet wird. Der
zweitgrößte Lieferant dieses Metalls[4] ist Südafrika (Grafik). Russland ist auch
der drittgrößte Produzent von Nickel, das in Lithium-Ionen-Batterien für
Elektrofahrzeuge verwendet wird. Indonesien ist der führende Produzent dieses
Metalls. Die wichtigsten Erzeugerländer können ihre Produktion erhöhen, um die
Engpässe auszugleichen, während Knappheit die Substitution fördern könnte. So
könnte beispielsweise Palladium, das schon vor dem Konflikt knapp war, durch
Platin in Autos ersetzt werden. Einige Autohersteller experimentieren bereits
damit.
Grafik: Russland ist weltweit führender Palladium-Produzent
Weltweite Minenproduktion von Palladium von 2010 bis 2020, nach Ländern
(in metrischen Tonnen)Image
Quelle: Statista, 30. April 2021. *Geschätzt.
Angesichts der Kosten, die die Lieferketten belasten, und der angespannten Lage
der Verbraucher, die Preiserhöhungen nicht tragen können, werden Innovationen aus
der Not geboren. Die Analysten von Morgan Stanley schätzen, dass die Verdoppelung
des Nickelpreises die Herstellungskosten für ein Elektrofahrzeug um mehr als
2.000 US-Dollar erhöht[5]. In Verbindung mit der Knappheit und den Kosten von Lithium
experimentieren Länder wie China, die USA und Indien mit alternativen Batterie-
technologien, die kein Lithium enthalten. Andererseits gehen wir davon aus, dass
Lithium-Ionen-Batterien weiterhin dominieren werden. Kurz gesagt, Lieferengpässe
fördern die Innovation und das Wachstum von Unternehmen in Schwellenländern sowie
die Nutzung der verfügbaren Ressourcen.
Hindernisse für eine kohlenstoffarme Zukunft
Ein Innovationsbereich, der durch die steigenden Rohstoffpreise beeinträchtigt wurde,
ist der Weg zur Kohlenstoffneutralität, für die sich u. a. China, Korea und Indien
Netto-Null-Ziele gesetzt haben. Angesichts der hohen Erdöl- und Erdgaspreise - bei
denen auch Russland ein führender Exporteur ist - müssen die Länder nach Alternativen
suchen, um ihren Energiebedarf zu decken. Einige europäische Schwellenländer haben
ihre Pläne für den schrittweisen Ausstieg aus der Kohleverstromung auf Eis gelegt,
da dieser Rohstoff bereits gut erschlossen ist und zur kurzfristigen Deckung des
Bedarfs angezapft werden kann. Viele Schwellenländer verfügen von Natur aus über
diese Ressource und können von erhöhten Exporten profitieren, wie z. B. Indonesien.
Es mag zwar das von den Schwellenländern angestrebte Ziel der Kohlenstoffneutralität
nicht ändern, doch könnte es den Weg dorthin beeinflussen, da sich der Fokus von den
langfristigen Zielen auf die Energiesicherheit für das kurzfristige Wirtschafts-
wachstum verlagert.
So plant die Nationale Entwicklungs- und Reformkommission in China Berichten zufolge,
ihre Kohleförderung zu erhöhen, um die Abhängigkeit von Importen zu verringern und
Lieferengpässe zu vermeiden. Nach Angaben der Credit Suisse könnte Russland durch
Chinas Pläne drei Viertel seines Exportmarktes verlieren[6]. Offensichtlich werden die
Lieferketten und die Möglichkeiten zur Dekarbonisierung durch den Dominoeffekt des
Konflikts beeinflusst. Im Falle Chinas ist dies ein weiteres Beispiel für die
Entwicklung hin zur wirtschaftlichen Unabhängigkeit. Hier zeigen sich die Kräfte der
De-Globalisierung, da sich die Volkswirtschaften bei der Deckung ihres Bedarfs immer
mehr auf sich selbst besinnen. Das Ergebnis der Kettenreaktion ist klar, aber die
Reihenfolge der fallenden Steine weniger. Landarbeiter in indonesischen
Kohleminenstädten erleben zum Beispiel das wiedererwachte Interesse einer Mikrobank,
die ihnen Kredite gewährt. Wenn wir die Ereignisse und den Einfluss auf die
Unternehmen vor Ort genau betrachten, können wir die eindeutigen und weniger
offensichtlichen potenziellen Gewinner und Verlierer der fallenden Dominosteine
des Russland-Ukraine-Konflikts ausmachen.
Quellen
1 Quelle: MSCI, 3. März 2022.
2 Quelle: Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen (FAO),
in % der weltweiten Ausfuhren, 11. März 2022.
3 Quelle: Barclays, 11. März 2022.
4 Quelle: Statista, 21. Oktober 2021.
5 Quelle: Morgan Stanley, 8. März 2022.
6 Quelle: Credit Suisse, 15. März 2022.
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