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Investmentfonds.de
10.01.2022:
DPAM | Kein "Goldene Zwanziger"-Effekt, aber zu niedrige Gewinnschätzungen
Köln, den 10.01.2022 (Investmentfonds.de) -
Johan Van Geeteruyen, CIO Fundamental Equity bei DPAM
AUSBLICK AKTIEN: "HIN- UND HERGERISSEN"
Schlüsselbotschaften
Das Wachstum wird weiter über dem Trend liegen
Keine Lockdowns zu erwarten, aber gezielte restriktive
Maßnahmen
Die relativen Bewertungen sind attraktiver geworden
Der gestiegene Wohlstand der privaten Haushalte wird
ein struktureller Nachfragetreiber
Nach drei schwierigen Jahren mit sehr guten Ergebnissen fragen
sich Anleger zu Recht: "Wie geht es 2022 weiter?" Was bleibt
für die Zukunft, jetzt, da eine Drosselung der Wertpapierankäufe
durch die Notenbanken bevorsteht und die Inflation stark steigt?
Die dunklen Wolken am Horizont trüben den positiven Ausblick,
den Anleger im vergangenen Sommer hatten.
Investmentfonds.de TOP Fonds / ETF Vergleich - Wertentwicklung
COVID steht leider immer noch im Mittelpunkt des Geschehens.
Die Entwicklung von Impfstoffen löste im November 2020 einen massiven
,Reflation Trade' aus. Die Welt sah einen klaren Ausweg, ein Licht am
Ende des Tunnels. Auch das Jahr 2021 begann gut - einige Strategen
verglichen es sogar mit den "Goldenen Zwanzigern", die auf den Ersten
Weltkrieg folgten. Doch schon bald dämpfte die schleppende Impfkampagne
die Begeisterung. Schließlich nahmen die Impfungen allmählich Fahrt auf,
doch mussten wir uns mit den neuen Virusvarianten Delta und zuletzt
Omikron auseinandersetzen. Heute liegt die Impfquote in den Industrie-
ländern bei 70 %. Die Entwicklungsländer haben aufgrund unzureichender
Vertriebskanäle und Infrastruktur noch Nachholbedarf. In Ländern wie
China, Malaysia und Vietnam gibt es nach wie vor Lockdowns, was die
Probleme in der Lieferkette für den Rest der Welt noch verschärft.
Heute sind Impfungen weithin möglich, und die Regierungen sehen die
so genannte "Booster-Impfung" als Möglichkeit, um die Volkswirtschaften
offen zu halten und eine maximale Auslastung zu gewährleisten.
Letztendlich müssen wir wohl lernen, wie mit der Grippe auch mit COVID
zu leben.
Die weltweiten Engpässe in der Lieferkette sind eine weitere zentrale
Herausforderung. Im Jahr 2020 drosselten die Verbraucher ihren Konsum.
Die Unternehmen nutzten ihre vorhandenen Lagerbestände, um ihre Kunden
zu bedienen, während die Produktion aufgrund von Lockdowns herunter-
gefahren wurde. Die Lagerbestände erreichten aufgrund der bestehenden
Ungewissheit hinsichtlich der künftigen Entwicklung historische
Tiefstände. Darüber hinaus waren die Unternehmen bestrebt, Barmittel
und Liquidität zu erhalten, um künftigen Turbulenzen zu trotzen.
Im November wurde jedoch deutlich, dass die Unternehmen wieder auf volle
Produktion umstellen mussten, um den künftigen Nachholbedarf - die
V-förmige Erholung - zu decken. Der Mangel an Arbeitskräften und die
niedrigen Lagerbestände in der gesamten Wertschöpfungskette belasteten
die Produktion aber weiterhin stark. Die Engpässe waren in der gesamten
Wertschöpfungskette spürbar und betrafen vor allem Unternehmen an deren
Ende. Dadurch verlängerten sich die Lieferzeiten, und jeder versuchte,
sich so viel Rohstoffe wie möglich zu sichern, was am Ende zu
"Überbestellungen" führte. Viele Unternehmen erkannten auch, dass sie
zu sehr von einigen wenigen Lieferanten abhängig waren. Dies kann zwar
bisweilen ein Vorteil sein (z. B. in Form besserer Einkaufsbedingungen),
führt aber im Allgemeinen zu längeren Lieferzeiten und höheren Preisen.
