16.03.2011
Dexia: Ölgeruch statt Jasminduft - Märkte aktuell
Köln, den 16.03.2011 (Investmentfonds.de) -
- Die Krise im Nahen Osten und Nordafrika hat die Emerging Markets unvorbereitet
getroffen.
- Bereits seit dem 4. Quartal 2010 sorgten nachlassendes Wachstum und steigende
Inflation für starken Verkaufsdruck. Jetzt kommen mit politischen Risiken und
steigenden Ölpreisen neue Belastungsfaktoren für die Emerging Markets hinzu.
- Trotzdem zeichnen sie sich weiter durch deutlich bessere Wachstumsaussichten
und langfristige Fundamentaldaten aus als die meisten Industrienationen.
- Die derzeitige Lage könnte deshalb ideal sein, um Emerging-Market-Positionen
aufzubauen.
- 2011 wird die Performance mehr denn je von der Länder-, Branchen- und
Einzelwertauswahl abhängen.
Die zögerliche Erholung nach der Finanzkrise, die Staatsschuldenkrise in Europa und
die zunehmenden Inflationssorgen in den Emerging Markets und vor allem in China waren
offensichtlich noch nicht genug: Die Krise im Nahen Osten und in Nordafrika hat die
Märkte überrascht.
Was bedeuten politische Risiken für den Ölpreis?
So wie das Ende des Kommunismus im Jahr 1989 mit dem Fall der Berliner Mauer seinen
Anfang nahm, könnte die „Jasminrevolution” in Tunesien der Beginn einer echten
demokratischen Wende in der meist autoritär regierten arabischen Welt sein. An den
Finanzmärkten werden zurzeit aber vor allem die kurzfristigen geopolitischen Risiken
wahrgenommen, und mehr noch die Auswirkungen auf den Ölpreis und die Weltwirtschaft.
Die schnellen und fast gewaltfreien Revolutionen in Tunesien und Ägypten – zwei
Ländern ohne nennenswerte Ölförderung – hatten kaum Auswirkungen auf den Ölpreis.
Mit dem Übergreifen der Krise auf Nachbarländer wie Libyen, Bahrain, Jemen und Oman
hat sich das geändert. Insbesondere die nur bedingt vergleichbaren Unruhen in Libyen
machen die Anleger nervös: Das Land ist seit seiner Gründung in den 1950er Jahren
ein eher künstliches und von Stammesdifferenzen geprägtes Gebilde, so dass die
Situation hier durchaus zu einem Bürgerkrieg mit vielen Toten und völligem Chaos
eskalieren könnte.
- Libyen ist zwar ein wichtiger Rohöllieferant für Europa, hat aber nur einen Anteil
von 2 Prozent an der Welt-Ölproduktion. Wie vor kurzem mitgeteilt wurde, könnte ein
Ausfall durch erhöhte Lieferungen aus Ländern wie Saudi-Arabien ausgeglichen werden.
Wenn die Krise auf Libyen und einige kleinere Länder in der Region beschränkt bleibt,
wären die Auswirkungen auf die Ölversorgung also handhabbar.
Allerdings könnte sich die Lage dramatisch ändern, wenn die Krise auch auf Algerien
(einen wichtigen Gasproduzenten) übergreift und natürlich erst recht, wenn es zu
Problemen mit der Ölversorgung aus Saudi-Arabien mit seinem 12-prozentigen Anteil
an der Welt-Ölproduktion kommt. Die Proteste in Nordafrika haben sich bislang vor
allem gegen Arbeitslosigkeit, Demokratiedefizite, Lebensmittelinflation und ähnliches
gerichtet. Im Nahen Osten dagegen sind politischere Unruhen zu erwarten, in denen die
Spaltung zwischen Sunniten und Schiiten wieder zum Tragen kommen könnte. Weil diese
(Öl-)Staaten größtenteils sehr reich sind, könnten sich ihre Herrscher mit höheren
Sozialausgaben den Frieden erkaufen. Der saudische König Abdullah hat dies kürzlich
vorgemacht.
Auch andere Faktoren lassen das Risiko einer Störung der saudischen Ölproduktion
überschaubar erscheinen:
- Die Sicherheitsmaßnahmen um die Ölanlagen sind sehr streng – unter anderem gibt
es eine 35.000 Mann starke Truppe, die speziell für ihren Schutz ausgebildet wurde.
