Investmentfonds.de
08.05.2019:
LFDE Monthly News Mai 2019 - Aus den Augen verloren
Köln, den 08.05.2019 (Investmentfonds.de) -
Olivier de Berranger, Chief Investment Officer bei
LFDE - La Financière de l´Echiquier
Am 6. August 1979 bezog Paul Volcker sein neues Büro im Marriner S. Eccles Building
in Washington. Er war gerade zum Vorsitzenden der US-Notenbank Federal Reserve
ernannt worden, mit dem klaren Auftrag, die Inflation zu bekämpfen. Dazu muss man
hinzufügen, dass in jenem Jahr die Inflation in den USA auf mehr als 13 Prozent
stieg und sich von dort über die ganze entwickelte Welt ausbreitete.
Beeinflusst von der Chicago School of Economics um Milton Friedman war Volckers
Rezept denkbar einfach: Die Zinsen sollten deutlich über das Niveau der Inflation
steigen, um so die "realen" Schuldenkosten in unerschwingliche Höhen zu treiben und
die Lohn-Preis-Spirale zu durchbrechen. Diese Rosskur, die dafür sorgte, dass der
Schlüsselzinssatz der Fed im März 1980 auf 20 Prozent stieg, hat in den Jahren
1982–83 eine schwere Rezession ausgelöst. Gleichzeitig sank aber auch die
Preissteigerung ab 1983 wieder auf rund 3 Prozent. Die Inflation war damit besiegt
und, was noch wichtiger ist: Unternehmen und Verbraucher gelangten in ihrem
Investitions-, Kauf- und Sparverhalten zur Überzeugung, die Zentralbank behalte die
Kontrolle.
Heute machen sich Zweifel an der Fähigkeit der Zentralbanken breit, wobei die
Verhältnisse genau umgekehrt sind.
Die Europäische Zentralbank EZB strebt etwa eine jährliche Preissteigerung von
knapp 2,0 Prozent an. Tatsächlich wurde diese Rate - ohne Berücksichtigung der Preise
für Lebensmittel und Energie - aber seit 2002 nicht mehr erreicht. Schlimmer noch, seit
zehn Jahren liegt die Kerninflationsrate im Durchschnitt nur bei knapp über 1 Prozent.
Gleiches lässt sich von den USA sagen, obwohl das Land seit zehn Jahren ununterbrochen
wächst und sich einer historisch niedrigen Arbeitslosigkeit erfreut. Dabei war immer
wieder von unkontrollierten Preissteigerungen zu hören, die die unkonventionellen
geldpolitischen Maßnahmen, mit denen die Notenbanken auf die Weltfinanzkrise von 2008
reagierten, garantiert mit sich bringen würden.
Der globale Wettbewerb, die Überinvestitionen in China, die Globalisierung des Handels,
die Automatisierung und Robotisierung, die demographische Entwicklung in den
Industrieländern und die schwache Lohnentwicklung sind allesamt Faktoren, die erklären,
warum die Preisdynamik hartnäckig niedrig bleibt.
Bedeutet das, dass die Inflation nun endgültig verschwunden ist? Dies scheint zumindest
der Rentenmarkt zu glauben, weisen doch fast 50 Prozent der europäischen Staatsanleihen
- ein im historischen Vergleich relativ hoher Anteil - mittlerweile eine negative Rendite
auf. Auf globaler Ebene sind es sogar Staatsanleihen im Wert von rund zehn Billionen
US-Dollar, die Tag für Tag Kapital vernichten. Sofern die Preisinflation nicht umgehend
wieder kräftiger anzieht, erscheint es ziemlich riskant, sein ganzes erspartes Geld den
praktisch mittellosen Staaten anzuvertrauen.
Bei den Unternehmen ist unterdessen die Berichtssaison in vollem Gange und zeigt einmal
mehr, dass ihre Widerstands- und Anpassungsfähigkeit Aufmerksamkeit verdienen. Auch wenn
bisher nur knapp 30 Prozent der Unternehmen in Europa ihre Zahlen für das erste Quartal
vorgelegt haben, so übertrifft doch ungefähr die Hälfte von ihnen die Gewinn- und/oder
Umsatzerwartungen. Eine stärkere Wachstums- und Preissteigerungsdynamik hätte hier zu
noch besseren Ergebnissen geführt. Die Rückkehr einer angemesseneren, normaleren
Inflation wäre für die Unternehmen somit sicherlich nicht die schlechteste Nachricht.
Eines ist sicher: Wenn die Inflation wiedererwacht, werden Aktienanleger langfristig
besser geschützt sein als Anleger, die in Staatsanleihen investieren. Für letztere stellt
sich dann die Frage, wie sie sich auf Dauer mit derart mageren Renditen begnügen konnten.
Quelle: Investmentfonds.de
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