Und damit kommen wir zum starken Preisanstieg, der auf diese Herden-
mentalität zurückzuführen ist. Jeder ist bereit, einen höheren Preis für
die notwendigen Materialien und Komponenten zu zahlen, um seine Kunden
bedienen zu können. In der Tat fürchten die Unternehmen, Marktanteile
zu verlieren. Die Folge ist in einigen Fällen eine Bestellsituation,
die durch das Angebot nicht gedeckt werden kann, mit dem Ergebnis
steigender Preise bei Rohstoffen, Halbleitern, Lebensmitteln, Logistik
und Löhnen. Es handelt sich um eine typische Kettenreaktion, die
inzwischen in einigen Wertschöpfungsketten zu beobachten ist. Bei den
Energiepreisen ist der Anstieg nicht das Ergebnis einer explodierenden
Nachfrage, sondern eher das Ergebnis einer äußerst prekären Gesamt-
situation, wie schlechtes Wetter, Überschwemmungen, Unterbrechung der
Kohleversorgung, Dekarbonisierung, politischer Streit mit Australien
usw. Die steigenden Erdgaspreise wirkten sich daher auch auf die
übrige Welt aus.
Das System ist in hohem Maße strapaziert. Dennoch sind angespannte
Arbeitsmärkte und Engpässe in der Lieferkette nicht unbedingt neu.
In der Vergangenheit hat die Weltwirtschaft diese Probleme schon
häufiger erlebt, wenn auch in geringerem Ausmaß. Für all dies wird
letztendlich eine Lösung gefunden werden. Dennoch ist es schwierig,
hierfür einen genauen Zeitpunkt zu bestimmen. Das kommt einer sehr
vagen Einschätzung gleich. Falls es jedoch viel Zeit in Anspruch
nimmt, bis diese Probleme gelöst sind, wenn Menschen nicht bereit
sind, die hohen Preise zu zahlen oder wenn sie zu lange auf ihre
bestellten Produkte warten müssen, könnte sich dies letztlich
negativ auf die Verbrauchernachfrage auswirken. Ein Nachfrage-
einbruch könnte einen positiven Effekt haben: Weniger Stress für
das System. Die Unternehmen hätten mehr Zeit, ihre Lagerbestände
aufzufüllen, die Produktion anzupassen, Mitarbeiter einzustellen
und zu schulen. Letztendlich wird die Nachfrage wieder steigen,
da die Haushalte während der Pandemie mehr Vermögen angehäuft haben.
In puncto Energiepreise ist zu erwarten, dass sie nach dem Winter,
wenn die Nachfrage nachlässt, sinken werden.
Damit kommen wir zur Herausforderung China. Xi Jinping ist
entschlossen, eine vom Verbrauch anstelle von der Industrie geführte
Wirtschaft zu schaffen. In einer ersten Phase zielte er darauf ab,
das Durchschnittseinkommen zu erhöhen. Diese Politik war nicht frei
von Mängeln und ließ Raum für Exzesse. Zu Beginn des vergangenen
Jahres begann die Regierung damit, diese Auswüchse zu bekämpfen,
indem sie den Schwerpunkt auf den allgemeinen Wohlstand legte. Zur
Erhöhung der Geburtenrate mussten die chinesischen Bürger dafür
sorgen, dass ihre Haushalte über ausreichende Mittel verfügten,
um Kinder angemessen aufziehen zu können. Übertreibungen in den
Bereichen Glücksspiel, Bildung und Eigentum wurden direkt und
unnachsichtig angegangen. Dies kann sich auf die gesamte
Weltwirtschaft auswirken: Wenn China den Verbrauch um eine Einheit
erhöht und die Investitionen um eine Einheit senkt, bleibt sein
BIP unverändert. Die Folgen dieser Politik würden jedoch auch
im Rest der Welt zu spüren sein.