- Die Anlagen für Öl- und Gasgewinnung sind weit über das Land verstreut (über ein
Gebiet größer als Großbritannien).
- Der Großteil des Personals für die Produktion besteht aus Saudis (die Anlagen in
Libyen wurden vor allem geschlossen, weil ausländische Ölproduzenten ihr Personal
dort abgezogen haben).
- Zudem hat die Vergangenheit gezeigt, dass die Ölproduktion in Saudi-Arabien recht
widerstandsfähig gegen Störungen ist, selbst gegen Unruhen im Land selbst.
- Insgesamt halten wir das Risiko in Saudi-Arabien für gering.
Das Worst-Case-Szenario, wenn auch ein unwahrscheinliches, wäre eine Ausbreitung der
Unruhen auf andere „undemokratische” Länder wie den Iran oder sogar China. Zum schon
jetzt unsicheren Ausblick für die Weltwirtschaft kämen dann noch erhebliche geopolitische
Risiken hinzu.
Auswirkungen auf den Ölpreis
Die Folgen eines steigenden Ölpreises für die Weltwirtschaft und die Finanzmärkte
liegen auf der Hand. Sie sind aber von Land zu Land sehr unterschiedlich.
- Viel hängt davon ab, ob ein Land Nettoimporteur oder Nettoexporteur ist und wie
ölintensiv seine Volkswirtschaft ist (Ölverbrauch/Wertschöpfung). Hinzu kommen die
Auswirkungen des Ölpreisanstiegs auf Staatshaushalt und Leistungsbilanz und der Anteil
von Öl am Verbraucherpreisindex.
- Auch das Tempo und das Ausmaß eines Ölpreisanstiegs müssen berücksichtigt werden,
ebenso wie die Frage, ob er nachfragegetrieben ist (wie beim stetigen Anstieg von Mitte
2007 bis Mitte 2008) oder angebotsgetrieben (wie jetzt).
- Schätzungen zufolge würde ein Anstieg des Ölpreises um 10 USD das Weltwirtschafts-
wachstum um etwa 0,1 bis 0,2 Prozentpunkte verringern; ein Anstieg auf 150 USD je
Barrel würde eine Verringerung um einen Prozentpunkt zur Folge haben.
- Neben den direkten Auswirkungen sind auch Sekundäreffekte zu beachten: unter anderem
abnehmendes Unternehmer- und Verbrauchervertrauen, Margendruck, Forderungen nach höheren
Reallöhnen, Inflation.
Auswirkungen auf die Emerging Markets
- Grundsätzlich wird davon ausgegangen, dass die Emerging Markets, und zwar vor allem
die asiatischen, von einem deutlichen Anstieg des Ölpreises überdurchschnittlich
betroffen wären:
- wegen der außenwirtschaftlichen Folgen: steigende Importpreise, geringere
Exportnachfrage durch schwächere Weltkonjunktur
- wegen der Auswirkungen auf die Staatsfinanzen in Ländern mit Treibstoffsubventionen
(wie Indien)
- wegen der Gefahr eines Inflationsschocks
- In manchen Ländern mit engen Handelsverflechtungen mit der arabischen Welt (und hohen
Investitionen aus diesen Ländern) könnte es zusätzliche negative Folgen geben, z.B. in
der Türkei und in Südkorea.
- Für ölproduzierende Länder wie Russland ist der steigende Ölpreis günstig.
Unser aktueller Ausblick für Emerging-Market-Aktien
Nach der Rallye der letzten Jahre – 2009 ist der MSCI EM um 58,65 Prozent gestiegen,
2010 um 11,69 Prozent – könnte die zuletzt unterdurchschnittliche Entwicklung von
Emerging-Market-Aktien (-1,82 Prozent seit Jahresbeginn 2011) zumindest vorübergehend
anhalten. Ein Vergleich mit 2008, als der Ölpreis bis kurz vor der Finanzkrise geradezu
explodierte, wäre unangemessen: Damals ließen die Subprimekrise und der Zusammenbruch
von Lehman Brothers die Weltkonjunktur einbrechen, so dass sich die Emerging Markets
Ende 2008 vorübergehend stark unterdurchschnittlich entwickelten. Derzeit liegt das
Problem aber weniger an mangelnder Liquidität, und anders als 2008 gibt es heute auch
keine Zwangs- oder Panikverkäufe.
