Aktienmärkte: Hausse setzt sich fort, doch Risiken bleiben
Tobias Vogt, Senior Vice President, Central Marketing Services bei Lazard Asset Management
Trotz der aktuellen Hausse an den Aktienmärkten sollten Investoren auch weniger risikobehaftete Anlageklassen im Blick behalten. Dieser Ansicht ist Tobias Vogt, Senior Vice President, Central Marketing Services bei Lazard Asset Management. Denn: Die globalen Aktienmärkte profitierten zuletzt stark von der lockeren Geldpolitik der Notenbanken. Sollten die geldpolitischen Stimuli künftig entfallen oder sich bestehende politische Konflikte zuspitzen, könnte es zu einer starken Trendumkehr kommen.
Die Rückkehr der Europäischen Zentralbank (EZB) zum Quantitative Easing sowie die Ankündigungen von Zinssenkungen durch die US-Notenbank Fed haben aus Sicht Vogts im zweiten Quartal dieses Jahres dafür gesorgt, dass die Märkte von einer Liquiditätshausse getragen wurden, in Erwartung, dass die Notenbanken es schon richten werden. Die Entscheidung über den zukünftigen EZB-Vorsitz könnte jedoch Veränderungen bei der Politik der Notenbank mit sich bringen. Dann werde sich herausstellen, ob die "Whatever it takes…"-Politik von Draghi fortgesetzt und die Märkte weiterhin unbegrenzt mit Liquidität versorgt werden, oder ob es zu einem strafferen Regime kommen werde. Von Christine Lagarde, der bisherigen Chefin des Internationalen Währungsfonds und nun Spitzenkandidatin auf den EZB-Vorsitz, erwarten die Märkte eindeutig ersteres. In den Tagen nach ihrer Nominierung fiel die Rendite der 10-jährigen deutschen Bundesanleihe auf ein Rekordtief von minus 0,4 Prozent. Auch die Renditen italienischer Staatsanleihen sanken kräftig. "Die Märkte haben das Risiko einer strafferen Geldpolitik, wie sie unter der EZB-Führung von Jens Weidmann zu erwarten gewesen wäre, gewissermaßen , ausgepreist?",kommentiert Vogt.
Politische Risiken bleiben Die politischen Unsicherheiten im Zusammenhang mit dem Konflikt zwischen China und den USA werden die Marktteilnehmer nach Ansicht Vogts auch im dritten Quartal weiter begleiten. Allerdings erwartet der Experte eine gemäßigtere Haltung auf der Seite von US-Präsident Donald Trump. Dieser dürfte mit Blick auf die US-Wahlen im November 2020 an einer soliden US-Wirtschaft interessiert sein. "Der US-Präsident ist bereit zu provozieren, jedoch vorerst besonnen genug, keine weitere Eskalation mit China zu riskieren", so Vogt.
Im dritten Quartal dürfte sich zudem entscheiden, wie sich der weitere Verlauf des Brexits gestalten wird. Sollte es zu einem ungeordneten EU-Austritt Großbritanniens kommen, werde dies nach Ansicht Vogts sicherlich zu einer höheren Volatilität an den Aktien- und Anleihenmärkten insbesondere in Europa führen, weshalb aktives Portfolio- und Risikomanagement von Vorteil sein könne.
"In einem Umfeld, in dem die Notenbanken den Aufschwung künstlich verlängern und dadurch so gut wie alle Assetklassen an Wert gewinnen, sollte es für Anleger einfach sein, gute Anlageentscheidungen zu treffen", fasst Vogt die Lage zusammen. "Allerdings kann es in dem Augenblick, in dem die Stimuli nicht mehr greifen oder die Konjunktur unerwartet stark an Fahrt verliert, zu einer starken Trendumkehr und einem nachhaltigen Abschwung kommen."
Verschuldung weiterhin ein Thema Die bereits niedrigen Zinsen und die angekündigten Lockerungsmaßnahmen werden das Problem der wachsenden globalen Verschuldung aus Sicht des Experten weiter anheizen. Der Schuldenabbau sei in den letzten zehn Jahren des wirtschaftlichen Aufschwungs von einem Großteil der führenden Volkswirtschaften nicht angegangen worden. Die Schulden in Relation zur Wirtschaftsleistung verharrten deshalb nahe den historischen Höchstständen. "Diese Tatsache sollten Anleger bei der Wahl der Kapitalanlage auch zukünftig nicht außer Acht lassen", betont Vogt.
"Mittelfristig schätzen wir die Aktienmärkte weiterhin positiv ein, insbesondere dann, wenn sich die politischen Konflikte zurückbilden sollten und ein gemeinsames Handelsabkommen vereinbart werden kann", so Vogt. "Wir sehen aber durchaus gute Gründe, die gegenwärtige Hausse für taktische Umschichtungen in weniger risikobehaftete Assetklassen wie globale Anleihen, insbesondere Wandelanleihen, oder skandinavische Anleihen zu nutzen."
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