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02.04.2004:
FTD: Leitartikel zu Zinsentscheid der EZB: Schlechte Diplomatie
Hamburg (ots) - Die Zinsen bleiben unverändert. Das Signal für
eine Zinssenkung bleibt ebenfalls aus. Stattdessen hält sich die
Europäische Zentralbank einfach alle Optionen offen. Das wirkt wie
gute Diplomatie und scheint das Leben der Notenbanker leichter zu
machen. Es ist aber nur scheinbar bequem, denn in der Kommunikation
ist der EZB ein schwerer Fauxpas unterlaufen. In der Sache fährt sie
einen fragwürdigen Kurs. EZB-Chef Jean-Claude Trichet hat gestern bei
seinen Ausführungen sehr sorgfältig darauf geachtet, die überall
sprühende Zinssenkungserwartung zu dämpfen. Das ist ihm vorzüglich
gelungen. Die im Juni auslaufenden Kontrakte am Geldmarkt zeigen
Zinsen von 2,0 Prozent. Noch vor einer Woche war eine Zinssenkung von
einem viertel Prozent in den spekulativen Terminkontrakten enthalten.
Monsieur Trichet weiß aber genau, dass er die Spekulation, die er
jetzt dämpft, zuvor selbst angeheizt hat. Solches Hin und Her kommt
nicht gut an bei den Finanzmärkten, auf deren stabile Reaktionen die
EZB bei der Umsetzung ihrer Geldpolitik angewiesen ist. Es ist auch
sehr die Frage, ob die Notenbanker einfach in Ruhe abwarten können,
ob der Konjunkturaufschwung in Euroland auch wirklich stattfindet. Es
wird sich zwar in der Tat irgendwann im Sommer erweisen, ob das
Wachstum im Währungsgebiet in diesem Jahr über oder unter ein Prozent
erreichen wird. In jedem Fall bleibt es aber unter dem, was in der
Diktion der EZB Potenzialwachstum heißt. In die gemeine Sprache
übersetzt, lautet die traurige Aussage: Europa bleibt auch 2004 im
vierten Jahr hintereinander unter seinen Möglichkeiten. Die
Stagnation setzt sich fort. In dieser Lage wäre eine rasche und
kräftige Zinssenkung angemessen. Die USA müssen nicht Vorbild sein.
Aber das von der dortigen Notenbank gewährte Zinsniveau ist mit einem
Prozent halb so hoch wie das der EZB. Das US-Wachstum ist mehr als
doppelt so stark wie in Europa. Niedrige Zinsen können also
wachstumsanregend wirken. Erstaunlich wirkt bei der gestrigen
Entscheidung, die Zinsen erneut konstant zu halten, dass Trichet und
seine Kollegen dem Inflationsausblick so wenig Beachtung schenken.
Die EZB selbst rechnet auf mittlere Sicht mit anderthalb Prozent. Das
ist weniger als der eigene Zielwert. Bei schwach wachsenden Einkommen
und demzufolge schwacher Nachfrage läuft die Inflation künftig
bestimmt nicht davon. Auch das müsste Anlass sein, die Geldpolitik
weiter zu lockern. Für eine Zinssenkung in Europa gilt: Je später,
desto schlechter. Wiedervorlage des Themas im Mai oder im Juni ...
ots-Originaltext: Financial Times Deutschland
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Quelle: news aktuell
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