Dennoch leben wir in unsicheren Zeiten. Vor dem Ausbrechen der Unruhen in der arabischen
Welt war die Stimmung in den Industrienationen auf dem Weg der Besserung, und die Märkte
hatten bereits stark zugelegt. Durch den steigenden Ölpreis könnte wieder deutlich
werden wie instabil die Weltwirtschaft noch immer ist und zu erhöhter Risikoaversion
und Volatilität führen.
Dennoch spricht noch immer einiges für Emerging-Market-Aktien:
- Die Risikoprämie lässt keine Überbewertung erkennen.
- Nicht zu vergessen ist China die zweitgrößte Volkswirtschaft der Welt und nach
allgemeiner Einschätzung von zentraler Bedeutung für die Markt- und Konjunkturent-
wicklung weltweit. Dort hat der jährliche Volkskongress am 5. März den nächsten
Fünfjahresplan beschlossen. Er sieht eine strukturelle Neuausrichtung der chinesischen
Volkswirtschaft vor, was nicht nur für das Land selbst weitreichende Folgen haben
dürfte, sondern auch die gesamte Weltwirtschaft voranbringen könnte.
- Wenn sich die Aufregung legt und der Ölpreis wieder nachgibt, könnten aus den
aktuellen Mindererträgen schnell wieder Mehrerträge werden, denn die meisten Emerging
Markets haben noch immer bessere Wachstumsaussichten und viel robustere strukturelle
Fundamentaldaten als die meisten Industrienationen. Das aktuelle Umfeld könnte sich
deshalb als ideal für den langsamen Aufbau von Emerging-Market-Positionen erweisen.
- Mehr denn je wird es 2011 auf die Länder-, Branchen- und Einzelwertauswahl ankommen,
denn anders als 2010 dürften nicht alle gleichermaßen vom Aufschwung profitieren.
Aufgrund unserer langjährigen Emerging-Market-Erfahrung bieten wir Anlegern solides
Know-how für Anlagen in unsicheren Zeiten. Unser Spezialistenteam managt Emerging-
Market-Anlagen mit einem Volumen von 1,5 Mrd. USD und kann auf Erfolge mit
unterschiedlichsten Strategien zurückblicken – traditionelle und alternative Anlagen
in sämtlichen Assetklassen, globale und regionale Fonds und vieles mehr.
Unsere Kunden profitieren von der globalen Expertise von Dexia Asset Management in
allen Assetklassen (Aktien, Anleihen, Balanced, Geldmärkte etc.). Wir bieten eine
breite Palette an leistungsfähigen Anlagelösungen in Form von Publikums- und Spezialfonds.
Dabei setzen wir alles daran, die Erwartungen unserer Kunden zu erfüllen, seien es
institutionelle Anleger, vermögende Privatkunden, Privatanleger oder Finanzintermediäre.
Auswirkungen auf unsere Anlagestrategie
Insgesamt sind wir in arabischen Ländern untergewichtet und waren dies auch schon vor
den jüngsten Entwicklungen in Tunesien, Ägypten und Libyen.
So hat Tunesien am Index unserer Fixed-Income-Portfolios nur einen Anteil von
0,17 Prozent, und wir sind 10 Basispunkte untergewichtet. Die Gewichtung von Ägypten
war Ende Januar mit 0,8 Prozent etwas höher, aber diese Position haben wir verkauft.
Auch unser Engagement in Bahrain haben wir – nach einem starken Rückgang der Spreads
und noch vor dem Übergreifen der ägyptischen Ereignisse – auf 0 Prozent reduziert.
Über Staatsanleihen aus Dubai und Quasi-Staatsanleihen aus Abu Dhabi beträgt die
Gewichtung der Vereinigten Arabischen Emirate 0,9 Prozent. Im Irak, der 0,98 Prozent
der Benchmark ausmacht, sind wir überhaupt nicht investiert.
Ähnlich sieht es bei Aktien aus: Weder in unseren traditionellen noch in unseren
alternativen Portfolios haben wir hier Positionen in den arabischen Staaten.
Quelle: Investmentfonds.de