19.08.2004
Dt. Bankenverband: Sparmotive dominieren Geldvermögensbildung
Köln, den 19.08.2004 (Investmentfonds.de) - Auch fünf Jahre nach Beginn der Währungs-
union und des gemeinsamen Finanzbinnenmarktes hat sich an den nationalen Eigenarten
im Sparverhalten der privaten Haushalte nur wenig geändert. Die nationalen Rahmenbe-
dingungen dominieren nach wie vor sowohl den Umfang der Geldvermögensbildung als auch
die Präferenzen für die verschiedenen Anlageformen. Dahinter stehen ganz offensicht-
lich unterschiedliche Sparmotive. Die Bedeutung der privaten Altersvorsorge in den
einzelnen Ländern der EU dürfte dabei das hervorstechendste Merkmal sein. Länder mit
einer langen Tradition kapitalgedeckter privater Altersvorsorge weisen in Europa nicht
nur das höchste Geldvermögen pro Kopf aus, die Zusammensetzung des Geldvermögens in
diesen Ländern unterscheidet sich auch recht deutlich von der in den übrigen Ländern.
An einem Ende der Skala findet sich Österreich. Dort dominiert nach wie vor die Geldan-
lage auf dem Sparbuch. Fast 56 % des Geldvermögens entfielen im Jahr 2002 hier auf die
Rubrik Bargeld und Einlagen. Zwar ist die Bedeutung des Sparbuchs auch in Österreich
seit Mitte der neunziger Jahre rückläufig, aber in keinem anderen Land in Europa ver-
trauen die Menschen so stark auf diese Sparform. In Deutschland besitzt diese Form der
Vermögensbildung traditionell ebenfalls eine hohe Bedeutung. Allerdings ist der Anteil
der Sparguthaben seit Mitte der neunziger Jahre von 42 % auf nur noch 36 % im Jahr
2002 gesunken und befindet sich damit im europäischen Mittelfeld.
Verzinsliche Wertpapiere besitzen nur in wenigen europäischen Ländern eine größere Be-
deutung. Dies hängt häufig damit zusammen, dass staatliche Wertpapiere dort traditionell
nicht als Sparform der privaten Haushalte betrachtet wurden. Zwar bemühen sich in den
letzten Jahren zum Beispiel die französische und britische Regierung für staatliche
Wertpapiere auch private Haushalte als Investoren zu gewinnen, aber der Anteil am ge-
samten Geldvermögen ist mit jeweils etwa 2 % recht klein. In Deutschland haben die pri-
vaten Haushalte dagegen rund 11 % ihres Geldvermögens in Geldmarkt- und Rentenpapieren
angelegt.
Recht unterschiedlich ist in Europa auch die Bedeutung der Anteilsrechte. Dazu zählen
Aktien, Beteiligungen und Investmentzertifikate. Die von den einzelnen Ländern zur Ver-
fügung gestellten Daten lassen leider eine Differenzierung der Entwicklung zwischen
diesen Anlageformen nicht zu. Grundsätzlich gilt jedoch, dass der Wert der Anteils-
rechte in den zurück liegenden zehn Jahren den stärksten Schwankungen unterworfen war.
Auf die Ursachen hierfür wird weiter unten noch genauer eingegangen. Tatsache ist auch,
dass in jenen Ländern, in denen die kapitalgedeckte private Altersvorsorge eine große
Bedeutung besitzt, die direkte Anlage in Aktien und Investmentzertifikaten von
unterdurchschnittlicher Bedeutung ist.
Die längste Tradition mit einer kapitalgedeckten privaten Altersvorsorge gibt es in den
Niederlanden und im Vereinigten Königreich. Die Ansprüche an Lebensversicherungen und
Pensionsfonds summieren sich in beiden Ländern auf mehr als die Hälfte des Geldvermögens
der privaten Haushalte. Auch in Dänemark und Schweden hat die Bedeutung der privaten
Altersvorsorge seit Mitte der neunziger Jahre erheblich zugenommen. Belief sich der
Anteil an Ansprüchen an Lebensversicherungen und Pensionsfonds am Geldvermögen 1995
noch auf 34 % in Dänemark und 27 % in Schweden so waren es im Jahr 2002 in beiden Ländern
mehr als 40 %.
Die Auswirkungen auf die Vermögensbildung im Vergleich zu Ländern, die bei der Alters-
vorsorge noch überwiegend auf Umlageverfahren setzen, zeigt ein Blick in die Tabelle
der Geldvermögen pro Kopf. Vor allem die Vermögenszuwächse der Pensionsfonds haben dazu
geführt, dass das Geldvermögen pro Kopf im Vereinigten Königreich zwischen 1995 und
2002 um 75 % auf mehr als 69.000 Euro gestiegen ist. In Deutschland belief sich der
Zuwachs im gleichen Zeitraum nur auf 32 %. Dabei war gleichwohl zu beobachten, dass
die privaten Haushalte in Deutschland in den letzten Jahren der privaten Altersvorsorge
ein größeres Augenmerk gaben, so dass deren Bedeutung für das Geldvermögen auch hierzu
Lande etwas gestiegen ist. Allerdings ist es noch zu früh, um aus den vorliegenden Daten
Auswirkungen des Altersvorsorgegesetzes ableiten zu können.
