Carlson: Und der Gewinner ist Schweden
Die Wachstumsrate der USA wurde im zweiten Quartal auf armselige 1,6% nach unten korrigiert. Das lässt Bedenken an der Gesundheit des Aufschwungs aufkommen, vor allem, da die temporären Anreizfaktoren von Seiten der Steuerpolitik und des Lageraufbaus laut der meisten Schätzungen im zweiten Quartal zum letzten Mal einen positiven Beitrag zum Wachstum geleistet haben. Gleichzeitig war die Zusammensetzung des Wachstums recht sonderbar. Die Importe haben den seit Beginn der statistischen Datenerhebung im Jahr 1940 größten negativen Beitrag zur Gesamtwachstumsrate beigetragen! Was hat diesen enormen Anstieg der Importe ausgelöst, der sich in kaum anderen Statistiken widerspiegelt? Wird sich dieser Trend (teilweise) in den nächsten Quartalen umkehren? Außerdem deuten die steigenden, positiven ISM-Umfragedaten der verarbeitenden Industrie auf ein weiteres Wachstum derselben hin. Und das, obwohl die Differenz zwischen den rückläufigen Neubestellungen und dem Lageraufbau fast aufgehoben ist. Dies bedeutet, dass die Umfrage wahrscheinlich in den kommenden Monaten einen Wachstumsrückgang messen wird. Die mittel- bis langfristigen Aussichten Amerikas werden normalerweise durch den privaten Konsum bestimmt, der bis zu 70% des BIP gegenüber beispielsweise 50% in Schweden ausmacht. Das Problem ist, dass sich die Lage auf dem Arbeitsmarkt nicht verbessert. Dies spiegelt sich auch in den Verbraucherumfragen wider. Obwohl das Verbrauchervertrauen nicht mehr auf dem Stand des tiefsten Pessimismus von Anfang des vergangenen Jahres steht, so befindet es sich noch auf einem Niveau, das normalerweise einen Tiefpunkt einer normalen Rezession anzeigt. Da sich der derzeit hohe Anteil des privaten Konsums am BIP in Amerika voraussichtlich umkehren wird (das Konsumwachstum wird über mehrere Jahre hinweg langsamer als das BIP-Gesamtwachstum sein), müssen andere Nachfragearten und vor allem die Nettoexporte zum Hauptmotor des Wachstums werden. Der Außenhandel ist dafür ein guter Kandidat. Die Umsetzung dieses Ziels wäre viel einfacherer, wenn die großen Exportländer wie China eine Aufwertung ihrer Währung zulassen würden. Deshalb könnten die insgesamt nur spärlichen Wechselkurs schwankungen seit Einführung eines flexibleren Systems und vor allem der Wertverlust im August gefährlich werden. „Da das US-Handelsdefizit sich ausweitet und vor allem da die Arbeitslosenrate in Amerika weiterhin hoch liegt und bald Wahlen anstehen, steigt die Gefahr eines USamerikanisch- chinesischen Handelskriegs“ (GaveKal, 1. September). Realistische Prognosen schätzen die US-Wachstumsrate auf 1,5-2,0% für den Jahresverlauf bis weit in das Jahr 2011 hinein. Die US-Notenbank wird definitiv jegliche Art der Verschärfung der Geldpolitik unterlassen und wird vielleicht sogar bei diesen blutleeren Aussichten neue Maßnahmen zur Lockerung der Finanzsituation einführen. Das Wachstum in Asien scheint sich nach einem sehr starken ersten Halbjahr zu verlangsamen. Doch dieser Prozess wird dem steigenden Purchasing Managers Index (PMI) von August zufolge wahrscheinlich nicht so stark ausfallen wie befürchtet. Die japanische Wirtschaft ist laut der nationalen Quartalszahlen extrem volatil. Das nominale BIP kletterte im ersten Quartal auf 5,6%, doch schrumpfte im zweiten um 3,7%. Die exportabhängige Wirtschaft Japans wird durch die Stärke des Yen behindert, der derzeit fast auf einem Rekordhoch