ING IM Marktausblick: Sorgenkind US-Konjunktur
Im September hob sich die Stimmung, nachdem die USA und China mit Positivmeldungen aufwarteten. So verzeichnete der angeschlagene US-Arbeitsmarkt eine unerwartet hohe Zunahme an Arbeitsplätzen, wenn auch die Erholung noch viel zu schwach ist. In China deuten die Konjunkturindikatoren auf eine Verlangsamung des Wachstums auf hohem Niveau hin. Die Marktreaktion war insgesamt positiv. So legten die Aktienmärkte im September um knapp 5 % (auf Euro-Basis) zu, während die Renditen zehnjähriger Bonds leicht anzogen. Ausblick: Suche nach Wachstum und Erträgen Trotz der allgemein positiven Anzeichen in den letzten Wochen betrachten wir die risikoreicheren Anlageformen weiterhin mit Skepsis. Aktien sind zwar attraktiv bewertet, es besteht aber keine Aussicht auf einen deutlichen Kursanstieg in absehbarer Zeit. Die Wachstumsschwäche in den Industrieländern dürfte vorerst anhalten. Wir ziehen daher die Emerging Markets vor, eine Region mit hohem strukturellem Wirtschaftswachstum. Auch Aktien mit nachhaltig hohen Dividendenrenditen sollten im anhaltenden Niedrigzinsumfeld positiv abschneiden. Konjunktur: Die USA brauchen stärkere Impulse Sorgenkind US-Konjunktur Die Angst vor einem Double Dip in den USA hat in den letzten Wochen nachgelassen. Unerwartet positive Meldungen vom Arbeitsmarkt und aus der Industrie haben die Marktstimmung belebt. Grundsätzlich bleibt die US-Konjunktur indes schwach. Der ISM-Index der Industrieproduktion ist zwar um einen Punkt auf 56,5 gestiegen und deutet somit auf kräftiges Wachstum hin (Werte über 50 indizieren Wachstum). Doch die dem Index zugrunde liegenden Faktoren signalisieren einen Rückgang des Index auf einen Stand von etwa 50 in den kommenden Monaten. Außerdem ist der ISM Non-Manufacturing Index, der die Wirtschaftstätigkeit des weitaus größeren Dienstleistungssektors misst, von 54,3 auf 51,5 Punkte gefallen. Ferner gibt der Index keinerlei Hinweise auf die Schaffung neuer Arbeitsplätze in diesem wichtigen Sektor. Die Zahl der Arbeitsplätze ist bisher praktisch nur im industriellen Bereich gestiegen. Im August stieg die Zahl der Arbeitsplätze im Privatsektor (Produktion und Dienstleistungen) um 67.000 und damit nicht genug, um der strukturell bedingten Arbeitslosigkeit entgegenzuwirken. Nach Berechnungen der Federal Reserve Bank of San Francisco müssten in den nächsten zwei Jahren jeden Monat 200.000 bis 300.000 neue Stellen geschaffen werden, um die Arbeitslosigkeit auf 8 % zu drücken. Das sind immer noch zwei Prozentpunkte über dem langfristigen Gleichgewichtsniveau der Arbeits- losigkeit, bei dem es zu keinem Druck auf die Veränderungsrate des Preisniveaus kommt . Weitere Impulse erforderlich – schwierige Entscheidung Die Federal Reserve weiß, dass die US-Konjunktur schwächelt. Ein struktureller Rückgang der Arbeitslosigkeit ist ohne weitere wirtschafts- und geldpolitische Anreize wohl nicht möglich. Doch die Trickkiste von Fed-Präsident Bernanke ist jetzt so gut wie leer. Der Leitzins kann nicht weiter gesenkt werden und die Ungewissheit, ob eine weitere quantitative Lockerung (Aufkauf von Staatsanleihen, um die Kapitalmarktsätze zu senken) den gewünschten Erfolg hätte, hält an.
US-Präsident Obama hat unlängst Infrastrukturinvestitionen in Höhe von 50 Mrd. US-Dollar angekündigt. Gemessen am amerikanischen Bruttoinlands- produkt ist das allerdings eher Kleingeld. Außerdem steht die Billigung durch den Kongress noch aus. Da im November Kongresswahlen anstehen und die Demokraten Umfragen zufolge in der Wählergunst gefallen sind, ist das also keine ausgemachte Sache. Der Ruf nach einer Erhöhung der Geldmenge zur Reduzierung des US- Haushaltsdefizits nimmt zu. Dies könnte die Nachfrage zwar kurzfristig ankurbeln, aber langfristig zu einem deutlichen Anstieg der Inflation führen, sofern staatliche und private Bilanzen gesund sind und die Überkapazitäten in der Industrie und auf dem Arbeitsmarkt abgebaut wurden. Überdies hängt die Inflationsrate vom geldpolitischen Kurs der Zentralbank ab. In jedem Fall handelt es sich bei der Vermehrung der Geldmenge um eine äußerst unorthodoxe Maßnahme, die zweifelsohne zu heftigen Debatten führen wird. Inflationsrate weiter rückläufig, aber keine Deflation Im Gegensatz zu manchen Marktbeobachtern erwarten wir einen weiteren Rückgang der Inflation in den Industrieländern. Nicht nur drückt die riesige Produktionslücke (Überkapazitäten in der Industrie und auf dem Arbeitsmarkt) die Inflationsrate nach unten, auch die Inflationsprognosen sind rückläufig. Wir rechnen allerdings nicht mit einem Abrutschen in die Deflation. Inflationsprognosen stützen sich häufig auf wahrnehmbare Preisveränderungen. Solange eine ausreichende Zahl von Produkten und Leistungen sich verteuert, sind gegenteilige Vorhersagen unwahrscheinlich. Insofern könnten die erwarteten strukturellen Preisanstiege bei Rohstoffen inflationstreibend wirken. Ein weiterer wichtiger Faktor sind die Löhne. So kann ein Rückgang der Nominallöhne in die Deflation führen. Zwar besteht derzeit kaum Potenzial für Lohnzuwächse, aber ein Rückgang der Nominallöhne ist äußerst unwahrscheinlich. Deutschland Motor der Eurozone In der EWU-Peripherie könnte es durchaus zur Deflation kommen. Hier werden zurzeit drastische Haushaltsmaßnahmen umgesetzt. Gleichzeitig können diese Länder ihre Wechselkurse nicht entsprechend anpassen. Daher müssen diese Länder zu Lohn- und Preissenkungen greifen, um die Auslandsnachfrage nach ihren Gütern und Leistungen zu befeuern. Nach unserer Einschätzung ist das Deflationsrisiko in der Eurozone insgesamt gering, da die EWU-Randstaaten nur einen relativ kleinen Teil der Eurozone ausmachen (ca. 18 % des Gesamt-BIP). Die bedenkliche Situation der Länder an der Euro-Peripherie wird von den Kernstaaten mehr als ausge- glichen. Die weitere Entwicklung wird zum großen Teil davon abhängen, inwieweit die deutsche Binnennachfrage den voraussichtlichen Einbruch beim Exportwachstum wettmachen kann. Wir sind hier optimistisch, denn einiges deutet darauf hin, dass sich der exportgetriebene Aufschwung in Deutschland auch auf die Binnenwirtschaft ausweitet. Im Juli sank die Arbeitslosigkeit in Deutschland im 14. Monat in Folge und liegt jetzt wieder auf Vorkrisen- niveau. Auch die Zahl der freien Stellen sowie die Arbeitsstunden steigen. Da deutsche Haushalte zudem nicht hochverschuldet sind, besteht Spielraum für einen Anstieg der Konsumausgaben.
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