Aktuelle Markteinschätzung der Weberbank
In den USA sehen wir inzwischen vereinzelte Lichtblicke. Beispielsweise hat sich das ISM-Geschäftsklima, welches vereinfacht gesprochen die Stimmung in der Industrie misst, zuletzt verbessert. Auch hat der private Konsum bei der letzten Veröffentlichung des Bruttoinlandsproduktes einen erfreulich positiven Beitrag gezeigt. Auf der anderen Seite ist die Arbeitslosigkeit in den USA weiter hoch und der Immobilienmarkt sehr schwach. Im Zusammenspiel erwarten wir deshalb zwar keinen Rückfall in die Rezession, aber auch kein Erholungswunder in den USA, was langfristig auch das Potential des US-Dollars begrenzen sollte. In Europa bleibt Deutschland die Wachstumslokomotive. Das gute Konsumklima schlägt sich aber leider nicht in einem tatsächlichen Wachstum der Einzelhandelsumsätze nieder. Auch wir waren erstaunt, als wir die veröffentlichten Zahlen zu eben jenen Einzelhandelsumsätzen des Dezembers sahen. Sie zeigten nämlich saisonbereinigt einen erneuten Rückgang. Was hatten die Einzelhandelsverbände und Wirtschaftsforschungsinstitute nicht alle für Lobeshymnen gesungen, wie erfolgreich das Weihnachtsgeschäft sei und dass der Aufschwung nun auch beim Konsumenten angekommen wäre. Allein die tatsächlichen Zahlen können diesen Zweckoptimismus der Einzelhändler nicht belegen. Trotzdem wäre es falsch, von einer erneuten Krise in Deutschland zu sprechen, denn dank erfolgreicher Exportaktivitäten sticht Deutschland als Primus unter den europäischen Ländern heraus. Und in den Schwellenländern, in die große Teile unserer Exporte gelangen, sehen wir weiterhin robuste Wachstumszahlen. Hier befürchtet man eher Überhitzungstendenzen, weshalb z.B. die chinesische Regierung eine ganze Reihe von Maßnahmen zur Einbremsung des Wirtschaftswachstums beschlossen hat. Soviel zum groben Überblick. Warum aber fallen aktuell die Kurse deutscher Anleihen, wenn es der deutschen Volkswirtschaft doch so gut geht? Immerhin ist die Rendite 10-jähriger Bundesanleihen seit Oktober letzten Jahres von gut 2% auf nunmehr fast 3,25% gestiegen. Das bedeutet nichts anderes, als dass Deutschland gut 1,25 Prozent- punkte mehr ausgeben muss, um Geldgeber zu überzeugen, dem Staat für die nächsten 10 Jahre Geld zu leihen. Mithin fallen die Kurse der Bundesanleihen, da die Investoren mehr Rendite für ihr eingesetztes Kapital verlangen. Das klingt zunächst nicht ungewöhnlich, und 1,25 Prozentpunkte scheinen vernachlässigbar. Ein historischer Vergleich zeigt jedoch, wie bedeutsam diese Entwicklung ist. Normalerweise senken die Zentralbanken in wirtschaftlichen Krisen ihre Leitzinsen, um das Wirtschafts- wachstum wieder anzukurbeln und einen Preisrückgang (Deflation) zu verhindern. Wenn sich die Wirtschaft dann erholt, arbeiten sie mit Zinserhöhungen, um einen starken Preisanstieg (Inflation) einzubremsen. Nach der letzten Krise wurde der europäische Leitzins zwischen 2005 und 2008 in neun Schritten um 2,25%-Punkte bis auf 4,25% angehoben. Die Renditen 10-jähriger Bundespapiere stiegen damals ihrerseits um 1,7%-Punkte. In der aktuellen Situation hat eben jene 10- Jahres-Rendite mit den erwähnten 1,25%-Punkten also schon gut 70% des Anstieges verzeichnet, den wir im gesamten letzten Zinszyklus gesehen haben. Und das obwohl die Europäische Zentralbank ihren Leitzins noch gar nicht angehoben hat und sogar darauf hinweist, dass sie dies derzeit nicht plane. Denn der Anstieg der Inflation, über den zuletzt berichtet wurde, beruht auf dem Anstieg von Energiekosten, also insbesondere von Öl und Benzin- preisen. Diese Preisanstiege kann die Europäische Zentralbank mit ihrem Leitzins aber gar nicht bremsen. Mit ihrer Leitzinspolitik kann sie die Kreditvergabe beeinflussen und damit die Aktivität der Industrie und mithin die Entwicklung der Löhne. Rohstoff- preise werden nicht durch die Kreditvergabe beeinflusst. Außerdem geht die EZB nun von einem vorübergehenden Anstieg der Inflation aus und sieht deshalb noch keinen Handlungsbedarf. Zumal eine Zinsanhebung immer eine wirtschaftliche Bremswirkung entfaltet, die die kriselnden europäischen Peripheriestaaten, wie Griechenland und Irland, in ihrer Erholung weiter zurückwerfen würde. Und genau hier ist der Grund für den ungewöhnlichen Kursverlust deutscher Staatsanleihen zu sehen. Denn sah man Deutschland zu Beginn der Eurokrise noch als „sicheren Hafen“, so befürchtet man inzwischen, dass Deutschlands Staatshaushalt durch den europäischen Rettungsschirm beeinträchtigt werden könnte und sieht dementsprechend deutsche Anleihen als weniger sicher an. Und genau deswegen steigen die Renditen deutscher Anleihen, obwohl der Zinszyklus dieses normalerweise gar nicht hergibt. Wie lange dieser ungewöhnliche Trend anhält, ist schwer zu sagen. Sicherlich sollten wir aber die Beschlüsse zum endgültigen Krisenmechanismus des europäischen Parlamentes genau beobachten. Wenn dann ein Ergebnis erzielt wird, welches Deutschland nicht über Gebühr belastet, könnten wir eine schnelle Gegenreaktion der Rentenmärkte sehen, was dann sofort wieder Kurspotential für deutsche Staatsanleihen mit sich brächte.
Die Aktienmärkte schlagen sich aufgrund einer sehr positiven Berichtssaison in den USA im Gegensatz zum Rentenmarkt übrigens im Moment recht wacker, und wir erwarten, dass der positive Trend der noch ausstehenden Ergebnisse stützend wirkt. Und auch Gold sehen wir nach einer kurzen Konsolidierung im durch Unsicherheit geprägten Umfeld weiter positiv.
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