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31.03.2022:
Insight Investment | Öl- und Gasindustrie reagiert heute anders auf steigende Preise
Köln, den 31.03.2022 (Investmentfonds.de) -
Sabrina Jacobs, Fixed Income Spezialistin bei Insight Investment
Öl- und Gasindustrie reagiert heute anders auf steigende Preise
Inflationsimpuls durch Net Zero
Der Übergang zu Netto-Null-Kohlenstoffemissionen umfasst mittlerweile Zusagen
und Verpflichtungen, die 90 Prozent der globalen Wirtschaftsleistung und
85 Prozent der Weltbevölkerung betreffen. Dass die Auswirkungen davon die
Inflation erheblich beeinflussen könnten, wird vor allem im Energiesektor
deutlich: Dessen stabile Preise waren ein entscheidender Faktor für die
gedämpfte Inflationsdynamik des vergangenen Jahrzehnts. Geht man dagegen von
einem jährlichen Anstieg der Energiepreise um vier bis fünf Prozent aus, könnte
das die Inflation durchaus anheizen.
Der Energiesektor ist entscheidend
Laut Internationaler Energieagentur (IEA) klafft eine Lücke von rund drei Billionen
Dollar zwischen den tatsächlichen Investitionen im globalen Energiesektor und den
für Net Zero erforderlichen Ausgaben. Für die Übergangsphase bedeutet das
Vorlaufkosten sowie die Notwendigkeit, heute zu investieren, um künftige Emissionen
zu senken. Deshalb schätzen wir, dass das damit verbundene Preisniveau in den
nächsten Jahren um mindestens 15 bis 25 Basispunkte pro Jahr steigt, bevor es nach
dem Übergang um 25 bis 35 Basispunkte pro Jahr sinkt.
Diese Einschätzung spiegelt unsere Erwartung wider, dass die Regierungen einen
großen Teil der Kosten der Umstellung tragen. Zumindest kurzfristig sollte das
den Effekt auf die Inflation verringern. Allerdings könnten zur Bewältigung der
hohen Schulden die Steuern steigen oder Anreize zur finanziellen Repression
zunehmen. Zudem ist es möglich, dass zusätzliche Investitionen und höhere Preise
fossiler Energien während des Übergangs den Druck auf die Preise erhöhen. In
Kombination könnte das bis 2030 einen Inflationsdruck von 40 bis 50 Basispunkten
pro Jahr erzeugen.
Fossile Energie bleibt relevant
Trotz des Übergangs in eine Welt niedriger Emissionen bleiben fossile Energien
relevant. Nur bei Kohle erwartet die IEA einen starken Rückgang. Der Ölverbrauch
sollte um das Jahr 2030 seinen Höhepunkt erreichen und dann langsam zurückgehen,
während für Erdgas ein Anstieg prognostiziert wird.
Bemerkenswert ist dabei, dass die Öl- und Gasindustrie heute offenbar anders auf
hohe Preise reagiert. Die Bohraktivitäten haben zwar zugenommen, aber angesichts
des starken Anstiegs bei Öl und Gas hätte man eine stärkere Reaktion erwartet.
Vielleicht schätzt die Branche die künftigen Preisaussichten negativer ein als
in der Vergangenheit. Einige Unternehmen könnten zudem noch von den
Preiseinbrüchen der letzten Jahre gezeichnet sein, und viele drosseln wohl das
Produktionswachstum, um ihren Kohlenstoff-Fußabdruck zu verringern.
Die schwache angebotsseitige Reaktion erhöht jedenfalls das Risiko für länger
hohe Preise fossiler Energieträger. Auch die Schwankungen der Energiepreise
dürften steigen, wenn sich die Welt vom Angebotsüberfluss der letzten fünf Jahre
entfernt. Hinzu kommt die mangelnde Zuverlässigkeit einiger erneuerbarer
Technologien, was zu mehr Nachfrage nach Ersatzquellen wie Erdgas führen kann.
