15.02.2011
AXA: Weltweiter Aufschwung der Industrieproduktion bestätigt
Köln, den 15.02.2011 (Investmentfonds.de) - Gefährliche Wegstrecke
Die tiefe Rezession des Jahres 2008 hat Spuren hinterlassen, aber die Weltwirtschaft
macht Fortschritte. An der Spitze stehen die Emerging Markets. Sie haben die hoch-
verschuldeten Industrieländer weit hinter sich gelassen. Aber auch in den Schwellen-
ländern hat die private Verschuldung rapide zugenommen. Während ihnen eine Überhitzung
droht, könnten die europäischen Peripherieländer am Ende leicht den Anschluss verlieren.
Dazwischen stehen die USA. Noch bedürfen sie einer expansiven Geld- und Fiskalpolitik,
aber die deutliche Verbesserung am Arbeitsmarkt könnte schon bald für einen selbst-
tragenden Aufschwung sorgen.
Zu Jahresbeginn scheint es immer schneller voran zu gehen. In Asien hat der Lagerzyklus
den Wendepunkt überschritten; in den USA und Europa dürfte sich die Dienstleistungskon-
junktur beschleunigen. All dies darf uns aber nicht von den noch immer vorhandenen
Systemrisiken ablenken. Die Erholung der USA im 4. Quartal 2010 wurde mit einem Rückgang
der privaten Sparquote erkauft, und nach dem Haushaltskompromiss zwischen Präsident
Obama und den Republikanern wird das Defizit auch 2011 knapp 8% des BIP betragen.
Auch an der amerikanischen Geldpolitik dürfte sich 2011 nichts ändern. Das erklärt,
weshalb die Notenbanken der Emerging Markets kaum zu einer merklichen Straffung bereit
sind – trotz klarer Anzeichen für eine Überhitzung. Die abwartende Haltung der Fed
steht bereits jetzt in deutlichem Gegensatz zur Rhetorik der EZB, die eine importierte
Inflation befürchtet. Diese Diskrepanz erklärt auch die deutliche Aufwertung des Euro
gegenüber dem Dollar seit Januar, die die Sparpolitik in Südeuropa alles andere als
einfacher macht.
Weil die Weltwirtschaft auch ohne große Reformen wieder auf Wachstumskurs ist, werden
jetzt die alten Fehler wiederholt. Eine lasche Geldpolitik sorgt für Rohstoffpreis-
inflation, und die Industrieländer betreiben weiter Schuldenpolitik.
Alles in Ordnung, jedenfalls zunächst
Trotz dieser strukturellen Risiken sprechen die Frühindikatoren dafür, dass die
Weltwirtschaft im 1. Quartal 2011 um knapp 5% (annualisiert) wächst. Nach der Schwäche
im Sommer deutet viel auf eine Erholung des Welthandels hin, in Westeuropa und Asien
dürfte die Industrieproduktion vom weiteren Aufbau der Lagerbestände profitieren,
und auch in den USA wird sich die Industriekonjunktur vermutlich beschleunigen. Hier
sind die Auftragseingänge nicht mehr weit von ihrem Allzeithoch entfernt, und in
Deutschland und Japan haben sie sich im Januar stark erholt. Nach den Einkaufsmanager-
indizes erholt sich die Industrie auch in den Emerging Markets (Brasilien, Russland
und Türkei).
Emerging Markets: Abschwächung im 2. Halbjahr
Seit 2009 hat China die Erholung der Weltwirtschaft angeführt. Jetzt bietet das Land
aber einen Vorgeschmack auf die unvermeidliche Abschwächung der Emerging Markets in
der zweiten Jahreshälfte. Die Rohstoffpreisinflation und der sich überhitzende
Wohnimmobilienmarkt gelten als Bedrohung für Chinas soziale Stabilität. Man hat
daher begonnen, die Geldpolitik zu straffen. In der ersten Jahreshälfte 2011 dürfte
auch die Binnennachfrage nicht mehr so stark zulegen, so dass das BIP-Wachstum unter
9% fällt. Indien wird der chinesischen Geldpolitik folgen müssen – die Alternative
wäre ein Glaubwürdigkeitsverlust und eine massive Kapitalflucht. In Brasilien ist
die Lage grundsätzlich ähnlich wie in Indien, allerdings gibt es weniger Anzeichen
für eine Überhitzung. Außerdem dürfte eine Straffung der Fiskalpolitik hier leichter
durchsetzbar sein. Alles in allem erleichtert das starke US-Wachstum im ersten Halbjahr
den Notenbanken der Emerging Markets eine Straffung der Geldpolitik, die auch den
Auftrieb der Rohstoffpreise dämpfen würde.
