Vontobel | Pattsituation in Frankreich ist für die Märkte kein kritisches Szenario
Felipe Villarroel, Portfoliomanager, TwentyFour Asset Management
- Kaum Marktreaktion nach Sturz von Michel Barnier
- Regierungsstillstand nicht zu befürchten
- Unsicherheit könnte Investitionen dämpfen, privater Konsum kaum beeinträchtigt
Investmentfonds.de | Wie von den meisten Analysten erwartet, hat das französische Parlament am Mittwoch die Minderheitsregierung von Premierminister Michel Barnier mit der sprichwörtlichen Guillotine gestürzt. Der Misstrauensantrag, der von einem Bündnis linker Parteien eingebracht wurde, während Barnier versuchte, einen Haushalt zu verabschieden, wurde von Marine Le Pens rechtsextremen Rassemblement National unterstützt.
Für diejenigen, die mit den Feinheiten der französischen Politik weniger vertraut sind: Der Premierminister wird vom Präsidenten ernannt und ist nach diesem der zweithöchste Beamte des Landes. Präsidentschaftswahlen finden alle fünf Jahre statt, ebenso wie Parlamentswahlen. Der Präsident kann das Parlament auflösen, was Präsident Macron im Juli getan hat. Dies hat keine Auswirkungen auf seine Amtszeit, die 2027 endet. Der Präsident kann das Parlament erneut auflösen, aber es müssen 12 Monate dazwischen liegen, was bedeutet, dass Macron dies erst ab Juli 2025 erneut tun kann. Mit einem weitgehend dreigeteilten Parlament, einem entmachteten Premierminister und noch etwa zweieinhalb Jahren im Amt sieht sich Macron dem Druck ausgesetzt, zurückzutreten. Dies wird von einigen Politikern und Beobachtern (vor allem von Le Pen) als einziger Weg gesehen wird, die parlamentarische Blockade zu überwinden.
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Viele schlechte Nachrichten bereits eingepreist
Die turbulente politische Situation steht im deutlichen Gegensatz zu der ruhigen Reaktion der Finanzmärkte am Donnerstagmorgen. Zum Zeitpunkt der Erstellung dieses Berichts ist der Euro unverändert, die Renditen französischer Staatsanleihen (Obligations Assimilables du Trésor, OAT) sind um 3 Basispunkte gesunken und ihr Abstand zu deutschen Bundesanleihen hat sich leicht verringert. Auch bei französischen Unternehmensanleihen verlief der Tag ereignislos, mit einer leichten Schwäche der Spreads, aber keineswegs in Panik.Ein Grund für die ausbleibende Reaktion ist, dass sich der Abstand zwischen 10-jährigen OATs und Bundesanleihen bereits von etwa 55 Basispunkten zu Jahresbeginn auf heute knapp über 80 Basispunkte ausgeweitet hat. Frankreich mag viele Probleme haben, aber es ist immer noch ein Staat mit einem AA-Rating, und die OAT-Spreads sind nicht meilenweit vom Durchschnitt der Indizes für Unternehmensanleihen mit Investment-Grade-Rating entfernt, so dass viele schlechte Nachrichten bereits eingepreist sind.
Kein „Frexit“ zu erwarten
Ein weiterer Grund ist, dass extreme Szenarien unwahrscheinlich erscheinen. Im Gegensatz zu früheren problematischen Episoden in der Eurozone droht nicht unmittelbar ein „Frexit“. Es ist sogar möglich, dass die Unterstützung für Le Pens Partei bei den letzten Wahlen gerade deshalb zugenommen hat, weil sie nicht mehr für einen solchen Schritt geworben hat. Außerdem ist ein Regierungsstillstand wie in den USA nicht zu befürchten; wenn es keine Unterstützung für einen neuen Haushalt gibt, würde im nächsten Jahr eine Version des Haushalts von 2024 gelten. Das bedeutet, dass die französische Regierung weiterhin Steuern einnehmen, Gelder ausgeben und vor allem Anleihezinsen zahlen kann. Aus Sicht der Märkte ist das Worst-Case-Szenario daher weitaus weniger problematisch als frühere Beispiele für Haushaltsstreitigkeiten zwischen Regierungen und Parlamenten, z. B. im Zusammenhang mit der US-Schuldenobergrenze (wo ein technischer Zahlungsausfall den schlimmsten Fall darstellte) oder die Situation Italiens vor einigen Jahren, bei der zumindest ein geringes Restrisiko des Ausstiegs aus dem Euro bestand.Es gibt verschiedene Szenarien, die sich in den nächsten Tagen abspielen könnten. Am wahrscheinlichsten ist, dass Macron einen neuen Premierminister ernennt, um den Haushalt für 2025 durch das Parlament zu bringen. Es bleibt jedoch abzuwarten, ob er jemanden wählt, der Le Pen näher steht. Für die Märkte ist es schwierig, einen Durchbruch in Bezug auf den Haushalt zu sehen. Wie bereits erwähnt, ist das Parlament dreigeteilt, und niemand scheint es eilig zu haben, sich auf eine wie auch immer geartete Koalition zu einigen.
Unternehmen könnten Investitionen zurückstellen
Wir glauben jedoch nicht, dass Barniers Absetzung schlimmer ist als ein Szenario, bei dem er auf Kosten des Haushaltsdefizits im Amt bliebe. In der Zwischenzeit werden sich die Auswirkungen auf das Wachstum unserer Meinung nach bei den Investitionen zeigen: Da keine Klarheit über ihre Steuerschuld besteht, werden die Unternehmen wahrscheinlich abwarten, was passiert, bevor sie ihre Investitionspläne in Angriff nehmen. Gleichzeitig dürfte der private Verbrauch, der den größten Anteil am französischen BIP ausmacht, kurzfristig kaum beeinträchtigt werden.Auch wenn der politische Stillstand sicherlich keine gute Nachricht für die französischen Unternehmen und damit für das Wachstum ist, gehen wir nicht davon aus, dass die Wachstumsprognosen infolge des Ausscheidens von Barnier drastisch nach unten korrigiert werden. Das makroökonomische Umfeld wird in den nächsten Quartalen wahrscheinlich ein bescheidenes Wachstum, eine Inflation nahe dem Zielwert, niedrigere Zinssätze, da die EZB ihre Zinssenkungen fortsetzt, und begrenzte Ausfallraten aufweisen, was in vielerlei Hinsicht den Trends dieses Jahres nicht unähnlich ist.
Dennoch erscheinen uns französische Vermögenswerte weder ausgesprochen billig noch teuer. Die Underperformance, die sie gegenüber ihren europäischen Konkurrenten erlitten haben, ist gerechtfertigt, aber wir glauben nicht, dass sich ein besonderes Einstiegs- oder Ausstiegsfenster eröffnet hat.
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