Dr. Mark Mobius: Länderbrief Russland
Die Majestät und Schönheit des Schlosses Ostankino wurde von dem Turm nicht beeinträchtigt, und eine Führung durch diesen Prachtbau ist wie eine Reise in seine illustre Vergangenheit. Das im klassizistischen Stil gehaltene Schloss ist ganz und gar aus Holz – eines der größten Holzbauwerke der Welt. Aus diesem Grund war Rauchen strengstens verboten. Das Schloss Ostankino ist eines der wenigen russischen Palais, die noch mit Originalfußböden, Wandbespannungen, Möbeln, Gemälden und einer Reihe von Artefakten wie herrlichen italienischen Marmorskulpturen und Statuetten ausgestattet sind. Das Eindrucksvollste an diesem Gebäude ist, dass das Holz durch geschickte Bemalung wie Marmor und Stein wirkt. Auch bei näherem Hinsehen konnte ich nicht sagen, ob eine „marmorne“ Säule wirklich aus Marmor war. Heute beherbergt das Anwesen das staatliche russische Keramikmuseum. Dieses Museum verfügt über die wohl kostbarste Sammlung westlicher Porzellankunst in Osteuropa. Sie umfasst Exponate wie das Sèvres-Porzellan, das Napoleon im Jahr 1807 Zar Alexander I. schenkte. Die Räume sind wunderbar restauriert und erhalten, mit Originalmöbeln, Kunstgegenständen und – neben der Porzellansammlung – einer außergewöhnlichen Kollektion exquisiter Marmorstatuen aus Italien. Die Räume zieren flämische Gobelins aus dem 17. Jahrhundert, die Parks und Gärten abbilden, falsche Marmorwände und Säulen sowie Gemälde französischer Künstler. Nach der Führung durch das Schloss und die weitläufigen Gärten war es Zeit für die Oper. Wir betraten einen großen Saal – wie uns mitgeteilt wurde, das einzige erhaltene „Palasttheater” Russlands aus dem 18. Jahrhundert. Als die Musik einsetzte, bemerkten wir, dass der Raum über eine ganz besondere Akustik verfügt. Durch die Holzkonstruktion wurden keine Lautsprecher benötigt. Wir kamen in den Genuss eines Auszugs aus einer komischen Oper, kunstreich vorgetragen von den Studenten einer Moskauer Musikakademie. Wir fühlten uns zurückversetzt in alte Zeiten – als wären wir Gäste des Grafen Scheremetjew. Nach diesem Ausflug kehrten wir in die Realität zurück – zu Gesprächen mit russischen Unternehmen. Wir beschlossen, mit einer Firma zu beginnen, deren Produkt vermutlich bereits von Graf Scheremetjew serviert wurde: Wodka. Das Unternehmen ist einer der führenden Wodkaproduzenten Russlands. Seine Premium- Marke wird für 100 US-Dollar die Flasche verkauft. Ein Problem sind die Bestrebungen der russischen Regierung, den Wodkakonsum im Land durch höhere Besteuerung des Getränks zu verringern. Doch da es viele illegale Brennereien gibt, auf die ganze 35% der gesamten Produktion entfallen, geht das Management davon aus, dass ein Schlag gegen die widerrechtlichen Produzenten legitimen Herstellern wie ihnen zugute kommen könnte, auch wenn der Verbrauch insgesamt zurückgeht. Mit einem Marktanteil von 9% gehört das Unternehmen zu den größten Wodkaproduzenten Russlands. Seine Werbeinitiativen konzentrieren sich auf drei Marken und es hat große Summen in Marketing und Verkaufsförderung gesteckt – mit einer 1500-köpfigen Vertriebsmannschaft. Das Unternehmen will in gehobenere Marktsegmente vorstoßen und den Umsatz seines Premium-Wodkas steigern – nicht nur im Inland, sondern auch durch Export. In den USA wurden erstmals 50.000 Flaschen der Premium- Marke abgesetzt. Luxusgüter aus Russland finden also inzwischen ihren Weg in die Welt. Ein Schluck russischer Wodka schmeckt nach Russlands zauberhafter Vergangenheit, doch am lebendigsten wird dieser Zauber in den Palais des Landes. Während unserer Russlandreise besuchten wir aber auch ein vertikal integriertes Stahl- und Bergbauunternehmen. Es produziert 17 Millionen Tonnen Stahl im Jahr in drei integrierten Stahlwerken in der Uralregion und in Sibirien. Wie andere russische Unternehmen hat auch dieses expandiert und Firmen in Italien, Tschechien und sogar in den USA zugekauft. Der Konzern genießt den Vorteil, seine Stahlwerke mit eigenem Eisenerz und durch eigene Kohlminen versorgen zu können, und verfügt über einen Handelsseehafen im Fernen Osten Russlands, von dem aus die asiatischen Märkte mit Stahl beliefert werden. Steigende Stahlpreise und höhere Auftragseingänge aus dem In- und Ausland signalisierten dem Unternehmen, dass die globale Konjunktur anzog.