Die unvermeidbare Abschwächung der Emerging Markets wirft die Frage auf, ob die Erholung
der Industrieländer wirklich nachhaltig ist. Die Lage in den USA rechtfertigt sicher
einen gewissen Optimismus. Lange hieß es, der Aufschwung würde am Arbeitsmarkt
vorbeigehen, doch jetzt scheint die Erholung stark genug zu sein, damit auch die
Arbeitslosenquote fällt. Im Januar hat die Arbeitsmarktkomponente des Einkaufsmanager-
index ihr Rekordniveau der Jahre 2004 bis 2006 wieder erreicht. Das bedeutet, dass
jeden Monat etwa 200.000 neue Stellen geschaffen werden. Dank dieser Erholung könnte
in der zweiten Jahreshälfte der Konsum die Investitionen als wichtigsten Wachstums-
treiber ablösen, und das BIP könnte gegen Jahresende um etwa 3,5% (annualisiert)
wachsen.
Für die anderen Industrieländer wäre eine schwächere Emerging-Market-Konjunktur aber problematischer.
Umfrageergebnisse, etwa der Banque de France, legen zwar nahe, dass in Europa auch
weiterhin viel investiert wird. Bis jetzt hat die Erholung der Industrie aber nur
in Deutschland zu einem deutlichen Rückgang der Arbeitslosigkeit geführt.
Weil in Deutschland jetzt endlich auch die Löhne steigen (so wurde bei Volkswagen
eine durchschnittliche Lohnerhöhung von 3,8% vereinbart), dürfte auch der deutsche
Konsum 2011 stärker zulegen. Im Gegensatz dazu hat sich aber das Verbrauchervertrauen
in Frankreich, Italien und Spanien nicht mehr weiter verbessert, und in Großbritannien
ist es sogar eingebrochen. Der Euroraum wird 2011 durch staatliche Sparmaßnahmen in
Höhe von etwa 1,6% des BIP gebremst.
Das Marktumfeld macht die notwendigen Reformen im Euroraum sicher einfacher, doch droht
wegen der politischen Krisen im Nahen Osten noch immer ein Anstieg der Rohstoffpreise.
Glücklicherweise scheint die US-Konjunktur aber wieder fähig zu sein, die Weltwirtschaft
voranzubringen – just in dem Augenblick, in dem die Emerging Markets um eine
Konjunkturdämpfung bemüht sind.
Renten: Steil, steiler, USA
Die Kombination aus unerwartet hohem Wachstum und steigenden Inflationssorgen sorgt
in den USA für eine einzigartige Zinsstruktur. Sobald sich die Investoren aber wieder
sicher sind, dass die Fed ihren Leitzins bis zum Jahresende nicht ändert, könnten
Käufe kurzfristiger Anleihen auch die langfristigen Renditen einstweilen stabilisieren.
Dennoch bleiben wir bei unserer Langfristprognose, dass die Renditen Ende 2011 sogar
noch höher sein werden als jetzt (etwa 4% oder mehr bei US-Staatsanleihen) – denn die
besseren Konjunkturdaten und wachsenden Inflationssorgen werden am Ende auch Aus-
wirkungen auf die Geldpolitik haben. Mit dem stärksten Anstieg rechnen wir daher im
kurzen Laufzeitsegment (bis zu 150 Basispunkte, sobald die Fed mit Zinserhöhungen
beginnt).
In Deutschland (und einigen Nachbarländern) scheint alles in bester Ordnung zu sein,
aber viele andere Länder befinden sich noch immer in der Rezession, insbesondere die
südeuropäische Peripherie. Daher glauben wir, dass die EZB ihre Leitzinsen in den
nächsten zwei Jahren nur moderat anheben wird und damit im 4. Quartal 2011 beginnt.
Wir rechnen mit einem nur leichten Anstieg der Langfristzinsen auf etwa 3,5 bis 4%.
