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29.06.2022:
BB Biotech | Biotechbranche rückt ins Blickfeld übernahmewilliger Pharmakonzerne
Köln, den 29.06.2022 (Investmentfonds.de) -
Dr. Daniel Koller, Head Investment Management Team der
BB Biotech AG
Begehrte Innovationstreiber
Treibende Kraft bei vielen neuen therapeutischen Ansätzen für
Arzneien und zugleich an den Börsen niedrig bewertet - die
Biotechbranche durchläuft eine paradoxe Entwicklungsphase.
Damit rückt sie wieder stärker ins Blickfeld von übernahme-
willigen Pharmakonzernen.
Fundamental ist die Biotechbranche so gut aufgestellt wie selten
zuvor. Einer Studie des IQVIA Institute for Human Data Science
zufolge wurden 65 Prozent aller klinischen Studien, die 2021
weltweit am Laufen waren, von kleineren Biotech-Unternehmen
durchgeführt, die vom IQVIA selber als «emerging» bezeichnet
werden. Es handelt sich dabei um Gesellschaften, deren
Jahresumsatz unter 500 Mio. US-Dollar liegt und die jährlich
weniger als USD 200 Mio. in ihre Forschungs- und Entwicklungs-
pipeline investieren.
Ein elementarer Unterschied zur Vergangenheit ist die finanzielle
Stärke der Biotechs. Immer mehr Firmen haben genug liquide Mittel
zur Verfügung, um ihre klinischen Kandidaten bis zur Marktreife
in Eigenregie zu entwickeln. Damit lösen sie sich aus der
früheren Abhängigkeit von Entwicklungs- und Marketingpartner-
schaften mit der Pharmaindustrie. Ein klares Indiz dafür ist eine
andere Kennziffer der besagten IQVIA-Studie: für 76 Prozent ihrer
Produkte stellten die «emerging» Biotechs 2021 eigene
Zulassungsanträge. Ein weiterer Pluspunkt ist, dass die
Biotechbranche der Vorreiter bei zahlreichen neuen Ansätzen wie
den Gentherapien, den zellbasierten Therapien und der
Immunonkologie ist.
Der entsprechende kurstreibende Nachrichtenfluss ist vorhanden,
denn in diesem Jahr wird vor allem in der Krebsmedizin, der
Neurologie und den seltenen genetisch bedingten Erkrankungen
eine Vielzahl von klinischen Studienergebnissen und Zulassungs-
entscheidungen erwartet. Für reichlich Nachschub ist gesorgt,
denn die Zahl der in die Studien aufgenommenen Patienten ist
wieder höher als vor der Coronapandemie. Weiter zugenommen hat
auch die Zahl der neuen Studienanträge bei der US-Behörde FDA.
Zugleich steigt der Druck auf die Pharmakonzerne, neue Wachstums-
treiber zu generieren. Die meisten Gesellschaften haben sich im
vergangenen Jahrzehnt strategisch neu aufgestellt, indem sie die
Medikamentenentwicklung auf wenige Krankheitsfelder konzentriert
haben. Konzerne wie Roche und Bristol-Myers Squibb in der
Krebsmedizin oder Novo Nordisk und Eli Lilly in der
Diabetesbehandlung sind immer noch erfolgreich. Trotzdem muss die
Pharmabranche in den nächsten Jahren Lösungen finden, um drohende
Einsatzeinbußen zu kompensieren. Schätzungen der FDA zufolge
verlieren Blockbuster mit einem Gesamtumsatz von mehr als
USD 250 Mrd. in der nächsten Dekade ihren Patentschutz.
Das aktuelle Marktumfeld spricht dafür, dass nach zwei relativ
ruhigen Jahren wieder mehr Übernahmedeals abgeschlossen werden
könnten. Auf den ersten Blick mutet es widersprüchlich an, dass
die Bewertung der meisten Biotechaktien in den letzten zwölf
Monaten deutlich gesunken ist. Der Hauptgrund dafür war und
ist die Sektorrotation vieler Investoren weg von Wachstumswerten.