Betroffene Länder
Die Anfälligkeit eines Landes für das Inflationsrisiko hängt von mehreren Faktoren
ab. Dazu zählen das Gewicht der Energiepreise im jeweiligen Inflationskorb, der
Umfang bestehender sauberer Energieerzeugung bzw. noch erforderlicher
Investitionen sowie die Höhe der Energieimporte. Unsicherheit herrscht bei der
Frage zur Akzeptanz von Kernenergie in der Zukunft. Sie ist zwar nicht erneuerbar,
aber stößt auch keinen Kohlenstoff aus.
Besonders empfindlich auf höhere Energiepreise reagieren Spanien, Thailand,
Japan und Indien, die auf Energieimporte angewiesen sind und relativ wenig
erneuerbare Energien nutzen. Kanada und Brasilien haben das geringste relative
Inflationsrisiko, die EU und die USA liegen im Mittelfeld. China ist angesichts
mangelnder Transparenz schwierig zu beurteilen.
Weitere Einflussfaktoren
Im Verkehrssektor stehen Elektrofahrzeuge im Mittelpunkt, deren höhere
Einstiegspreise und weitere Faktoren die Inflation um schätzungsweise 11 bis 15
Basispunkte antreiben, während die laufenden Kosten um drei Basispunkte pro Jahr
sinken. Wie im Energiesektor wäre die Übergangsphase mit einem Inflationseffekt
von netto rund zehn Basispunkten inflationär. Weitere Preissteigerungen könnten
entstehen, wenn Rohstoffe - insbesondere Lithium und Kobalt sowie Seltene Erden
- wegen der Nachfrage oder geopolitischer Bedenken stark steigen. Ebenfalls
inflationär wirkt die Luftfahrt: Die Ticketpreise werden in den nächsten zehn
Jahren aufgrund von Initiativen zur Verringerung der Emissionen voraussichtlich
zulegen. Und auch Lebensmittel könnten teurer werden. Die Preise für Düngemittel
sind in den letzten 18 Monaten bereits drastisch gestiegen. Da diese mitunter
mehr als ein Drittel der Kosten ausmachen, könnte das mit der Zeit stark
durchschlagen. Zudem geht ein Teil der Produktion in Biokraftstoffe, deren
Nachfrage zunimmt.
Langfristig desinflationärer Effekt
Mit der Verbreitung erneuerbarer Energien und dem technischen Fortschritt sind
deren Produktionskosten unter die fossiler Brennstoffe gefallen. Für die Zukunft
bedeutet das eine Senkung der Energiekosten um geschätzte 25 Basispunkte pro Jahr.
Zwar sind für höhere Kapazitäten erhebliche Investitionen erforderlich, aber mit
zunehmenden Anteil erneuerbarer Energien dürften auch die laufenden Kosten sinken.
Goldman Sachs geht davon aus, dass die Produktionskosten für Wind- und
Solarenergie etwa auf derzeitigem Niveau bleiben und schätzt entsprechend, dass
sich die Energierechnung eines typischen europäischen Haushalts halbieren würde.
Allerdings betragen die Investitionskosten etwa das 3,5-fache der Einsparungen.
Das deckt sich mit unserer Einschätzung, dass der Übergang erst inflationär und
dann deflationär sein wird.
Fazit
Global betrachtet sollten die inflationären Auswirkungen des Übergangs zu Net
Zero moderat positiv sein und schätzungsweise zwischen 40 und 60 Basispunkten
pro Jahr liegen. Sobald der Übergang abgeschlossen ist, dürfte es langfristig
deflationäre Effekte von etwa 35 bis 45 Basispunkten (Stand 31.12.2021) geben.
Die Energiepreise steigen während des Übergangs aufgrund der Anfangsinvestitionen
und potenziell höherer Preise für fossile Brennstoffe wahrscheinlich etwas,
bevor sie mit dem Ausbau erneuerbarer Energien sinken. Große Unsicherheit bleibt
aber, wie schnell der Übergang erfolgt und welchen Einfluss die Politik nimmt:
Kohlenstoffsteuern würden die Inflation noch erhöhen, während Subventionen sie
verringern. Und nicht zuletzt spielt auch die künftige geopolitische Dynamik
eine wichtige Rolle.
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Quelle: Investmentfonds.de
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