28.01.2011
Sieben Thesen zum deutschen Aufschwung: VP Bank analysiert die Ursachen
Köln, den 28.01.2011 (Investmentfonds.de) - Anlässlich einer Medienveranstaltung
präsentierte Dr. Jörg Zeuner, Chief Economist der VP Bank Gruppe, sieben Thesen
zu Deutschlands Aufschwung. Deutschlands Wirtschaft profitierte 2010 demnach von
ihrer hohen internationalen Wettbewerbsfähigkeit, ihren intensiven Handelsbezie-
hungen mit den Schwellenländern, dem beherzten Einsatz von Kurzarbeit während
der Krise, niedrigen Kreditzinsen, einem hohen Anteil der Industrieproduktion
am BIP sowie ihrer hohen Produktivität. Die wirtschaftliche Erholung Deutschlands
wird sich mit gebremster Dynamik auch 2011 fortsetzen.
Deutschland präsentierte sich während der europäischen Schuldenkrise 2010 mit
einem Wirtschaftswachstum von 3.6% als Musterknabe in den Reihen der Euroländer.
Trotz einer tiefen Basis infolge der krisenbedingten Abnahme des Bruttoinlands-
produkts (BIP) 2009 um 4.7% überraschte Deutschlands Wachstum im Jahr 2010
positiv, erklärte Dr. Jörg Zeuner, Chief Economist der VP Bank, vor der Presse
in München. Als Ergebnis einer Analyse des deutschen Aufschwungs benannte Dr.
Zeuner mehrere Faktoren, die die wirtschaftliche Entwicklung Deutschlands positiv
beeinflusst haben.
Erstens: Internationale Wettbewerbsfähigkeit durch Lohnzurückhaltung
Deutschland hat sich im Vergleich mit anderen Euroländern im zurückliegenden
Jahrzehnt einen erheblichen Vorteil bei den Lohnstückkosten erarbeitet. Während
diese in Frankreich um 20% und in Griechenland, Italien und Spanien um über 30%
gestiegen sind, liegen sie in Deutschland lediglich 5% höher als um die Jahr-
tausendwende. Dieser Kostenvorteil ermöglicht es der deutschen Exportwirtschaft,
inner- und außerhalb der Währungsunion wettbewerbsfähig zu sein.
Zweitens: Intensive Handelsbeziehungen mit den Schwellenländern
Der deutsche Exportsektor profitierte im zurückliegenden Jahr besonders von den
intensiven Handelsbeziehungen mit den Schwellenländern. Rund 13% der deutschen
Exporte sind für diese Länder bestimmt, darunter vor allem die besonders wachstums-
starken asiatischen Staaten wie China oder Indien. Der Handel mit den Schwellen-
ländern erreicht bei Frankreich einen nur etwa halb so hohen Anteil am Export,
die USA sind bei der Warenausfuhr an Schwellenländer nochmals schwächer posi-
tioniert.
Drittens: Einsatz von Kurzarbeit in einer kurzen Krise zahlt sich aus
Eine wichtige Ursache für die schnelle wirtschaftliche Erholung Deutschlands
liegt im beherzten Einsatz der Kurzarbeit in der Finanzkrise. Während in anderen
Ländern mit einer langen Rezession gerechnet und Mitarbeiter entlassen wurden,
befanden sich in Deutschland im Mai 2009 rund 1.5 Mio. Beschäftigte in Kurzarbeit.
So war es möglich, die Produktion ohne zeit- und kostenintensive Einstellungen
und Schulungen rasch zu steigern, als die Nachfrage nach dem schnellen Ende der
Krise wieder anzog. Die Kosten für den Staat waren angesichts der Rückkehr zu
Wachstum im letzten Jahr begrenzt, der private Konsum erfuhr die notwendige
Unterstützung.
Viertens: Fallende Zinsen verbessern Kreditkonditionen deutscher Unternehmen
Aufgrund der Leitzinssenkungen der EZB nach dem Zusammenbruch von Lehman Brothers
fielen mehrheitlich auch die Renditen der Staatsanleihen der Euroländer. Gleich-
zeitig sorgte die erhöhte Risikoaversion der Investoren jedoch dafür, dass die
Renditen von Anleiheschuldnern, die ein geringeres Vertrauen genossen, weiter
anstiegen. Der Ausbruch der EU-Schuldenkrise verstärkte diesen Effekt noch –
die Renditen von Anleihen etwa aus Griechenland explodierten regelrecht. Die
Suche nach Sicherheit führte in einer Gegenbewegung zu einer Flucht der Anleger
in deutsche Bundesanleihen und sorgte für einen anhaltenden Rückgang von deren
Renditen. Da die Kreditzinsen meistens an die Renditen der Staatsanleihen gebunden
sind, begünstigte diese Entwicklung die deutschen Unternehmen: Die Finanzierung
neuer Investitionen war für sie zu deutlich besseren Konditionen möglich als für
Unternehmen in anderen Ländern der Eurozone. Die Finanzierung von neuen Lager-
beständen – ein wichtiger Wachstumstreiber 2010 – war günstig.
Fünftens: Hoher Anteil der Industrieproduktion am BIP
In der zurückliegenden Banken- und Immobilienkrise profitierte die deutsche Wirtschaft
in doppelter Hinsicht von ihrer Struktur. Während der Beitrag zum BIP aus
Finanzdienstleistungen im weiteren Sinne etwas geringer ausfällt als beispielsweise
in Großbritannien, ist der Anteil aus dem Industriesektor mit rund 20% weit größer
als auf den britischen Inseln. Ein vergleichsweise hoher Industrieanteil sorgte im
beginnenden Aufschwung für eine rasche Erholung – gerade vor dem Hintergrund der
exzellenten internationalen Handelsbeziehungen Deutschlands und des schwachen Euros.
Sechstens: International herausragende Produktivität der deutschen Wirtschaft
Neben den Lohnstückkosten zeigt sich die Produktivität der deutschen Wirtschaft auch in Form des Beitrags zum BIP, der in einer Arbeitsstunde geleistet wird. Dieser Wert hat sich in Deutschland während des zurückliegenden Jahrzehnts weitgehend konstant gehalten und liegt heute mit über 40 Euro deutlich vor den USA und Großbritannien. Auch dieser Faktor hat den jüngsten Aufschwung der deutschen Wirtschaft maßgeblich angetrieben.
Siebtens: Wachstum der deutschen Wirtschaft wird sich 2011 fortsetzen
Die Prognosen für den Wirtschaftsverlauf 2011 lassen die VP Bank verhalten optimistisch in die Zukunft blicken. Nach Ansicht von Chief Economist Zeuner wird sich die weltweite Konjunktur weiter erholen, wenn auch nicht mit der Dynamik des Jahres 2010. Die Wachstumsraten werden in diesem Jahr niedriger ausfallen und die US-Wirtschaft wird mit 2% schneller wachsen als die Eurozone mit 1.5%. Innerhalb der Eurozone wird Deutschland – nicht zuletzt aufgrund seiner spezifischen Wettbewerbsvorteile – mit einem BIP-Wachstum von bis zu 2.5% die wesentlichen Impulse geben.
Quelle: Investmentfonds.de