Zum Glück ist der Politik bewusst, dass sie die drängenden Probleme der Staatsschulden-
krise lösen muss. Viele Länder haben sich aber bereits ablehnend zum deutsch-fran-
zösischen Vorschlag eines „Wettbewerbspakts“ geäußert. Die Verhandlungen über eine
grundsätzliche Reform sind alles andere als einfach, und die „Schlacht um Spanien“
wurde zunächst nur vertagt. Wir halten es für sinnvoll, Peripherieländeranleihen
abzusichern.
Inflation: Vorübergehend höher
Die jüngsten Inflationsdaten aus den Emerging Markets und den Industrieländern bestä-
tigen eines unserer Risikoszenarien: Das Inflationsrisiko steigt. Angesichts dessen
halten wir amerikanische inflationsindexierte Anleihen noch immer für interessant.
In den USA ging die fünfjährige Breakeven-Inflation auf etwa 2,6% zurück. Wir halten
dies angesichts des aktuellen Inflationsdruck für zu wenig. Eher schon könnte die
Teuerung auf kurze Sicht überraschend hoch ausfallen.
Vertrauen in Unternehmensanleihen
Trotz des bereits deutlichen Rückgangs der Ausfallquoten halten wir angesichts der
Konjunkturerholung noch niedrigere „Defaults“ für denkbar – denn die Bilanzen der
Unternehmen verbessern sich weiter. Die insgesamt sehr niedrigen Renditen lassen
aber den Puffer dieser Assetklasse schrumpfen. Üblicherweise reagieren Investmentgrade-
Anleihen als erstes auf steigende Zinsen, während Hochzinsanleihen hier mehr Schutz
bieten. Bei unserer Sektorallokation bevorzugen wir weiterhin zyklische Werte.
Aktien: Investieren ja, aber mit Absicherung
Weil die Konjunkturdaten noch immer überraschend gut sind, spricht viel für unsere
Prognose, dass die Unternehmensgewinne 2011 weltweit um etwa 10% steigen. Allerdings
könnte uns bald eine Straffung der Geldpolitik bevorstehen. Erste Maßnahmen erwarten
wir für die 2. Jahreshälfte 2011. An den Aktienmärkten wird dies nicht spurlos
vorübergehen.
In der zweiten Phase eines Konjunkturzyklus gehen die Bewertungskennziffern meist
wieder zurück. Diesmal scheinen amerikanische Aktien aber noch immer sehr billig zu
sein. Ihr Durchschnittskurs beträgt zurzeit das 13,5-fachen der für 2011 erwarteten
Gewinne, was sowohl im historischen Vergleich als auch gemessen am fairen Wert (15,0x)
wenig ist. Deshalb dürften die Aktienkurse in diesem Jahr ähnlich stark steigen wie
die Unternehmensgewinne, also um etwa 10%.
Für Gegenwind an den Aktienmärkten sorgt aber die Befürchtung, dass die Geldpolitik
gestrafft wird. Die Bank of England wird im 3. Quartal vermutlich den Anfang machen.
Andererseits scheint sich die europäische Staatschuldenkrise zu entschärfen, weil
sich die Politik zu einer umfassenden Lösung durchringt. Euroraum-Aktien dürfte dies
Auftrieb geben. Entscheidend für die Aktienmarktentwicklung in diesem Jahr ist also
zweierlei: die weltweite Inflation und die europäische Schuldenkrise auf der einen
und die anhaltende Konjunkturerholung auf der anderen Seite.
Alles in allem empfehlen wir wegen der guten Konjunktur weiter, in risikobehaftete
Wertpapiere zu investieren. Wir raten aber auch zu einem Mindestmaß an Absicherung,
um sich vor den oben beschriebenen Fallstricken zu schützen.
Auf Länderebene empfehlen wir begrenzte Gewinnmitnahmen bei Emerging-Market-Aktien,
um das Portfolio-Beta zu reduzieren. Das Wachstum ist so hoch, dass eine Überhitzung
droht und Inflationsängste aufkommen können, und auch die Bewertungen sind nicht
außergewöhnlich niedrig. Übermäßig hoch sind sie allerdings auch nicht. In Europa
bevorzugen wir weiterhin konjunktursensitive Aktien. Finanzwerte bleiben unter-
gewichtet.
Quelle: Investmentfonds.de