Drei zentrale Wirtschaftsakteure müssen eine schwere Entscheidung
treffen, die die Märkte im Jahr 2022 und darüber hinaus prägen wird.
Die Zentralbanken müssen sich entscheiden: "Ist die hohe Inflation
vorübergehend oder strukturell?" Auf der letzten Sitzung des
Offenmarktausschusses der Fed schwenkte die Notenbank von einem
expansiven zu einem restriktiveren geldpolitischen Kurs um. Der
Markt konzentrierte sich auf das Ausmaß des absehbaren Taperings
und das Timing möglicher Zinsanhebungen. Die Verunsicherung zeigt
sich darin, dass die Märkte für 2022 nun mit drei Zinsschritten
rechnen. Die größte Gefahr ist ein geldpolitischer Fehler. Es
kann einen großen Unterschied machen, wenn die Fed die Zinsen
zu früh oder zu schnell anhebt.
Unternehmen müssen mit Störungen und akuten Versorgungsengpässen
zurechtkommen. Sie müssen entscheiden, ob sie weiterhin bereit
sind, hohe Preise für Lieferungen, Logistik usw. zu zahlen.
Außerdem müssen sie prüfen, ob sie Preiserhöhungen an ihre Kunden
weitergeben können. Der Spielraum hierfür wird sich auf künftige
Margen und Marktanteile auswirken. Ein übertriebener Preisanstieg
könnte die Nachfrage bremsen und einen Rückzug der Konsumenten
bewirken. Für einige Unternehmen ist es einfacher, die zusätzlichen
Kosten weiterzugeben als für andere. Upstream- und Nischenunternehmen
sind am ehesten in der Lage, die kritische Situation zu überstehen.
Und schließlich kommt der Verbraucher ins Spiel. Wird er bereit
sein, für seine Einkäufe mehr zu bezahlen? Wird er die Geduld
aufbringen, ein ganzes Jahr zu warten, bis er sein neues Auto in
Empfang nehmen kann? Das Ergebnis all dieser Entscheidungen wird
uns zeigen, wie sich die Märkte in 2022 verhalten.
Insgesamt sehen wir eine Reihe von Faktoren, die uns darin bestärken,
dass die Märkte in diesem Jahr weiterhin positive Ergebnisse
erzielen werden:
Das Wachstum wird weiter über dem Trend liegen.
Kein "Goldene Zwanziger"-Effekt, aber zumindest auf Sicht eine
erhöhte Nachfrage der Haushalte.
Die Investitionsabsichten der Unternehmen werden aufgrund des
Arbeitskräftemangels, der Dekarbonisierung und der Probleme in
der Lieferkette zunehmen.
Die Unterstützung durch die Zentralbanken und die politischen
Entscheidungsträger wird fortbestehen.
Die Gewinnschätzungen für die nächsten Quartale sind zu niedrig.
China wird durch gezielte geld- und fiskalpolitische Impulse
weiter wachsen.
Mit Blick auf die Positionierung sollten Sektoren bevorzugt werden,
die zur Lösung aktueller Probleme, wie Versorgungsengpässe, geringere
Produktivität, disruptive Veränderungen und ESG, beitragen. Uns
gefallen vor allem Unternehmen mit einer starken Preissetzungsmacht,
einem Fokus auf disruptive Technologien sowie soliden unternehmens-
und umweltbezogenen Investitionen. Solche Unternehmen sind optimal
aufgestellt, um von den wichtigsten Trends im Jahr 2022 zu profitieren.
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