19.06.2006
Activest: Bringt die WM den Börsenboom?
Köln, den 19.06.2006 (Investmentfonds.de) -
Sportstimmungen und Aktienerträge
Man mag Michael Ballack ob seines Wechsels zu Chelsea London als geldgeil verachten,
mag über Jürgen Klinsmanns Dauergrinsen den Kopf schütteln und den Torwartstreit
zwischen Jens Lehmann und Oliver Kahn belächeln - aber bei der Weltmeisterschaft
sollten auch Antifußballer Deutschland die Daumen drücken. Denn WM-Erfolg entscheidet
nicht nur über sportliche Anerkennung, sondern auch über volkswirtschaftliche Daten:
nämlich die Entwicklung der Börsen. "Sportstimmungen und Aktienerträge" heißt eine
Studie des US-Magazins 'Journal of Finance'. Drei Wirtschaftswissenschaftler haben
darin Zusammenhänge von Sportergebnissen und Börsentendenzen verglichen. Das Ergebnis:
Nach Niederlagen fallen die Kurse. Besonders auffällig ist der Zusammenhang - wen
wundert's - bei der weltweit populärsten Sportart Fußball und dort vor allem bei
Weltmeisterschaften: So gäben die Aktienmärkte in einem Land, das bei der WM aus-
scheidet, tags drauf im Schnitt um 49 Punkte mehr nach als gerechtfertigt, heißt es.
Fußballergebnisse beeinflussen vor allem Nebenwerte
Natürlich gilt es diese Aussage zu relativieren - schließlich sind 49 Zähler beim
Dax fast ein Prozent, während sie beim japanischen Nikkei-Index kaum ein Drittel
avon ausmachen. Doch der Zusammenhang sei feststellbar, so die Forscher. Interessant:
Aktien kleinerer Firmen verlieren nach WM-Pleiten stärker als Blue Chips. Was skurril
klingt, ist logisch: Während globale Konzerne oft im Besitz multinationaler Fonds oder
ausländischer Investoren sind, sind bei kleineren Firmen eher nationale (Privat-)
Anleger investiert - die von einer Fußballpleite stärker beeinflusst werden. Können
wir also mit einem neuen Börsenboom rechnen, wenn Deutschland einen WM-Sieg nach dem
anderen feiert? Laut der US-Studie leider nicht, denn sportlicher Erfolg beflügele
die Kurse nicht.
Auch Olympia tut den Aktien gut
Andere Experten behaupten das Gegenteil: Von einem "beispiellosen Kursfeuerwerk"
spricht die Landesbank Rheinland-Pfalz. 1974 - beim Sieg bei der letzten Heim-WM -
sei es schließlich genauso gewesen. Damals habe der Dax den globalen Leitindex MSCI
in den sechs Monaten nach dem Turnier um 34 Prozent abgehängt. Eine Untersuchung
von 'FondsSkyline' zu den Olympischen Spielen - dem einzigen Sportereignis, das eine
vergleichbare mediale Aufmerksamkeit genießt wie eine WM - verkündet Ähnliches: Mit
einer Ausnahme (Sydney 2000) hätten die Indizes der Ausrichterstaaten die globale
Benchmark stets geschlagen. "Börse ist eben Psychologie", hat schon Aktien-Altmeister
André Kostolany gepredigt und nachzuweisen versucht, dass sogar das Wetter die Märkte
beeinflusst, weil es sich auf die Stimmung im (Anleger-)Volk auswirkt. Und warum
sollten das dann nicht auch WM-Spiele tun, schließlich kann sich dem Turnier derzeit
in der Tat niemand entziehen? Und wirtschaftlich relevanter als Regen oder
Sonnenschein ist die Milliarden schwere WM allemal.
Das Ausrichterland profitiert am meisten
'Spiegel online' war es im April sogar eine Eilmeldung wert: "WM beflügelt
Aktienhandel", titelte das Internet-Medium, als der Dax erstmals seit 2001 über
6000 Punkte geklettert war. Und als sich Japan vor einem Jahr für die WM
qualifizierte, sahen Wirtschaftsblätter gleich auch die Tokioter Börse jubeln.
"Der Sieg heizt die Stimmung bei den Aktien kräftig an", wurde ein Analyst zitiert,
und Volkswirte prognostizierten einen Schub für das Bruttoinlandsprodukt.
Allerdings bleiben wirtschaftliche Effekte weitgehend auf das Ausrichterland
begrenzt, schließlich profitiert es vom Besucheransturm, steigendem Konsum und
Investitionen in Gebäude, ÖPNV und Kommunikationstechnologie.
FIFA-Sponsoren schlagen den Index
Dementsprechend überbieten sich Analysten und Experten auch seit Monaten mit Tipps,
welche Aktien die WM besonders beflügelt. Zuerst genannt wird meistens Adidas, ist
der Sportartikelhersteller doch Partner des Weltverbandes FIFA und Ausrüster von
Turnierfavoriten wie Argentinien oder Deutschland. Generell gilt: Sportartikler
profitieren umso stärker, je größer die Kaufkraft ist. Denn nur bei einem gewissen
Mindestlebensstandard haben die Menschen Geld für Schnickschnack wie Fußballtrikots.
Auch Brauereien, Fernseher-Hersteller, Speditionen, sogar die über ein Jahrzehnt Not
leidende Baubranche, wurden als WM-Gewinner gefeiert - omnipräsente Werbepartner wie
McDonald’s oder Coca Cola sowieso. Und eine Analyse von Raiffeisen Research
bestätigt: Aktien der FIFA-Sponsoren würden in WM-Jahren um 9,2 Prozent besser
abschneiden als der Vergleichsindex.
WM-Begeisterung allein reicht nicht
Dennoch dürfe man die WM nicht als Gewinngarantie sehen, warnt eine Studie der
Uni Hohenheim: "Teures WM-Sponsoring zahlt sich nur für eine kleine Spitze von
Firmen aus, die international schon einen hohen Bekanntheitsgrad haben." Vor allem
gelte das für Adidas, McDonald's und Coca Cola. Firmen allein wegen des Fußball-
turniers zu kaufen, ist sowieso gefährlich: So empfahlen im Winter noch einige
Geldinstitute Premiere als sicheren WM-Profiteur, doch dann stürzte der Kurs des
Pay-TV-Senders trotz exklusiver WM-Berichterstattung ab, weil er die Bundesliga-
Rechte verlor. Noch schlimmer traf es den TecDax-Wert Micronas. Im Winter noch
gefeiert, hat er sich nach einem Gewinneinbruch inzwischen von der Frankfurter
Börse zurückgezogen. Und Hyundai, das sich gerne als Lieferant der automobilen
WM-Flotte präsentiert, muss erstmal den Unterschlagungs-Prozess gegen seinen
Konzernchef Chung Mong-Koo verarbeiten. Man rate davon ab, Aktien "nur wegen der
erwarteten Impulse durch die Fußballweltmeisterschaft 2006 zu kaufen", heißt es
daher bei der Landesbank Rheinland-Pfalz. Schließlich ist eine WM mit zu vielen
Zufällen behaftet. Das musste etwa Panini erfahren: Der Produzent von Fußball-
Klebebildchen hatte nur Oliver Kahn in seine Kollektion aufgenommen. Als dann Jens
Lehmann zur Nr. 1 im deutschen Tor wurde, musste Panini sein Konterfei nachdrucken.
Quelle: Investmentfonds.de