Investmentfonds.de
03.11.2022:
J.P. Morgan AM: Sind Anleihen nach dem Crash schon wieder attraktiv?
Tilmann Galler, Kapitalmarktstratege bei J.P. Morgan Asset Management
Sind Anleihen nach dem Crash schon wieder attraktiv?
- Inflation als wesentlicher Treiber des Rentencrashs
- Zeitpunkt, an dem Zentralbanken ihre Zinspolitik ändern, rückt näher
- Defensivqualitäten von Anleihen dürften sich verbessern
Frankfurt, 3. November 2022 – In Zeiten von hoher Volatilität an den Kapitalmärkten
machen sich viele Anlegerinnen und Anleger Gedanken über die „Defensive“ in ihrem
Portfolio. Die Energiekrise in Europa, der Krieg in der Ukraine, die hartnäckig
hohe Inflation und Chinas Immobilienkrise sind dabei nur einige der Risiken, die
sich aufgebaut haben. Doch die klassische Verteidigungslinie in einem Portfolio,
die Anleihen, haben in den letzten zwölf Monaten einen historischen Crash erlebt.
Nach Ansicht von Tilmann Galler, Kapitalmarktstratege bei J.P. Morgan Asset
Management, gilt es nun zu bewerten, ob Anleihen für die nächsten zwölf Monate
besser geeignet sind das Portfolio zu stabilisieren als zuletzt. Dafür nimmt er
die Treiber des Rentencrashs genauer unter die Lupe und prüft, ob diese heute
immer noch Bestand haben. Dabei zeigt sich: Das Renditepotenzial für Anleihen
ist nach dem „Schmerz“ der letzten Wochen und Monate deutlich gestiegen.
Verbraucherpreisinflation als wesentlicher Treiber des Rentencrashs
Die letzten Monate haben am Anleihenmarkt tiefe Spuren hinterlassen: Die Renditen
der 10-jährigen Bundesanleihen sind in etwas mehr als einem Jahr von -0,5 Prozent
auf 2,25 Prozent gestiegen. „Der daraus resultierende Kursverfall der Rentenpapiere
ist so dramatisch, dass in diesem Jahr in einem klassischen globalen Mischportfolio
mit je 50 Prozent Aktien und Renten erstmalig die festverzinslichen Papiere einen
größeren Anteil an den Gesamtverlusten haben als Aktien“, erklärt Tilmann Galler.
Eine Schlüsselrolle als Treiber des Rentencrashs nimmt aus Sicht des Ökonomen die
explosive Entwicklung der Verbraucherpreise ein. „Die expansive Fiskalpolitik in
der COVID-Krise, Angebotsengpässe und der Krieg in der Ukraine haben wie in einem
perfekten Sturm die Inflation sowohl in Europa als auch in den USA über acht
Prozent getrieben. Die Zentralbanken mussten letztendlich eingestehen, dass ihre
ursprüngliche Einschätzung eines nur vorübergehenden Inflationsproblems nicht mehr
haltbar war und vollzogen eine 180-Grad-Wende in der Geldpolitik“, erklärt er.
Die Inflation wurde als Hauptproblem der Wirtschaft identifiziert und deren
Bekämpfung priorisiert – trotz steigender Rezessionsrisiken. Mit der Abkehr der
Zentralbanken von der strukturell expansiven und unterstützenden Geldpolitik der
letzten zwölf Jahre kam dem Rentenmarkt eine wichtige Stütze abhanden.
Grafik: Jährliche Wertentwicklung eines Mischfonds (50% Aktien und 50% Anleihen)
%; in Euro
Quelle: Bloomberg Barclays, MSCI, J.P. Morgan Asset Management.
Aktienerträge: MSCI All-Country World Index,
Anleihenerträge: Bloomberg Barclays Global Aggregate.
Alle Erträge vor 1999 in DM ab 1999 in EUR. Stand der Daten 31.10. 2022.
Zeitpunkt, an dem Zentralbanken ihre Zinspolitik ändern, rückt näher
Der Pfad der zukünftigen Geldpolitik ist nach Meinung des Experten eine
entscheidende Einflussgröße, ob Anleihen für ein Investment wieder interessanter
werden – und genau da dürfte es interessant werden. „Die restriktive Zinspolitik
führt schon jetzt zu einer signifikanten Verlangsamung in der Wirtschaft. Die
Immobilienmärkte kühlen sich merklich ab und die Konsumnachfrage wird schwächer.
Öl- und Kupferpreise sind inzwischen 30 Prozent niedriger als bei ihren
Höchstwerten im Frühsommer. Je schwächer die Konjunktur wird, desto niedriger
dürfte der Inflationsanstieg ausfallen, weshalb der Zeitpunkt, an dem Zentralbanken
die Priorisierung des Risikos und damit ihre Zinspolitik verändern werden, näher
rückt“, sagt Tilmann Galler.
Ein weiterer Treiber des Crashs war seiner Meinung nach die enorme Überbewertung
des Rentenmarktes im vergangenen Jahr. Auch hier hätten Zentralbanken eine
entscheidende Rolle gespielt. „Durch jahrelange massive Anleihenkäufe und
Nullzinspolitik wurden die Renditen weltweit auf absurd niedrige Niveaus gedrückt.
Anfang 2021 hatten mehr als ein Drittel aller Industrieländer-Staatsanleihen eine
negative Rendite und 85 Prozent rentierten unter einem Prozent. Die Nachfrage
privatwirtschaftlicher Investoren war zu diesen Zinsen entsprechend gering“,
erklärt der Ökonom.
Defensivqualitäten von Anleihen dürften sich verbessern
Ein guter Indikator für die Attraktivität 10-jähriger Anleihen sind die Realrenditen,
das heißt die Nominalrenditen abzüglich Inflationserwartungen. „Der handelbare
Inflationsswap für die Inflation in zehn Jahren preiste per 30. September eine
Inflation von 2,4 Prozent für die USA ein. Das bedeutet, bei aktuellen
Nominalrenditen von vier Prozent bei US-Treasuries sind die Realzinsen mit
+1,6 Prozent wieder positiv und damit attraktiver geworden. Noch vor einem Jahr
war der langfristige Realzins mit -1,1 Prozent negativ“, analysiert Ökonom
Tilmann Galler.
Aus seiner Sicht sind Anleihen mit hoher Qualität sowie flexible Rentenstrategien
deshalb nach dem Crash nun wieder attraktive Bausteine für das Portfolio geworden,
mit attraktivem Renditepotential und deutlich verbesserten Defensivqualitäten.
Vor diesem Hintergrund könne man sich als Anleger auch wieder getrost an die
populäre Weisheit aus dem Sport halten, dass die Offensive zwar einzelne Spiele
gewinnen hilft, aber eine gute Defensive für das längerfristige Ziel der
Meisterschaft unverzichtbar ist.
Die Aussagen einer bestimmten Person geben deren
persönliche Einschätzung wieder (J.P. Morgan Asset Management).
Die zur Verfügung gestellten Informationen erheben
keinen Anspruch auf Vollständigkeit und stellen
keine Beratung dar (J.P. Morgan Asset Management).
Quelle: Investmentfonds.de
|