Beim Besuch eines Informationstechnologie-(IT)- Unternehmens erfuhren wir, dass sich russische ITDienstleister weiterentwickeln und dass unsere Gastgeber von dem staatlichen Budget für ITModernisierung profitieren. Das Unternehmen befasst sich mit Software-Entwicklung, IT-Dienstleistungen und Computer-Hardware. Zu seinen Kunden zählen über 1000 Organisationen, darunter staatliche Einrichtungen (Finanzministerium, Zollamt, Finanzamt, und so weiter) sowie große Aktiengesellschaften. In den letzten Jahren hat das russische Stromver- sorgungssystem einen drastischen Wandel durchlaufen – von einer behäbigen Organisation nach sowjetischem Muster zu einem dynamischeren Konglomerat von Privatunternehmen. Wir haben eines der daraus her- vorgegangenen Unternehmen besucht. Es kontrolliert eine Gruppe regionaler Stromnetzbetreiber im Ural, der Wolgaregion, dem Kaukasus und anderen Landesteilen. Die Pläne des Managements haben uns beeindruckt, doch angesichts des enormen Investitionsbedarfs war uns klar, dass die Dividenden gering ausfallen würden, da die Regierung – trotz des regulierungsbehördlichen Ziels eines Kosten-plus-Marge- Systems – Preissprünge beim Strom begrenzen möchte. Bei einem anderen Stromerzeuger erfuhren wir, dass ihm mittlerweile fast alle Wasserkraftanlagen Russlands gehören, was ihn zu einem der größten Wasserkraftunternehmen der Welt macht. Die Leistung des Unternehmens liegt weit unter seiner Kapazität. Das liegt an technischen Problemen in seinen Kraftwerken, überalterten Anlagen und vor allem daran, dass die größten Wasserkraftwerke in Sibirien und im Fernen Osten Russlands liegen – zu weit entfernt von den Hauptmärkten für Strom in Europa und dem Teil Russlands diesseits des Urals. Wie bei anderen Elektrizitäts- unternehmen in Russland freute sich auch hier das Management auf 2011, wenn die Strompreise ganz freigegeben werden sollen, damit angemessene Preise berechnet werden können, um Gewinn zu machen und genügend Geld für Modernisierung und zusätzliche Kapazitäten zu haben. Als Nächstes suchten wir einen lebensmittelverarbeitenden Betrieb auf, der vor allem Wurst, Fleischpasten, Dosenfleisch und Fertigfleischgerichte herstellt, aber auch Geflügel und Schweine züchtet. In Russland steigt der Verzehr von Geflügel und Schweinefleisch leicht an – im Gegensatz zum Rindfleischkonsum. Im Grunde geht es aber um die Steigerung des Marktanteils. Der Markt ist stark fragmentiert und entfällt in der Geflügelproduktion zu 8% auf das Unternehmen und in der Schweinezucht zu 5%. Es bieten sich Chancen zu organischem und nicht organischem Wachstum. Natürlich dürfen wir nicht vergessen, dass die Menschen auf dem Land immer noch selbst Schweine und Hühner halten. Die Margen im fleischverarbeitenden Gewerbe sind gering. Am höchsten sind sie bei Schweinefleisch mit immerhin 40%. Bis 2012 werden Agrarproduzenten in Russland noch steuerlich gefördert, was ausgeweitet werden könnte. Auch die Bewertungen wirken reizvoll, doch das größte Risiko besteht im hohen Investitionsaufwand. Das Unternehmen ist ganz auf Expansionskurs, weil Kredite billig sind und das Management davon ausgeht, dass es erhebliche Marktanteile gewinnen kann. Insgesamt war die Reise nach Russland sehr informativ und wir haben wieder mehr über die Anlagechancen auf diesem Markt in Erfahrung gebracht.
Disclaimer: Diese Meldung ist keine Empfehlung zu einer Fondsanlage und keine individuelle Anlageberatung. Vor jeder Geldanlage in Fonds sollte man sich über Chancen und Risiken beraten und aufklären lassen. Der Wert von Anlagen sowie die mit ihnen erzielten Erträge können sowohl sinken als auch steigen. Unter Umständen erhalten Sie Ihren Anlagebetrag nicht in voller Höhe zurück. Die in diesem Kommentar enthaltenen Informationen stellen weder eine Anlageempfehlung noch ein Angebot oder eine Aufforderung zum Handel mit Anteilen an Wertpapieren oder Finanzinstrumenten dar.
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