Investmentfonds.de
10.03.2020:
LFDE Macroscope: Schizophrenie an den Märkten
Köln, den 10.03.2020 (Investmentfonds.de) -
Olivier de Berranger, Chief Investment Officer bei LFDE -
La Financière de l'Échiquier
Obwohl die Fed noch vor der nächsten turnusmäßigen Sitzung am 17. und 18. März
ihre Leitzinsen um 0,5 Prozent gesenkt hat, beendeten die Märkte für
Risikoanlagen die vergangene Woche im Minus - ein überraschendes Ergebnis,
angesichts der Tatsachte, dass eine solche Senkung üblicherweise einen Stimulus
für die Märkte darstellt. Diesmal konnte die Ankündigung die Anleger trotz
kurzzeitiger Euphorie jedoch nicht überzeugen und zog die Indizes sogar nach
unten. Auch wenn diese Reaktion zunächst verwundern dürfte, gibt es hierfür aus
unserer Sicht drei Ursachen.
Zunächst einmal besteht ein psychologischer Markteffekt: Anleger tendieren dazu,
Aussichten zu kaufen und die tatsächliche Ankündigung zu verkaufen. Sie hatten
das implizite Versprechen in den Äußerungen von Jerome Powell kaum verdaut, da
handelte die Fed bereits außerplanmäßig und erwischte den Markt auf dem falschen
Fuß. Den Marktteilnehmern wäre es wohl lieber gewesen, die Zentralbank hätte vor
ihrer Intervention noch häufiger kommuniziert.
Überdies warfen der Umfang der Zinssenkung und der für die Ankündigung gewählte
Zeitpunkt Fragen auf. Letztmals war die Fed im Oktober 2008, drei Wochen nach der
Pleite von Lehman Brothers, auf diese Weise vorgegangen. Daher kann eine derartige
Maßnahme für manche Anleger ein Fingerzeig sein, dass die Lage ernster ist, als sie
scheint. Für andere erscheint das wenig stichhaltig. Zwar sind die tatsächlichen
Folgen der Coronavirus-Epidemie für die Wirtschaft schwierig zu bemessen und wurden
möglicherweise unterschätzt. Doch nach unserer Auffassung hat sich die Beziehung
zwischen Zentralbanken, Wirtschaft und Märkten im letzten Konjunkturzyklus
tiefgreifend verändert. Die Märkte sind zweifelsohne in eine Art Abhängigkeit von
den Maßnahmen der Zentralbanken geraten. Dies gilt jedoch auch umgekehrt, und die
Intervention der Fed scheint uns eher das Ergebnis einer etwaig überzogenen
Prävention zu sein als die Reaktion auf eine noch unsichtbare Katastrophe.
Darüber hinaus, und dies ist ohne Zweifel das stärkste Argument, hinterfragt der
Markt allmählich die Wirksamkeit der geldpolitischen Lockerungsmaßnahmen, wenn sie
nicht mit staatlichen Konjunkturpaketen und direkten Hilfen für die Wirtschaft
einhergehen. Diese Befürchtung wird verstärkt durch den Wahlkampf in den USA, der
für die Durchsetzung umfangreicher Maßnahmen wenig förderlich ist, wie auch durch
die Politik in Europa, die Zweifel an der Fähigkeit zu einer koordinierten Reaktion
aufkommen lässt. Die Staaten stehen umso mehr im Rampenlicht, als eine vorbeugende
Überreaktion ihrerseits (massive Schließungen, Verkehrsbeschränkungen usw.) nicht
völlig ausgeschlossen werden kann und die negativen Folgen für das Wachstum
verstärken würde.
Das Jahr 2019 war für die Aktienmärkte ein außergewöhnliches Jahr, in dem sie ohne
spürbares Wachstum der Unternehmensgewinne um 20 bis 30 Prozent zulegten.
Die eingangs genannten Faktoren verstärken daher die emotionale Dimension der
Epidemie, auch wenn einige eher psychologischer Natur und weniger greifbar sind als
andere. Obwohl wir in die wirtschaftlichen Fundamentaldaten und die Reaktionsfähigkeit
der Zentralbanken und Staaten weiterhin Vertrauen haben, ist das Risiko, dass die
Märkte in eine Baisse abrutschen, durchaus gegeben. Sollte dies eintreten, ist
Disziplin gefragt.
Langfristig orientierte Anleger müssen dann Geduld aufbringen und bei der Anlage in
Qualitätstiteln von Bewertungsabschlägen profitieren. Vermögensverwalter werden agil
und besonnen handeln müssen.
In beiden Fällen gilt: keine Panik! Denn über einen Anlagehorizont von mehreren
Jahren macht die Börse Korrekturen von 10 oder 20 Prozent wieder wett.
Quelle: Investmentfonds.de
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