Investmentfonds.de
25.01.2022:
Ninety One Macroscope: Aktueller makroökonomischer Ausblick
Köln, den 25.01.2022 (Investmentfonds.de) -
Russel Silberston, Ninety One Stratege
Ninety One Macroscope: Der US-Straffungszyklus ist dieses
Mal anders und die Marktteilnehmer verstehen es nicht
Der Stratege Russell Silberston erörtert, wie der Markt
das Ausmaß des Zinsanstiegs unterschätzt, denn die
Anleiherenditen dürften viel weiter steigen (und die
Anleihekurse fallen) als bisher.
24. Januar 2022
Im Dezember 2015, sechs Jahre nachdem die globale
Finanzkrise die Weltwirtschaft erschüttert und weltweit
zu Zinssenkungen geführt hatte, hob die US-Notenbank
(Fed) das Ziel für ihren Leitzins um 0,25 % auf 0,5 % an.
Es dauerte dann jedoch ein Jahr, bis der Straffungszyklus
mit einer weiteren Anhebung um 25 Basispunkte im Dezember
2016 ernsthaft begann, auf die wiederum eine Reihe von
Anhebungen um 25 Punkte in jedem folgenden Quartal
folgte. Dadurch stieg der Tagesgeldsatz der Fed im Dezember
2018 auf 2,5 %. Innerhalb von sieben Monaten sah sich die
Fed gezwungen, diese Straffung teilweise wieder rückgängig
zu machen und den Zinssatz in der zweiten Jahreshälfte
2019 auf 1,75 % zu senken, da die Finanzmärkte trotz der
guten Konjunkturentwicklung stark schwankten.
Angesichts der Tatsache, dass die US-Notenbank erneut am
Beginn eines Straffungszyklus steht, richten sich die
Finanzmärkte nach dem "Drehbuch" aus der Zeit nach der
globalen Finanzkrise und gehen davon aus, dass die Fed
ihren Zinssatz nur bis auf etwa 1,75 % anheben kann, was
weit von jeder Einschätzung des wirtschaftlich neutralen
Zinsniveaus entfernt liegt. Schließlich wird sie auch
durch den Wunsch, ihre Bilanz zu schrumpfen, daran
gehindert werden.
Warum sind die Märkte angesichts der seit mehreren
Jahrzehnten nicht mehr erreichten neuen Höchststände der
Inflation so zuversichtlich, was die Zinsaussichten
angeht? Die Antwort liegt in der Bilanz der Fed und
insbesondere in der Höhe der von den Geschäftsbanken dort
angelegten Überschussreserven.
Wenn eine Zentralbank eine quantitative Lockerung vornimmt,
schafft sie sich selbst Reserven und kauft mit diesen
Staatsanleihen und andere Vermögenswerte. Diese stehen als
Aktiva in ihrer Bilanz. Das Geld, das sie für den Kauf
dieser Vermögenswerte geschaffen hat, landet im Bankensystem,
das wiederum als Überschussreserven zur Zentralbank
zurückfindet. Diese stellen, wie jede Bankeinlage, eine
Verbindlichkeit für die Zentralbank dar. Buchhalterisch
gesehen sind also sowohl die Aktiva als auch die Passiva der
Zentralbank gestiegen. Bei der quantitativen Straffung kehrt
sich der Prozess um: Die Zentralbank verkauft entweder eine
Anleihe oder lässt sie fällig werden, wodurch sich ihre
Aktiva verringern. Allerdings schrumpfen auch die
Verbindlichkeiten der Zentralbank, da die Überschussreserven
der Geschäftsbanken im gleichen Maße sinken.
Als die Fed das letzte Mal mit der quantitativen Straffung
begann, legte sie ihren Kompass fest, indem sie zwei
Schätzungen ihrer Verbindlichkeiten und nicht ihrer
Vermögenswerte vornahm. Erstens: Wie viele Banknoten und
Münzen werden benötigt? Und zweitens: Wie hoch müssen die
Reserven der Geschäftsbanken sein? Ersteres ist ziemlich
einfach - man nimmt die aktuelle Zahl und geht davon aus,
dass sie mit dem nominalen BIP wächst. Die zweite Frage war
nicht so einfach zu beantworten, weshalb die Fed in
regelmäßigen Abständen Erhebungen bei allen großen Banken
durchführte und sie nach ihren Schätzungen für die
künftigen Reserven fragte. Daraus ermittelte der Offenmarkt-
ausschuss (FOMC) ein grobes Ziel für die optimale Größe
seiner Bilanz und begann, diese entsprechend zu verkleinern.
Als die Zeit jedoch voranschritt und die Überschussreserven
schrumpften, wurde bald deutlich, dass die Banken weit mehr
Reserven benötigten als angegeben. Es ist nicht ganz klar,
warum. Die Verteilung über den Sektor ist sehr ungleichmäßig,
so dass die Umfrage vielleicht eine irreführende Zahl ergab.
Oder es lag vielleicht daran, dass Reserven im Wesentlichen
ein hochwertiger Vermögenswert mit einer Laufzeit von Null
sind und Anleihen zu Dumpingpreisen gehandelt wurden, weshalb
die Banken beschlossen, dass sie mehr als angegeben
benötigten. Was auch immer der Grund war, der Kompass der
Fed war falsch eingestellt, und sie hat es mit der
quantitativen Straffung übertrieben und weit mehr Liquidität
abgezogen, als der Bankensektor benötigte. Wir glauben, dass
dieser eher technische Aspekt der Fed-Maßnahmen die Ursache
für den abgebrochenen Straffungszyklus 2016/2018 war, und
nicht, dass der Leitzins auf ein Niveau getrieben wurde, das
die Wirtschaft nicht verkraften konnte.
Dieses Mal ist es jedoch anders. Um zu vermeiden, dass sich
das Gleiche wiederholt, wenn sie in diesem Zyklus mit der
quantitativen Straffung beginnt, hat die Fed neue Instrumente
auf Abruf eingeführt, um die Tagesgeldzinsen sowohl nach oben
als auch nach unten zu steuern. Zumindest theoretisch sollte
sie in der Lage sein, ihre Bilanz um mehr zu reduzieren, ohne
die Liquiditätsengpässe zu verursachen, die den letzten
Straffungszyklus kennzeichneten. Sie sind auch dabei, die
ergänzende Verschuldungsquote (Supplementary Leverage Ratio)
zu überprüfen, die auf Banken angewandt wird und derzeit
Überschussreserven und US-Staatsanleihen von der Berechnung
ausschließt, wodurch wiederum Liquidität freigesetzt wird.
Wenn diese Ansicht richtig ist, unterschätzt der Markt, wie
weit die Zinsen steigen werden, was bedeutet, dass die
Anleiherenditen noch viel weiter steigen (und die
Anleihekurse fallen) dürften als bisher.
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Quelle: Investmentfonds.de
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