In Zeiten von steigender Inflation und drohender Rezession
vollzogen die Finanzmärkte Bewertungsschnitte bei nichtprofitablen
Biotechfirmen, die noch kein Produkt auf dem Markt und zugleich
eine kapitalintensive Entwicklungspipeline haben. Für diese
Unternehmen werden die künftigen Gewinnerwartungen aufgrund der
mit steigenden Zinsen einhergehenden höheren Diskontierungssitze
niedriger bewertet. Dementsprechend werden die Kursziele reduziert.
Die Ende Mai bekanntgegebene Übernahme von Biohaven durch Pfizer
für USD 11,6 Mrd. könnte den Auftakt für weitere Akquisitionen in
diesem Jahr bilden. Dass der Pharmagigant den Biohaven-Aktionären
einen Aufschlag von 80 Prozent zum Aktienkurs vor Bekanntgabe der
Akquisition zahlt, verdeutlicht einmal mehr, dass die Interessenten
bereit sind, tief in die Tasche zu greifen, wenn die Objekte eine
wegweisende Technologie und dazu auch marktreife Produkte mit
grossem Umsatzpotenzial mitbringen.
Die Tendenz bei den Pharmafirmen dürfte dahingehen, vor allem
Biotechfirmen zu akquirieren, die für ihre ersten Produkte auf
der Basis von neuen bahnbrechenden Technologien die Marktzulassung
erhalten haben oder unmittelbar davorstehen. Dazu zählt das Gene
Editing, bei dem einzelne fehlerhafte Gensegmente geschnitten und
verändert werden. Gene können eingefügt, entfernt oder ausgeschaltet
werden und dadurch hoffentlich eine dauerhafte komplette Heilung
von genetisch bedingten Erkrankungen ermöglichen. In der zweiten
Jahreshälfte werden CRISPR Therapeutics und Vertex Pharma hierzu
die ersten zulassungsrelevanten Daten im Gene Editing für die
Behandlung von zwei genetisch bedingten Störungen bei der Bildung
von Blutzellen präsentieren. Weil die Behandlungskosten für diese
bis dato nicht behandelbare Krankheit sehr hoch sind, haben CRISPR
und Vertex eine sehr hohe Preissetzungsmacht. Gut denkbar wäre,
dass das profitable Biotech-Schwergewicht Vertex sich diese
potenziellen Milliardeneinnahmen mit einem Übernahmeangebot
sichert.
RNA-basierte Therapeutika wie SiRNA und ASO (Antisense-Oligonukleotide),
die in den letzten Jahren die Marktzulassung für Medikamente in
Nischenindikationen erhielten, sind ein weiteres kommerziell attraktives
Feld für Übernahmeinteressenten. Alnylam und Ionis Pharma sind hier die
beiden Unternehmen, die mit ersten zugelassenen Produkten und ihren
ausgereiften Technologieplattformen als aussichtsreiche Übernahme-
kandidaten gelten. In der Onkologie gilt das verstärkt für Biotechs,
die in der Immunonkologie führend sind – und hier in erster Linie mit
neuen Produkten, welche die Immunabwehr noch besser gegen Tumorzellen
aktivieren als Kombinationstherapien einsetzbar sind.
Bei kleinen Biotechfirmen, die aussichtsreiche Technologien, aber noch
keine eigenen Wirkstoffe mit klinischem Wirksamkeitsnachweis besitzen,
herrscht dagegen eine sehr große Diskrepanz zwischen der eigenen
Firmenbewertung, die sie als Übernahmepreis sehen, und dem, den ein
Käufer bereit ist zu zahlen. Die Aktien dieser Unternehmen haben seit
2021 die größten Kurseinbußen erlitten. Dementsprechend ist der
Unternehmenswert gesunken. Um die Finanzierung ihrer wichtigsten
klinischen Projekte sicherzustellen, werden diese Unternehmen klassische
Entwicklungspartnerschaften mit Big Pharma eingehen, die sich aus
Vorabzahlungen und erfolgsabhängigen Meilensteinzahlungen zusammensetzen.
Im Erfolgsfall könnten solche Partnerschaften in Übernahmeangebote münden.
Die Aussagen einer bestimmten Person geben deren
persönliche Einschätzung wieder (BB Biotech).
Die zur Verfügung gestellten Informationen erheben
keinen Anspruch auf Vollständigkeit und stellen
keine Beratung dar (BB Biotech)
Quelle: Investmentfonds.de
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