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10.11.2022:
DPAM | Beharrlich
Peter De Coensel, CEO DPAM
DPAM | Beharrlich
Von einer vorübergehenden Inflation im Zusammenhang mit pandemiebedingten
Lieferkettenunterbrechungen sind wir zu einer anhaltenden Inflation übergegangen. Eine
langwierige Störung der Energieversorgung und der Druck durch Lohnsteigerungen haben sich als
Haupttreiber erwiesen. Die OECD-Zentralbanken haben sich für eine vorgezogene Normalisierung
der Leitzinsen entschieden. Sie gehen davon aus, dass die Kern- und die Gesamtinflationsrate mit
einer gewissen Verzögerung auf einen desinflationären Kurs einschwenken und bis Ende 2023 einen
Wert von 2 % erreichen werden. Ein solches Basisszenario beruht auf Annahmen, die eine breit
angelegte Neuausrichtung der Angebots- und Nachfragebedingungen bei allen Produkten und
Dienstleistungen zulassen. Es stützt sich auf einen kurzfristigen Einbruch der Nachfrage, einen
Anstieg der Arbeitslosenzahlen und rückläufige Lohnforderungen. Im besten Fall könnten verringerte
geopolitische Spannungen, ein Waffenstillstand im Russland-Ukraine-Krieg und mehr Diplomatie in
globalen Handelskonflikten zu weniger volatilen Wirtschafts- und Finanzmarktbedingungen führen.
Es gibt jedoch eine Ankündigung: "Okay, Houston, wir hatten hier ein Problem". Wir stellen fest,
dass sich die Hartnäckigkeit bei allen Indikatoren und Ergebnissen verfestigt. Erstens stoßen wir
auf eine hartnäckig hohe geopolitische Unsicherheit, die mit einem anhaltenden Null-Wachstum
oder leichten Rezessionsvorboten einhergeht. Zweitens stellen wir nach Jahrzehnten stagnierender
oder niedriger Reallohnzuwächse zunehmende Spannungen zwischen den Produktionsfaktoren
Arbeit und Kapital fest. Aus dem vereinzelten Aufschrei freundlicher Gewerkschaften, könnten
anhaltende Arbeitskämpfe werden, die von der gesamten Gesellschaft und weniger freundlichen
Konsortialklagen getragen werden. Drittens stellen wir fest, dass die Volatilität von Aktien, Spreads,
Zinssätzen und Devisen nicht zum Mittelwert zurückkehrt, sondern auf einem höheren Niveau
verharrt. Wir werden kurz auf jeden der genannten Punkte eingehen.
Die geopolitischen Variablen haben sich vervielfacht. Die Großmachtpolitik feiert ein Comeback,
indem sie die Wirtschaftspolitik zur Waffe macht. Sanktionsbasierte Vorgaben offenbaren und
verstärken Reibungen und Bruchlinien. Das globale Wachstum wird jenseits der
Konsenserwartungen zum Opfer. Protektionismus gedeiht gut in einer von Sanktionen geprägten
Wirtschaftslandschaft. Die Rezession - schwach, aber anhaltend - und die geopolitische Unsicherheit
werden sich beharrlich halten. Die politische Elite sieht keinen anderen Ausweg, als sich dem
Protektionismus anzuschließen. Einem Protektionismus, der andernfalls zur Spielwiese der
Populisten wird. Der US-Protektionismus ist im Inflation Reduction Act oder CHIPS Act verankert.
Auch Protektionismus-light Programme der EU erleben einen neuen Aufschwung, ja, auch durch ein
Chips-Gesetz sowie verschiedenen EU-Programmen, die auf die Stärkung des Binnenmarktes
ausgerichtet sind. Der REPowerEU-Plan zur Einsparung von Energie, zur Erzeugung sauberer Energie
und zur Diversifizierung unserer Energieversorgung wird auf EU-Ebene finanziert. EU-weit werden
Branchen und Unternehmen bei der Realisierung der erforderlichen großen Infrastrukturprojekte
unterstützt.
