T. Rowe Price: Vorbereiten für eine populistische Zukunft
Nikolaj Schmidt, Chief International Economist bei T. Rowe Price
* Die Finanzmärkte stehen am Anfang einer Ära des Populismus * Ökonomie des Populismus stellt Herausforderung für Unabhängigkeit der
Das Wiederaufleben des Populismus hat unvermittelt die globale Politik in den vergangenen Jahren umgewälzt. Was das aber für Wirtschaftswachstum und Finanzanlagen bedeutet, muss sich noch herausstellen. "Obwohl die Märkte schnell auf einzelne Ereignisse reagieren, haben sie noch nicht verstanden, wie sich der Populismus langfristig auf die Weltwirtschaft auswirken könnte", warnt Nikolaj Schmidt, Chief International Economist bei T. Rowe Price. Investoren stelle das vor die Herausforderung, die Ökonomie des Populismus zu verstehen, um ihre Portfolien in den kommenden Jahren effektiv zu gestalten.
Populismus als Strukturphänomen Die Ära des Populismus stehe wahrscheinlich erst am Anfang. "Die Frustrationen der Wähler werden nicht so bald verschwinden", so Schmidt. Der World Inequality Report 2018 zeige, dass sowohl die Einkommens- als auch die Vermögensungleichheit fast überall seit 1980 gestiegen sei. Der Anstieg der Ungleichheit habe sich als fruchtbarer Boden für den Populismus erwiesen: "Populisten behaupten, dass das System die Eliten reicher gemacht habe, während Normalbürgern das Geld aus den Taschen gezogen werde", sagt der Ökonom. "Sie argumentieren, dass der einzige Weg zur Wiederherstellung von Fairness im System eine von politischen Führern implementierte, interventionistische Umverteilungspolitik im Namen der Vielen sei", fasst er das populistische Narrativ zusammen. Das wirtschaftliche Schlüsselziel von Links- wie Rechtspopulisten sei daher Umverteilung. Diese Argumente resonierten momentan und würden zu einem tiefgreifenden Politikwandel führen, der sich für viele weitere Jahre auf die Weltwirtschaft auswirken werde. "Die Märkte tuen sich schwer, die Langlebigkeit dieses Phänomens vollständig zu erfassen", gibt Schmidt zu bedenken.
Wirtschaftliche Risiken der Ökonomie des Populismus "In der Vergangenheit haben populistische Regime eine sehr lockere Haushaltsführung mit einer Politik verbunden, die direkt die Unabhängigkeit der Zentralbank, Corporate Governance und Eigentumsrechte herausfordern", argumentiert Schmidt. Daraus erwachsen mehrere Risiken. Nummer Eins: "Der Druck auf die Zentralbanken, eine akkommodative Geldpolitik zu verfolgen, führt üblicherweise zu höheren Inflationserwartungen, steileren Zinskurven, niedrigeren Realrenditen und Währungsverfall", betont Schmidt. Zweitens reduziere das Drängen nach einer Einkommensumverteilung sowie höheren Löhnen die Ertragsmargen. Zusammen mit steigender makroökonomischer Unsicherheit fordere das die Aktienbewertungen heraus. "Man kann davon ausgehen, dass die Credit Spreads sowohl für Staats- als auch Unternehmensanleihen ausdehnen, sobald Regierungen vor dem Hintergrund eines begrenzten fiskalischen Spielraums haushaltspolitisch expandieren", unterstreicht der Experte. Das Anfangsstadium dieses Politikprofils könne bereits in US-Präsident Trumps defizitfinanzierten Steuerkürzungen und der Auseinandersetzung der regierenden populistischen Koalition in Italien mit der EU erahnt werden. "Es ist besorgniserregend, dass die meisten populistischen Regierungen, die diese fiskalische Expansion unternehmen, keinen Haushaltsspielraum dafür haben", mahnt Schmidt.
Folgen für Investoren Was können Anleger davon erwarten? Aus Schmidts Sicht ist es ein Fehler zu denken, dass das mögliche Scheitern populistischer Politiker zu einem frühen Niedergang populistischer Politik führe. "Die Forderungen des Medianwählers nach mehr Gleichheit und sozialer Mobilität werden so lange nicht zum Schweigen gebracht werden, bis sie erfüllt sind", zeigt sich der Ökonom überzeugt. Selbst wenn die erste an die Macht gewählte populistische Regierung daran scheitere, diese Forderungen zu erfüllen, würden die Wähler eher einen anderen populistischen Kandidaten wählen als einen Vertreter der etablierten Parteien. "Deshalb sollten die Marktteilnehmer die Wahl Donald Trumps in den USA, Andrés Manuel López Obradors in Mexiko oder der Fünf Sterne-Bewegung in Italien nicht als isolierte Ereignisse betrachten. Vielmehr stellen sie wahrscheinlich nur die ersten einer Reihe weiterer solcher Wahlsiege dar", unterstreicht der Experte. Zudem würden amtierende Politiker der etablierten Parteien wahrscheinlich ihre Haltungen verändern, um die populistische Bedrohung zu adressieren. "Die Volksparteien werden zu der Feststellung kommen, dass Mitte-Rechts-Parteien weiter nach rechts, Mitte-Links-Parteien weiter nach links rücken müssen", so der Ökonom. Auf diese Weise könnten die populistischen Bewegungen einen beträchtlichen Einfluss über die Politik ausüben, ohne selbst an die Macht zu kommen.
Für die Eurozone würden diese politischen Rahmenbedingungen zunehmend problematisch: "In Nordeuropa betrachten Rechtspopulisten ihre südeuropäischen Nachbarn als ,Unterschichtsländer', die durch die nordeuropäischen Steuerzahler subventioniert werden müssten. Dagegen verfolgen in Südeuropa Linkspopulisten einen Narrativ, der das Establishment zu einer traditionellen Umverteilung von Reich zu Arm in Form von Schuldenerlassen drängt", sagt Schmidt. Der wachsende Rückhalt für populistische Parteien sowohl in Nord- als auch Südeuropa werde die politischen Bruchstellen weiter unter Druck setzen. "Bestenfalls entpuppt sich dieser politische Kontext als einer, der den Status Quo erhält", sagt Schmidt.
"Sollte sich herausstellen, dass die populistischen Bewegungen ein strukturelles Phänomen sind, werden Investoren noch viele Jahre mit den tiefgreifenden Auswirkungen auf Nationalökonomien und Finanzmärkte fertig werden müssen", blickt Schmidt in die Zukunft. "In diesem Fall wird aktives Management wahrscheinlich die effektivste Strategie sein, um die kommende Ära zu navigieren. Dazu gehört eine starke Betonung eines tiefgehenden Researchs, Vor-Ort-Wissens und die Fähigkeit, Anlagepositionen schnell zu ändern", resümiert der Ökonom.
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