Euroswitch Kommentar: "Der Februar war reich an Narren und arm an Tagen"
Thomas Böckelmann, leitender Portfoliomanager der Vermögensmanagement Euroswitch GmbH
In unserem letzten Marktkommentar haben wir betont, dass es ein etwa 3-6 monatiges Zeitfenster für die globale Politik gibt, die großen Belastungsfaktoren für das Weltwirtschaftswachstum zu bereinigen. Offensichtlich waren wir zu hoffnungsfroh und haben das Ausmaß närrischen Treibens unterschätzt.
Faktisch ist der Februar verstrichen, ohne auch nur ansatzweise Lösungsperspektiven geboten zu haben. Vielmehr scheinen sich die Fronten überall zu verhärten und der gesunde Menschenverstand ist weitestgehend verdrängt. So will ein US-Präsident Notstandsgesetze verhängen, wenn er seinen Willen nicht durchsetzen kann und untergräbt damit die Fundamente der Demokratie. Zumindest kommt Bewegung in den Handelsstreit mit China und Europa, auch wenn viele der Äußerungen mehr nach Hoffnung als nach solidem Kompromiss klingen. Offensichtlich werden die USA und China bis Ende März benötigen, um der Öffentlichkeit einen "Deal" oder eine andere Art der Gesichtswahrung zu präsentieren. Anderenfalls droht der Weltwirtschaft ein signifikanter Schaden, dessen Ausmaß aktuell noch nicht abzuschätzen ist. Zu sehr sind die globalen Produktions- und Lieferketten miteinander verflochten, als dass ein Gewinner vom Feld marschieren könnte.
Ein Verlierer steht schon heute fest - der deutsche Steuerzahler, Stromkonsument und Geldanleger. Die Realsatire auf der politischen Bühne Berlins mag nicht enden und der Vorhang einfach nicht fallen wollen. In Berlin wird ernsthaft die Enteignung eines deutschen MDAX Unternehmens erwogen, weil eine verirrte Politik glaubt, sie könne damit den Wohnungsnotstand beenden. Dabei liegen die Ursachen für steigende Mieten nicht bei Investoren, sondern in verfehlten politischen Eingriffen in die Märkte wie die verantwortungslose Euro-Rettungspolitik mit teils negativen Zinsen und eine überbordende Baubürokratie. Statt private Bauvorhaben zu unterstützen, werden diese allerorts erschwert.
"Wenn wir so weitermachen wie bisher, werden wir scheitern." Dieser Satz, der Bundeskanzlerin Merkel bei einer internen Debatte zum Bericht der Kohlekommission zugeordnet wird, ist leider kein Ausdruck der Erkenntnis. Vielmehr deutet sich an, dass die "dümmste Energiepolitik der Welt" (Wall Street Journal - Kommentar der Gesamtredaktion am 29.01.19) noch konsequenter verfolgt werden wird. Nicht nur steigt die Abhängigkeit vom russischen Gas von aktuell 37% auf über 50%, auch sind starke Strompreiserhöhungen angesichts der verfehlten Planung zur Energieversorgung vorprogrammiert. Bereits heute liegen deutsche Strompreise 25% über dem durchschnittlichen Niveau der EU. Die Universität Frankfurt schrieb jüngst zur deutschen Energiepolitik, dass das politische Berlin ökonomische Logik systematisch ignoriere.
Aber in der Karnevalszeit muss sich jeder der Narretei verschreiben, selbst das humorlose Finanzministerium. Nachdem wir Anleger jetzt erleben dürfen, dass die Banken alle neuen Regulierungen und die Vorgaben des Investmentsteuergesetzes in ihren Systemen umgesetzt haben, erstmals die Konten mit einer sogenannten Vorabpauschale auf die zu erwartenden Kapitalerträge 2019 belastet wurden, erwägt der Bundesfinanzminister tatsächlich eine erneute Änderung noch in dieser Legislaturperiode. So soll das endlich reibungslos funktionierende Besteuerungs- verfahren wieder geändert und die Abgeltungssteuer durch den individuellen Steuersatz ersetzt werden. Ferner drohen Anlegern, die um die eigene Altersvorsorge bemüht sind, Transaktionssteuern bei Wertpapierkäufen. Ein vorläufiger Höhepunkt dieser Faschingssaison ist aber die neue Idee Berlins, mit Hilfe einer zu gründenden Ethikkommission festzulegen, welche Investments für Anleger ethisch wertvoll und für die Altersvorsorge erlaubt sind und welche nicht.
Wir befürchten, dass das närrische Treiben am Aschermittwoch noch nicht vorbei sein wird. In Europa drohen im Vorfeld der Europawahlen ein gegenseitiges Hochschaukeln von Ideologien, unbezahlbare Wahlversprechen und weitere Umverteilungsorgien. Abgesehen von wenigen Ausnahmen steht die Zukunft nicht auf der Agenda. Die geplanten Investitionen in Bildung, Innovation, Sicherheit und Infrastruktur für zukünftige Generationen sind vernachlässigbar gegenüber den geplanten Umverteilungen bestehenden Vermögens.
Aktuell sind wir nicht wirklich geneigt, im Vorfeld der Europawahlen dem Frohsinn zu huldigen - obwohl - vielleicht erheitern uns doch noch die Briten mit einem längeren Verbleib in der EU. Ein Blick in das britische Parlament in diesen Tagen zeigt den wahren Abgrund überforderter Volksvertreter. Wenige Tage vor dem offiziellen Austritt Großbritanniens aus der EU weiß faktisch niemand, wie es weitergehen kann oder soll. Völlig unbeeindruckt von der Realität mit dringend erforderlichen Antworten für täglich handelnde Unternehmen mit Arbeitnehmern und Kunden, wird debattiert, als wäre immer noch alles ein Spiel. Wir empfehlen den britischen Parlamentariern, jahreszeitkonform eine rote Pappnase zu tragen.
Ein seriöser und nüchterner Blick auf Weltwirtschaft und Kapitalmärkte gibt zumindest kurzfristig Entwarnung. Zwar geben die als Frühindikator geltenden Einkaufsmanagerindizes weiter spürbar nach und auch das ein oder andere börsennotierte Unternehmen hat seinen Ausblick nach unten korrigiert, vieles spricht jedoch lediglich für eine konjunkturelle Delle infolge massiver Verunsicherung in breiten Teilen der Wirtschaft. Konsumverhalten und Investitionsgüternachfrage sind immer noch auf absolut hohem Niveau, zwischenzeitliche Zinserhöhungsängste sind mittlerweile völlig verschwunden, die Notenbanken nahezu wieder im Rettungsmodus.
Die globalen Aktienmärkte haben uns im Februar mehrheitlich erfreut. Große Teile der durch Übertreibung in den letzten Wochen des alten Jahres entstandenen Buchverluste konnten in den ersten beiden Monaten des neuen Jahres ausgeglichen werden.
Frau Merkel hat jüngst die globalen Herausforderungen wie folgt kommentiert: "Wir spüren alle gerade, dass sich tektonische Verschiebungen ergeben, die man am besten multilateral austariert."
In diesem Sinne wünschen wir den Akteuren schnelles und erfolgreiches Handeln.
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