Der Einfluss des Börsencrashs auf das Geldvermögen der privaten Haushalte
In allen Ländern Europas hat die New Economy Blase an den Aktienmärkten erkennbare
Spuren in der Entwicklung der Geldvermögen der privaten Haushalte hinterlassen. Gene-
rell ist festzustellen, dass das Ausmaß der Auswirkungen von der Bedeutung der Aktien-
märkte für die Geldvermögensbildung der privaten Haushalte abhängig war.
Zwischen 1995 und 1999, dem Höhepunkt der Aktienhausse, sind die Geldvermögen der pri-
vaten Haushalte in Europa insgesamt und pro Kopf in allen Ländern kräftig gestiegen.
Gleichzeitig erhöhte sich der Anteil der Aktien am gesamten Geldvermögen in allen
Ländern spürbar. In allen Ländern verzeichneten die privaten Haushalte zwischen 1995
und 1999 mindestens eine Verdopplung ihres Aktienvermögens, in Österreich verdreifachte
er sich und in Italien stieg er sogar um das Vierfache. Im danach folgenden Börsencrash
ging dieser Vermögenszuwachs jedoch größtenteils wieder verloren.
Die Auswirkungen dieses Ereignisses auf das gesamte Geldvermögen variierte jedoch von
Land zu Land sehr stark. Während in einigen Ländern, wie z.B. in Deutschland, der
Vermögensverlust durch die Ersparnisbildung und die Vermögenszuwächse der übrigen
Geldvermögensbestandteile weitgehend aufgefangen werden konnte und das Geldvermögen
pro Kopf in den Jahren danach noch leicht stieg oder auf dem erreichten hohen Niveau
stagnierte, mussten die privaten Haushalte in anderen Ländern deutliche Vermögensver-
luste hinnehmen. Dies war vor allem im Vereinigten Königreich der Fall, wo das Geld-
vermögen pro Kopf von 1999 bis 2002 um 19 % gesunken ist. Markante Geldvermögensver-
luste gab es darüber hinaus noch in Belgien, Frankreich und den Niederlanden. In
diesen Ländern war der Rückgang des Wertes des Aktienvermögens überdurchschnittlich
stark.
Das Sparverhalten hat sich wieder normalisiert
Die starken Vermögensschwankungen, die durch die Entwicklung der Aktienbörsen seit
Mitte der neunziger Jahre ausgelöst wurden waren, sind selbstverständlich nicht ohne
Einfluss auf das Sparverhalten in Europa geblieben. Der international zu beobachtende
Trend einer rückläufigen Sparquote hat sich im Zuge der Börsenhausse noch verstärkt.
In allen europäischen Ländern ist die Sparquote zwischen 1995 und 1999 zum Teil be-
trächtlich gesunken. Unterstellt man, dass die Haushalte über eine wenn auch nur vage
Vorstellung eines optimalen Geldvermögensniveaus verfügen, dann ist diese Entwicklung
leicht erklärlich.
Dank den Gewinnen an den Aktienbörsen stieg das Geldvermögen nicht nur absolut, sondern
vor allem auch in Relation zum verfügbaren Einkommen. Die privaten Haushalte fühlten
sich dadurch subjektiv reicher. Da die gesetzten Vermögensziele nun schneller erreicht
werden konnten, wurden die Sparanstrengungen verringert. Mit anderen Worten, die
Konsumausgaben stiegen, die Sparquote sank.
Mit dem Crash an den Aktienbörsen drehte sich diese Entwicklung um. Um trotz der Geldver-
mögensverluste an den Börsen die angestrebten Vermögensziele zu erreichen, mussten nun
die Sparanstrengungen wieder erhöht werden. Die Sparquote stieg also wieder, und wie der
Grafik zu entnehmen ist, in fast allen europäischen Ländern. Diese Entwicklung wurde
zusätzlich durch die nicht nur in Deutschland einsetzende Diskussion um die Folgen der
Überalterung der Gesellschaft unterstützt. Die Notwendigkeit einer privaten Altersvor-
sorge, die nicht zuletzt auch in der starken Zunahme der Ansprüche an Lebensversiche-
rungen und Pensionsfonds erkennbar ist, dürfte deshalb nicht nur zu einer Umschichtung
der ersparten Geldmittel, sondern auch zu einem Anstieg der Sparquote beigetragen haben.
Der Anstieg der Sparquote in Deutschland zwischen 1999 und 2003 von 9,8 % auf 10,8 %
verlief demnach parallel zur Entwicklung in den übrigen europäischen Ländern. Die
Versuche, diesen Anstieg als eine konjunkturschädliche Form von Angstsparen zu diffa-
mieren, führen deshalb weitgehend an den Tatsachen vorbei. Ein Anstieg der Sparquote
ist ganz im Gegenteil zwingend erforderlich soll die private kapitalgedeckte Altersvor-
sorge auf ein breites Fundament gestellt werden. Der Anstieg der Sparquoten in
Deutschland und in den übrigen Ländern Europas ist vielmehr eine Rückkehr zu einem
Normalniveau und deshalb kein Anlass zur Besorgnis.
Quelle: Investmentfonds.de