Es ist zu erwarten, dass im Rahmen der ESG-Prüfung die genaue Untersuchung sozialer Faktoren
zu einer größeren Sichtbarkeit der Arbeitsbedingungen im Allgemeinen und existenzsichernder
Löhne im Besonderen führen wird. Die zunehmende Unsicherheit in Bezug auf die Erschwinglichkeit
von Gesundheitsversorgung und Energie wird die Unternehmen dazu veranlassen, die Arbeitnehmer
über die gesamte Wertschöpfungs-(Liefer-)Kette hinweg angemessen zu entlohnen. Die Achtung des
Humankapitals wird zu einer besseren Bewertung des Geschäftsmodells und einem geringeren
Reputationsrisiko führen, was wiederum zu höheren Bewertungen führen kann. Dennoch wird der
soziale Faktor im Vergleich zur Vorherrschaft des Kapitalfaktors nach wie vor geringer berücksichtigt.
Das derzeitige liberale System kann auf unterstützende monetäre und steuerliche "Subventionen"
zählen, um sich selbst zu erhalten. Auch hier werden Bruchlinien sichtbar. Wenn wir zu unserer
globalen Beobachtung zurückkehren, stellen wir fest, dass sich starke und anhaltende Spannungen
für einen gemeinsamen Wohlstand zwischen der kurzfristigen liberalen Politik des Westens und der
autokratischen, zentralistisch gesteuerten langfristigen Politik aufbauen. Diese neuen Realitäten
schaffen Ängste und Unbehagen, da sie sich beharrlich aufbauen.
Die beständig hohe gesellschaftliche und geopolitische Unsicherheit sowie die anhaltende Volatilität
der Wirtschaftsindikatoren haben zu einer nicht nachlassenden Volatilität in allen Anlageklassen
geführt. Zwischen März 2020 und heute lag der Aktien-VIX-Angstindex im Durchschnitt bei 25. Es
scheint, dass der pandemiebedingte Stress andere Stressfaktoren verformt hat, die den VIX in einer
Spanne zwischen 20 und 30 gehalten haben, während er in den letzten zehn Jahren zwischen 10 und
20 lag. Ein ähnliches Bild zeigt sich an den Anleihemärkten. Der MOVE-Index (ein Maß für die implizite
Volatilität der US-Zinsen) bewegt sich in einer Spanne von 100 bis 150, während nach der Finanzkrise
von 2008 bis Ende 2021 eine Spanne von 50 bis 100 üblich war. Der JP Morgan Global FX Volatility
Index lässt sich perfekt auf den MOVE-Index übertragen. Es ergibt sich die selbe Schlussfolgerung:
Die Devisenvolatilität wird bleiben. Die Normalisierung der Leitzinsen durch die Zentralbanken und
das Verharren dieser an der oberen Grenze für eine längere Zeit untermauern diese
Schlussfolgerung. Schließlich haben sich die Spreads in den CDS-Indizes für Investment-Grade- und
Hochzinsanleihen in Richtung einer höheren Bandbreite verschoben, was auf höhere Ausfall- und
Restrukturierungswahrscheinlichkeiten hindeutet.
Ein Regimewechsel wurde im Jahr 2022 vollzogen. Der Beweis dafür liegt in der Beständigkeit der
Indikatoren und Ergebnisse. Wir sehnen uns nach einer Trendumkehr, aber wir bekommen keine.
Wir werden uns anpassen müssen. Bei anhaltend hoher Unsicherheit werden die Realzinsen noch
länger unangenehm hoch bleiben.
Momentum-Investitionen oder ein Bulk-Beta-Ansatz (passive Lösungen) sollten Platz für Research-
getriebene Prozesse machen. Auf Fachwissen basierende Überzeugungen zu verschiedenen
Branchen und eine handverlesene Wertpapierauswahl werden überdurchschnittliche
risikobereinigte Renditen liefern. Das aktive Management wurde durch passive Produkte immer
wieder unter Druck gesetzt. Dies könnte der einzige Bereich des Marktes sein, in der die
Beharrlichkeit unterbrochen wird.
Die Aussagen einer bestimmten Person geben deren
persönliche Einschätzung wieder (DPAM).
Die zur Verfügung gestellten Informationen erheben
keinen Anspruch auf Vollständigkeit und stellen
keine Beratung dar (DPAM).
Quelle: Investmentfonds.de
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