gegenüber dem Dollar steht. Das Eurogebiet schlug die USA im Wachstumsrennen des zweiten Quartals in einer Art und Weise, die an Usain Bolt bei der Olympiade in Peking erinnert. Und das alles dank Deutschland, das ein Wachstumstempo von 9% erreichte! Die deutsche Wirtschaft profitiert vom im Vergleich zu den Vorjahren schwächeren Euro, den extrem niedrigen Zinsraten und dem richtigen Exportproduktmix für die schnell wachsenden Schwellenländer. Deutschlands Stärke unterstützt auch seine Nachbarn. Österreich, die Niederlande und die Schweiz expandierten im zweiten Quartal mit Wachstumsraten, die nah an der 4%-Marke liegen. Portugal, Italien, Griechenland und Spanien (PIGS) befinden sich mit einem deutlich geringeren Wachstum am anderen Ende der Fahnenstange und Griechenland hat sogar einen heftigen Rückgang verzeichnet. Frankreich befindet sich wie immer im Mittelfeld. Die monatlichen Umfragen der Geschäftsklimaindizes der EU-Kommission und des deutschen Wirtschaftsinstituts IFO aus dem dritten Quartal signalisieren eine stabile Wachstumsrate, bzw. gemäß der PMI-Befragung der verarbeitenden Industrie im August eine geringe Verlangsamung der Realwachstumsrate. Das Eintreten des letztgenannten Szenarios ist wahrscheinlicher. Selten war die schwedische Wirtschaft so viel besser in Form als der europäische Durchschnitt. In fast allen Wirtschaftsdimensionen, doch vor allem bezüglich des Staatshaushalts, der Schuldenlage und der Realwachstumsrate schneidet Schweden überdurchschnittlich gut ab. Die schwedischen Entscheider haben ihre Lektion während der schweren Finanzkrise Schwedens von vor 15 Jahren gelernt, die in vielfältiger Hinsicht die schlimmste Krise der Geschichte der OECD darstellt. Die Regelungen der Steuer- und Geldpolitik sind geändert worden und die Politiker haben diese im Großen und Ganzen in guten und in schlechten Zeiten eingehalten. Die Belohnung dafür ist heute enorm. Sowohl die amtierende Mitte-Rechts-Koalition, als auch die Mitte-Links-Opposition sind derzeit vor den Parlamentswahlen vom 19. September in der Lage, realistische Vorschläge für Steuerkürzungen und Ausgabensteigerungen zu machen, ohne die starke Finanzsituation der Regierung zu gefährden. Die schwedische Realwachstumsrate hat im zweiten Quartal fast die 5%-Marke erreicht, nachdem sie bereits im ersten Quartal bei 6% gelegen hat. Solch ein starkes Halbjahr wurde zum letzten Mal zu Hochzeiten des letzten Konjunkturzyklus vor etwa fünf Jahren gemessen. Gleichzeitig ist es wichtig anzumerken, dass der vorangegangene Abschwung so tief gewesen ist, dass die schwedische Wirtschaft erst jetzt wieder das BIP-Niveau von Anfang 2007 erreicht hat. Die August-Befragungen des Nationalen Wirtschaftsforschungsinstitut (KI) und der PMI der verarbeitenden Industrie deuten auf eine anhaltende Wachstumsrate von 4-5% hin. Das KI hat außerdem recht realistische Prognosen veröffentlicht, bei denen die Wachstumsrate für die kommenden beiden Jahre über 3% liegen wird. Die Entscheidung der Reichsbank unter diesen Umständen den Leitzinssatz anzuheben, ist ein offensichtlicher Schritt, dem noch weitere folgen werden. Der neue Leitzins von 0,75% ist immer noch außergewöhnlich niedrig und liegt unter dem der EZB, obwohl die schwedische Wirtschaft viel stärker ist, als die des Eurogebietes. Die Zentralbankchefs prognostizieren eine weitere Zinssatzerhöhung vor Jahresablauf.
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