BlackRock: Wirtschaft top, Politik Flop
Dr. Martin Lück, Leiter Kapitalmarktstrategie BlackRock
Erst kommt das Fressen, dann kommt die Moral. Schon Bertolt Brecht wusste um
diese einfache Wahrheit, und sie lässt sich jahrein, jahraus auch an den
Finanzmärkten beobachten. Selten allerdings in der Häufung der letzten Jahre,
in denen die Politik, welche den Rahmen für ökonomisches Handeln setzt, immer
unappetitlicher geworden ist. Viel zu tun hat dies mit dem Aufkommen des
ungehemmten Populismus, dessen Ursachen oft beschrieben wurden und als bekannt
gelten, der in seiner Unberechenbarkeit aber immer wieder für Überraschungen
sorgt. Und Überraschungen, jedenfalls solche der unerfreulichen Art, sind
toxisch für risikobehaftetes Anlegen.
Mit Blick auf das gerade begonnene letzte Quartal 2018 lässt sich absehen, dass
auch dieses vom Tauziehen zwischen starken Wirtschaftsdaten einerseits und der
Unberechenbarkeit der Politik geprägt werden dürfte. So haben die
US-Arbeitsmarktdaten vom vergangenen Freitag einmal mehr Zeugnis abgelegt von
der auf allen Kanälen brummenden Wirtschaft. Die Arbeitslosenquote ist mit 3,7%
so niedrig wie seit den 60er Jahren nicht mehr, die Löhne steigen dennoch mit
2,8% nur moderat und erlauben der Fed weiterhin ein behutsames Straffen der
Geldpolitik. Gleichermaßen dürfte die in diesen Tagen beginnende Berichtssaison
für die Unternehmensergebnisse im dritten Quartal die Vorlage für weiter
steigende Aktienkurse bilden, denn wir gehen davon aus, dass die gute
Wirtschaftslage und die Geschenke aus der US-Steuerreform die Profite noch
stärker angetrieben haben als vom Marktkonsens erwartet. Spricht also alles für
eine Fortsetzung der Aktien-Erfolgsgeschichte, vor allem in den USA. Neue
Höchststände wären aber auch hierzulande denkbar. Wäre da nicht das oben
genannte - und in der Tat unberechenbare - Störfeuer der Politik.
Es sind vor allem die oft zitierten Risikoszenarien der letzten Wochen, die wir
auch mit Blick auf das Schlussquartal für am potentiell gefährlichsten halten.
Sie alle haben mit Populismus und Verfall demokratischer Kultur zu tun,
angefangen bei einem US-Präsidenten, der die Kongresswahlen am 6. November
unbedingt gewinnen will. Gerade die gegen viel Widerstand erzwungene
Durchsetzung des rechten Hardliners Brett Kavanaugh als Richter am Supreme Court
hat Trump einmal mehr darin bestärkt, keine Rücksichten auf moderate Wähler zu
nehmen. Es ist zu erwarten, dass er, je näher wir der Wahl kommen, immer wilder
um sich schlagen wird. In Bezug auf die US-Außenpolitik, besonders gegenüber
China, Russland und dem Mittleren Osten, ist dies eine wahrscheinliche Quelle
von Volatilität.
Zweitens Italien. Dort hat die Populistenregierung zwar Ihr Defizitziel für
2020 und 2021 leicht gesenkt, auf nunmehr 2,1% und 1,8%. Dies dürfte aber nur
unter günstigsten Annahmen bezüglich Wachstum und Inflation den Schuldenstand
gerade eben konstant halten. In jedem Fall steht der Plan weiter in eklatantem
Widerspruch zu den Regeln des Stabilitäts- und Wachstumspaktes. Es droht Zoff
mit der EU-Kommission und eine Herabstufung durch die Ratingagenturen. Die
Angst vor einer Neuauflage der Eurokrise bleibt greifbar.
Drittens die Türkei. Im September hat die Abwertung der Lira die Inflation
weiter angefacht. Um 24,5% gegenüber dem Vorjahr stiegen die Preise. Die
Regierung in Ankara müsste nun dringend auf die Bremse treten und die
Zentralbank die Zinsen drastisch erhöhen lassen, um die Leistungsbilanz zu
stabilisieren und den Verfall der Währung zu stoppen. Aber Erdogans Kopf steckt
tief im Sand. Fast alles spricht dafür, dass die Krise noch wesentlich schlimmer
wird. Zwar halten wir ein Überschwappen auf andere, größere Schwellenländer
bisher für unwahrscheinlich. Dies gilt aber vor allem, solange der Welthandel
rund läuft. Und jetzt scheint auch noch mit Jair Bolsonaro ein verwirrter
Radikaler zum Präsidenten der größten Volkswirtschaft Lateinamerikas gewählt zu
werden. Für die Risikoneigung von Anlegern ist dies keine ideale Konstellation.
Und schließlich der Brexit. Immer mehr wird klar, dass ein für alle akzeptables
Ausscheiden Großbritanniens aus der EU einer Quadratur des Kreises gleichkommt.
Zwischen superhartem No-Deal Brexit über einen Status a la Norwegen, genannt
BINO (Brexit in Name only), bis hin zum "Exit vom Brexit" über ein oder mehrere
erneute Referenden scheint alles möglich. Vor allem aber wird eine Einigung vor
Jahresende immer unwahrscheinlicher. Und in diesem Fall, also kein Deal bis
Jahresende, dürften in Pfund Sterling notierte Anlagen massiv unter Druck
geraten.
Was bedeutet das für Anleger?
Es ist also angerichtet für ein spannendes Schlussquartal. Sehr gut möglich,
dass die zu erwartenden guten Gewinnberichte der Unternehmen
in ihrer Wirkung auf die Aktienpreise verpuffen, weil die politischen
Unsicherheiten auf die Bewertung drücken.
Denkbar allerdings auch, dass sich bis Jahresende die heute
bedrohlich aussehenden Politikszenarien ohne den befürchteten Knall auflösen
und doch noch den Weg zu einer Art Jahresendrally freigeben. Aus heutiger Sicht
erscheint letzteres sogar etwas wahrscheinlicher. Auch in Zeiten unmoralischer
Politik stirbt der Glaube an das Gute zuletzt.
Disclaimer: Diese Meldung ist keine Empfehlung zu einer Fondsanlage und keine individuelle Anlageberatung. Vor jeder Geldanlage in Fonds sollte man sich über Chancen und Risiken beraten und aufklären lassen. Der Wert von Anlagen sowie die mit ihnen erzielten Erträge können sowohl sinken als auch steigen. Unter Umständen erhalten Sie Ihren Anlagebetrag nicht in voller Höhe zurück. Die in diesem Kommentar enthaltenen Informationen stellen weder eine Anlageempfehlung noch ein Angebot oder eine Aufforderung zum Handel mit Anteilen an Wertpapieren oder Finanzinstrumenten dar.
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